Rückblick auf 2023: Das Krisen-Jahr der DFB-Frauen in 5 Spielen und Phasen

Die deutsche Startelf im entscheidenden Spiel gegen Südkorea
Die deutsche Startelf im entscheidenden Spiel gegen Südkorea / Visionhaus/GettyImages
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2023 war ein kompliziertes Jahr für die DFB-Frauen. Auf EM-Euphorie folgte WM-Blues, und nach dem Debakel in Australien wurde es kaum besser. Das waren die fünf prägenden Spiele von Deutschland im Jahr 2023.

1. Deutschland - Niederlande 1:0

Sydney Lohmann, Tabea Wasmuth, Jule Brand, Lineth Beerensteyn
Jubel bei den DFB-Frauen nach dem schmeichelhaften 1:0 gegen die Niederlande / BSR Agency/GettyImages

Phase 1: Ergebnisse stimmen, Leistungen nicht

Vor der WM wollte sich Deutschland bewusst mit einigen Top-Teams messen: Den Startschuss in das wichtige Jahr 2023 gab es beim 0:0 gegen Schweden, dann folgten Partien gegen die Niederlande und Brasilien. Gegen Schweden und die Niederlande gab es keine Niederlage, was zunächst zu einer vorsichtigen Zuversicht führte.

Die Ergebnisse stimmten - und im vorherigen November hatte das DFB-Team auch noch gegen den damaligen Weltmeister USA gewonnen. Mit den Leistungen sah es etwas anders aus. Das 1:0 gegen die Niederlande war mindestens schmeichelhaft.

Die DFB-Frauen waren offensiv harmlos, der Siegtreffer durch Sydney Lohmann kam aus dem Nichts. Nur dank der beiden überragenden Torhüterinnen Merle Frohms und Ann-Katrin Berger konnte Deutschland den Sieg irgendwie über die Zeit bringen.

Voss-Tecklenburg lobte ihre "Chancentöterinnen", erkannte aber auch selbst, dass noch viel fehlte. Unter Druck müsse ihr Team souveräner werden, sagte die damalige Bundestrainerin. Die Diagnose war richtig, aber eine Lösung wurde nicht gefunden - sodass auch bald die Ergebnisse nicht mehr stimmten.

2. Deutschland - Sambia 2:3

Phase 2: Bad Omens

Die WM-Vorbereitung hatte schon fast gruselige Parallelen zu den letzten Spielen vor der EM. Damals hatte die Elf von Voss-Tecklenburg überraschend mit 2:3 gegen Serbien verloren. Jetzt war es ein 2:3 gegen einen anderen Underdog: Sambia.

Wie auch gegen Serbien waren es vor allem lange Bälle hinter die eigene Abwehrkette, die den DFB-Frauen zu schaffen machten. Nach vorne herrschte noch schlimmere Ideenlosigkeit, als es der Spielstand zeigen mag. Das letzte Spiel vor der WM - ein kompletter Reinfall.

2022 beendete das DFB-Team die Vorbereitung immerhin mit einem versöhnlichen 7:0 gegen die Schweiz. In diesem Sommer nahm Deutschland die schmachhafte Niederlage gefühlt im Gepäck mit nach Australien. Und sie kam nicht mal überraschend. Schon die vorherigen Spiele gegen Brasilien und gegen Vietnam waren wenig überzeugend.

Immer wieder zeigte sich, dass die DFB-Elf mit intensivem Pressing im Mittelfeld größte Probleme hatte. Trotzdem, selbst nach dem 2:3 gegen Sambia herrschte vorsichtiger Optimismus. Der Titel blieb das erklärte Ziel von Voss-Tecklenburg, ein Ausscheiden im Viertelfinale wurde allgemein als Worst-Case-Szenario angesehen.

3. Deutschland - Marokko 6:0

Alexandra Popp-Hoppe of Germany celebrates with her team...
Starker Auftakt in die WM: Das 6:0 gegen Marokko / SOPA Images/GettyImages

Phase 3: Trügerische Euphorie

Die Optimisten sahen sich nach dem 6:0 gegen Marokko bestätigt. WM-Auftaktsieg, und was für einer. Die DFB-Frauen erledigten ihren Job mindestens souverän, in Teilen fast schon entfesselt. Die Sorgen der Vorbereitung schienen wie weggeblasen. Fußball kann so einfach sein!

So schien es zumindest an dem Tag, für ein paar Minuten. Und wieder waren da die EM-Parallelen: Miese Vorbereitung, glänzender Auftaktsieg - damals war es ein 4:0 gegen Dänemark gewesen. Niemand gewann am ersten Spieltag höher als Deutschland. "Wir wollten ein Statement setzen", sagte Stürmerin Laura Freigang.

