Oberdorf-Transfer mit Symbolwirkung: Bayern-Frauen laufen Wolfsburg den Rang ab

  • Lena Oberdorf geht im Sommer wohl zu Bayern
  • Nächste Topspielerin verlässt Wolfsburg
  • VfL bald nur zweite Geige?
Lena Oberdorf bald im Bayern-Trikot: Ein Transfer mit Symbolwirkung
Lena Oberdorf bald im Bayern-Trikot: Ein Transfer mit Symbolwirkung / Simon Hofmann/GettyImages
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Lena Oberdorf geht wohl zum FC Bayern - ein Transfer mit Symbolwirkung. Der VfL Wolfsburg steht vor einem Umbruch. Schlüsselspielerinnen werden den Verein im Sommer verlassen. Die Zeichen verdichten sich, dass die Hegemonie der Wölfinnen im Frauenfußball bald passé ist.

Lena Oberdorf: Transfer mit Symbolwirkung

Lena Oberdorf wird sich nach übereinstimmenden Medienberichten im Sommer dem FC Bayern anschließen. Ein Transfer, dessen Symbolkraft gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Dessen ist sich ohne Zweifel auch der FC Bayern bewusst: Die wohl beste deutsche Jungspielerin - trotz der jüngsten Formschwächen - geht vom Dominator der letzten Dekade, vom Serien-Pokalsieger, vom letztjährigen Champions-League-Finalisten, zur Konkurrenz.

Zu eben der Konkurrenz, gegen die sie sich noch entschieden hatte, als sie mit 18 Jahren nach Wolfsburg wechselte. Nach vier Jahren folgt also nun der Transfer zu Bayern. Es ist ein großer Verdienst für die Münchnerinnen, dass das inzwischen kein Rückschritt in der Karriere mehr ist, sondern ein verständlicher Wechsel. Längst sind die Bayern nicht mehr die "new kids on the block", sondern auf dem besten Weg, Wolfsburg langfristig den Rang abzulaufen.

Unabhängig von den sportlichen Resultaten dieser Saison und davon, ob Wolfsburg das Double holt: Der Trend spricht für Bayern. Schon der Wechsel von Pernille Harder zu Bayern war ähnlich zu bewerten. Eine internationale Topspielerin, die der Bundesliga eigentlich den Rücken kehren wollte, kommt nach Deutschland zurück. Die Bayern können mit internationalen Topadressen wie Chelsea und Paris mithalten, die ebenfalls um Oberdorf geworben hatten. Das gilt sportlich wie finanziell - die Sportbild spricht von einem Jahresgehalt von 240.000 Euro, das Oberdorf an der Isar verdienen werde.

Der VfL hingegen muss sich Sorgen machen, dass im Sommer weitere Leistungsträgerinnen den Verein verlassen. Davon berichtet die Wolfsburger Allgemeine Zeitung. Unter anderem Abwehrchefin Dominique Janssen (Vertrag läuft aus) wird sich wohl eine neue Herausforderung suchen.

Wolfsburgs Transfers zuletzt mehr gutes Mittelmaß als Weltklasse

Während bei Bayern also Topstars wie Oberdorf, Harder und Eriksson kommen, lesen sich die letzten Wolfsburger Neuzugänge bescheidener. Das muss zunächst nicht schlecht sein, bei der Kaderzusammenstellung kommt es schließlich mehr auf das Ensemble an als auf die großen Namen. Aber auffällig ist es doch, dass Wolfsburg gerade international zuletzt wenig tätig war - oder wenig Erfolg hatte.

Das Beuteschema des VfL waren eher die Top-Spielerinnen der Bundesliga, die auf dem Radar des Nationalteams waren, aber noch nicht komplett etabliert: Chantal Hagel, Vivien Endemann oder zuletzt die Freiburgerin Janina Minge. Dazu einige Spielerinnen aus der niederländischen Liga.

Janina Minge
Freiburgs Janina Minge soll Lena Oberdorf beim VfL ersetzen / Boris Streubel/GettyImages

Reicht das? Die jüngsten Wolfsburger Transfers müssen nicht unbedingt eine Strategie sein, vielleicht sind sie schlicht der Realität geschuldet. Für die besten Spielerinnen der Bundesliga, die bei Mittelfeldklubs spielen, ist der VfL natürlich eine sehr attraktive Adresse: Gute finanzielle Möglichkeiten, professionelle Infrastruktur, Ambition und die Chance auf drei Titel (meistens).

Aber im internationalen Vergleich reicht das nicht mehr: Diese Aspekte bieten inzwischen alle Top-Klubs. Im Rennen um die besten Talente aus Skandinavien etwa hat Wolfsburg inzwischen oft das Nachsehen gegenüber den Vereinen der englischen Women's Super League.

