Remis zwischen Stuttgart und Leverkusen: Die wichtigsten Erkenntnisse des Spiels
Von Florian Bajus

Der VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen trennten sich am Samstagnachmittag mit einem 1:1. Der ursprüngliche Matchplan von VfB-Coach Pellegrino Matarazzo ging nicht auf, letztlich war es allen voran der fehlenden Präzision und Kreativität der Leverkusener zu verdanken, dass der Aufsteiger im zweiten Spiel in Folge trotz Rückstand mindestens einen Punkt geholt hat. Die auffälligsten Erkenntnisse der Partie im Überblick.
1. Matarazzos Viererkette blieb wirkungslos
Auf dem Papier wurde eine 3-4-2-1-Formation des VfB Stuttgart erwartet, in den ersten 45 Minuten liefen die Schwaben aber in einer Viererkette auf. Borna Sosa, eigentlich linker Wingback, reihte sich beim Innenverteidiger-Trio um Konstantinos Mavropanos, Waldemar Anton und Marc Oliver Kempf ein, wodurch sich eine Art 4-2-3-1 mit Orel Mangala und Wataru Endo auf der Doppelsechs, Silas Wamangituka, Gonzalo Castro und Daniel Didavi in der offensiven Dreierreihe und Sasa Kalajdzic in der Sturmspitze ergab.
In dieser Formation gelang dem VfB offensiv jedoch so gut wie nichts. In zahlreichen Situationen wurden zur Spieleröffnung lediglich lange Bälle geschlagen, um das hohe Leverkusener Pressing zu überspielen, in der gegnerischen Hälfte ruhten die Hoffnungen in der Regel aber nur auf Wamangituka, der auf der rechten Außenbahn keinerlei Unterstützung von Mavropanos und nur selten welche von Castro erhielt. Da somit keine Überzahl auf außen hergestellt werden konnte, wurde die Bayer-Abwehr selten überspielt.
Zur zweiten Halbzeit trat der VfB wie ursprünglich gedacht im 3-4-2-1 auf und erzeugte prompt mehr Wucht im Spiel nach vorne. Speziell in den ersten Minuten nach Wiederbeginn marschierten die Spieler in Richtung Tor, waren plötzlich auch nach Ballverlust näher am Mann und haben zweite Bälle erobert. Es war ein Fingerzeig, dass ein System mit vier Abwehrspielern Zeit benötigt.
2. Der VfB gibt sich nicht auf - versprühte gegen Leverkusen aber nur wenig Gefahr
Im dritten Bundesligaspiel in Folge haben die Stuttgarter bewiesen, dass bis zum Schluss mit ihnen zu rechnen ist. Gegen den SC Freiburg (2:3) reichte es zwar nicht zu einem Punktgewinn, dafür gelang eine Woche später ein Auswärtssieg in Mainz (4:1). Auch gegen Leverkusen spielte die Mannschaft weiter nach vorne - in Durchgang zwei aber wesentlich effektiver, wie oben bereits beschrieben.
So vielversprechend einige Ansätze auch ausgesehen haben, so schwach war aber die Chancenkreierung. Die zwölf verzeichneten Torschüsse waren nur selten gefährlich, die besten Chancen entstanden ohnehin nach Standards. Im ersten Durchgang traf Mavropanos bei einem Eckball von Castro nur die Latte (29.), der Ausgleich fiel schließlich nach einer Freistoßflanke von Philipp Klement, die Kalajdzic per Kopf verwertete (76.).
Ein Tor-Festival ist nicht an jedem Wochenende zu erwarten, allerdings wird Matarazzo am Spiel im letzten Drittel arbeiten müssen. Es mangelte an Ideen, eine Abwehr im Kollektiv auseinanderzuziehen. Auf Dauer können Einzelaktionen nicht zum erhofften Erfolg führen.
3. Gute Leverkusener Defensivarbeit
Die Gäste überzeugten im ersten Durchgang allen voran dann, wenn sie den Ball verloren haben. Mehrere Akteure setzten den ballführenden Spieler des Gegners konsequent unter Druck, dieser konnte folglich weder aufdrehen noch das Spiel über einen Pass zu einem ballnahen Mitspieler schnell machen.
Leverkusen ging aggressiv zu Werke, suchte die Nähe zum Mann und überzeugte daher wie schon vor einer Woche gegen RB Leipzig (1:1) insbesondere im Spiel gegen den Ball. Das Gegenpressing funktioniert, weil die Spieler konsequent nachsetzen und sofort wissen, wer wohin läuft und welchen Raum zustellt.
Auch bei zweiten Bällen behielt die Werkself häufig die Oberhand. So konnte der Druck auf Stuttgart stets hochgehalten werden; insbesondere bei Standards. Das hohe Anlaufen der Stürmer sorgte zudem für Hektik im Aufbauspiel des VfB, dem häufig nur lange Bälle übrig blieben. Weil die meisten Angriffe relativ einfach zu verteidigen waren, lag daher auch lange der erste Sieg in der Luft - bis sich Karim Bellarabi ein unnötiges Foulspiel leistete und den Freistoß verschuldete, der zum Ausgleich führte.
4. Mangelnde Kreativität und Effizienz auf der anderen Seite
So gut Leverkusen defensiv auch steht, so harmlos ist die Mannschaft von Peter Bosz auf dem Weg nach vorne. In der abgelaufenen Spielzeit standen nach den ersten drei Spieltagen schon sechs Tore zu Buche, aktuell sind es nur zwei.
Ohne Kai Havertz und Kevin Volland mangelt es an Kreativität und Durchschlagskraft im letzten Drittel, wenn der Gegner tief steht und kompakt verteidigt. Mit Einzelaktionen vermochte Moussa Diaby auf der linken Außenbahn zwar Gefahr zu erzeugen, Flügelpartner Karim Bellarabi blieb allerdings insbesondere im ersten Durchgang blass. Ein weiterer Kreativspieler würde der Mannschaft guttun.
Andererseits wurde Leverkusen gefährlicher, als Stuttgart mehr Risiko eingegangen ist und infolgedessen mehr Räume geboten hat. Mehr als einmal bot sich die Gelegenheit, auf 2:0 zu stellen und den Sack zuzumachen - doch wie schon gegen Leipzig mangelte es an der nötigen Präzision im Abschluss.
Darüber hinaus war in einigen Szenen die Strafraumbesetzung auffällig: Sobald der Durchbruch über die Außenbahn gelang, fehlte es an Anspielstationen im Rückraum des Sechzehners. Wird diese Zone besetzt und mit einem Pass von der Grundlinie aus bespielt, ist die Chance auf einen Torerfolg groß. Auch hier wird Bosz ansetzen müssen.