Die Flügelzange mit Bühl und Brand funktionierte hervorragend, fütterte Alexandra Popp am laufenden Band mit Flanken. Die tat, was sie am besten kann - einköpfen. Gegen überforderte WM-Debütantinnen reichte das für einen lockeren Sieg.

Selbst beim 6:0 waren aber Risse im Fundament zu erkennen. Dass das Experiment mit Huth als Rechtsverteidigerin nicht funktionieren würde, war da abzusehen, der offensive Schwung ging zulasten der defensiven Stabilität. Und im Mittelfeld gab es zu viele Ungenauigkeiten.

4. Deutschland - Südkorea 1:1

Alexandra Popp
Enttäuschung nach dem WM-Aus gegen Südkorea / Visionhaus/GettyImages

Phase 4: Desillusionierung

Der Schock folgte schon mit dem zweiten WM-Spiel gegen Kolumbien. Die erste Niederlage in einer Gruppenphase seit 1995, die anfängliche Euphorie war schnell verflogen. Aber so wirklich kam der Ernst der Situation nicht an, weder in der Öffentlichkeit noch beim Team.

Schließlich gab es genug bequeme Erklärungen für die Pleite. Ein später Treffer und ein Traumtor von einem Wunderkind - kann passieren, oder? Kolumbien machte sehr viel aus den wenigen Chancen, aber mehr Sorgen machten das fahrige Aufbauspiel und die eigene Unkreativität.

Trotzdem schien das Weiterkommen in der Gruppe durchaus möglich. Selbst eine Niederlage konnte sich die DFB-Elf leisten, solange Marokko keinen Punkt gegen Kolumbien holen würde. Jenes Marokko, das zu Beginn mit 0:6 gegen Deutschland verloren hatte - das würden sie doch nicht, oder?

Taten sie doch, und so war Deutschland nach einem schrecklichen Auftritt beim 1:1 gegen Südkorea ausgeschieden. Die Probleme: fast identisch zu denen gegen Kolumbien, das Lernen aus den Fehlern: überhaupt nicht zu sehen. Wieder war Deutschland lethargisch, schon früh überfordert gegen clevere Südkoreanerinnen.

Gerade die Schlussphase war erschreckend: Der absolute Drang auf das Tor, der nötige Ansturm, war nicht zu sehen. Warum, das wurde später in der Doku "Born for this" aufgedeckt: Die Spielerinnen wurden vom Trainerteam nicht über den Stand im Parallelspiel aufgeklärt. Eine Anekdote, die die miserable Kommunikation bei der WM perfekt aufzeigt. Das Trauma von Brisbane würde die DFB-Frauen noch länger verfolgen, das war sofort klar.

5. Deutschland - Wales 0:0

Gemma Evans, Sjoeke Nusken
Das 0:0 gegen Wales war ein zäher Abschluss des Fußballjahres / Michael Steele/GettyImages

Phase 5: Mühsamer Wiederaufbau

Nach der verpatzten WM hätte es eine klare Analyse der spielerischen Probleme gebraucht. Die fand zunächst nicht statt, was auch an der Krankheit von Martina Voss-Tecklenburg lag. So gingen die DFB-Frauen mit einer doppelten Unsicherheit in die Nations League: Unsicherheit auf der Trainerposition, Unsicherheit beim Konzept.

Mit dem 0:2 gegen Dänemark zum Auftakt schien sich die Abwärtsspirale nur noch weiter zu drehen. Die unklare Kommunikation und fehlende Perspektive für die kommende Monate belastete auch die Spielerinnen sichtlich, die weiterhin weit unter ihrem Niveau spielten. Plötzlich war das "Zahnarzt-Gate" in aller Munde - eine weitere kuriose Anekdote aus dem verkorksten Jahr.

Zunächst unter Britta Carlsson, dann unter Horst Hrubesch konnten einige wichtige Arbeitssiege eingefahren werden, die Olympia-Chance wurde am Leben gehalten. Es schien wieder bergauf zu gehen - mühsam bergauf, aber immer noch bergauf, besonders nach dem starken Sieg gegen Dänemark.

Dann zum Abschluss der Dämpfer: Beim 0:0 gegen Wales verfiel die Nationalelf in altbekannte Muster. Spielerischer Fortschritt seit dem WM-Debakel? Kaum zu sehen, stattdessen müde Angriffe im entscheidenden Spiel.

Eine Ironie des Schicksals: Wieder spielte Deutschland im letzten Spiel nur Unentschieden, wieder waren sie auf Schützenhilfe angewiesen, und dieses Mal leistete Island sie. Für das nächste Jahr haben die DFB-Frauen eine Chance auf Olympia und auf eine Wiedergutmachung - sie haben aber auch noch viele schwere Aufgaben im Rucksack.