Dazu kommt, dass nicht alle Transfers des VfL verständlich wirken. Eine weitere Mittelstürmerin wie Fenna Kalma hätte es angesichts der Offensivstärke mit Popp und Pajor vielleicht nicht unbedingt gebraucht. Andere, wie Riola Xhemaili oder Anneke Borbe, konnten sich nicht durchsetzen - was durchaus abzusehen war. Zu den Hochzeiten der Dominanz konnte sich Wolfsburg Fehler erlauben, jetzt nicht mehr. Inzwischen braucht der VfL eine kluge Transferpolitik, um überhaupt noch vorne mitzureden.

Den eigenen Untergang herbeigeredet?

Das gibt der Klub erstaunlich offen zu. Der sportliche Leiter, Ralf Kellermann, betont oft die geringeren finanziellen Möglichkeiten im Vergleich zur Konkurrenz. Sein Verein muss sich wohl bald mit einer neuen Rolle abfinden: Vielleicht nicht mehr die Nummer 1 in Deutschland, nicht mehr im Champions-League-Finale, sondern als talentiertes Team, das die Großen ärgern kann.

Diese Rollenänderung wird zu einigen Konflikten führen: Die Diskrepanz zwischen historischen Erfolgen, Selbstwahrnehmung und Ambition auf der einen Seite und der Realität auf der anderen Seite wird nicht leicht zu schlucken sein - für den Verein und die erfolgsverwöhnten Fans.

Andererseits mutet es schon fast bizarr an, wie oft Wolfsburg selbst den künftigen Underdog-Status öffentlich betont. Tut man sich damit wirklich einen Gefallen? Die Gefahr besteht, dass Wolfsburgs Degradierung zur Nummer 2 in Deutschland - man muss es nicht gleich dramatisch als Untergang bezeichnen - eine selbsterfüllende Prophezeiung wird. Durch das Understatement nach außen wird das Image schlechter, als es hätte sein müssen, und das Zeichen für Spielerinnen und Konkurrenz ist, dass Wolfsburg sich längst damit abgefunden hat.

Ralf Kellermann
Ralf Kellermann versprüht aktuell wenig Optimismus / Selim Sudheimer/GettyImages

Dabei geht es dem Verein nicht so schlecht. Auch aktuell könnte Wolfsburg vielleicht noch mehr aus seinen Möglichkeiten machen. Jill Roord ging im letzten Sommer für 400.000 Euro, für Lena Oberdorf kassiert der Klub laut WAZ mindestens genauso viel. Genug finanzieller Spielraum eigentlich, um sich ebenfalls hochklassig zu verstärken, würde man meinen - auch wenn die Preise für Spielerinnen aktuell inflationär steigen.

Wolfsburg mit strukturellen Schwächen

Wolfsburgs Problem sind nicht nur die Finanzen, sondern auch das Image. Nach außen und auch von den Beteiligten wird Bayern eben als aufstrebend empfunden, Wolfsburg dagegen als Altmeister, dessen Zeit sich dem Ende zuneigt. Diese Wahrnehmung mag verzerrt sein oder nicht, aber sie beeinflusst in jedem Fall die Entscheidungen der Spielerinnen.

Bayern ist als Klub und als Marke zudem deutlich attraktiver als Wolfsburg. Trotz des Images als "Autoklub", der bei den Männern weit weniger bekannt ist als die Konkurrenz, konnte der VfL lange mithalten. Aufgrund der finanziellen Möglichkeiten, aber auch weil die Verantwortlichen glaubhaft versprechen konnten, dass in Wolfsburg etwas wächst, und aufgrund der klugen Transfers wie dem von Pajor oder damals von Harder.

Weil alle Vereine heute aufstrebend sind und noch größeren finanziellen Spielraum haben, zählt das inzwischen wenig. Die "soft power", das Image des Vereins, wird wichtiger. Da steht Wolfsburg schlecht da - aus dem Umfeld des Vereins ist zu hören, dass der Klub das Frauenteam vor allem als teures Marketing-Projekt betrachtet.

Das heißt nicht, dass in Wolfsburg keine gute Arbeit geleistet wird, aber die Außenwirkung ist eine ganz andere. Wolfsburg befindet sich in einer schwierigen Umbruch-Phase, die zum Teil selbst verschuldet ist und zum Teil unvermeidlich war. Um durch diese schwierigen Gewässer souverän zu navigieren, wird der Klub sich auf seine kluge Transferpolitik zurückbesinnen müssen - und sollte sich nicht scheuen, die Ablösesummen wieder zu investieren.