Neymar: Finale verloren, Image verbessert
Von Stefan Janssen

Aufgrund seiner Theatralik und gelegentlicher Arroganz hat Neymar einen sehr schlechten Ruf - und das auch nicht unverdient. Doch beim Finalturnier der Champions League zeigte sich der Brasilianer von seiner besten Seite und dürfte sein Image damit verbessert haben.
Neymar da Silva Santos Júnior ist ein begnadeter und unglaublich guter Fußballer. Mit seiner Technik sorgt er immer wieder für besondere Momente - ihn spielen zu sehen, ist nicht selten eine Augenweide. Zumindest die meiste Zeit, denn Neymar hat einen sehr schlechten Ruf. Und den hat er auch zurecht.
Der 28-Jährige steht neben fußballerischen Highlights eben auch für Theatralik und für Schauspieleinlagen. Bei Fouls rollt er sich gerne besonders oft ab, um die Härte zu verdeutlichen, zudem geht er generell schnell zu Boden und versucht, Freistöße oder Elfmeter herauszuholen. Außerdem fiel er schon häufiger durch Arroganz-Anfälle auf, zum Beispiel als er bei hoher Führung Gegenspieler mit unnötigen Dribblings lächerlich machen wollte.
Auch seine Ablösesumme von 222 Millionen Euro, die Paris St. Germain für ihn an den FC Barcelona zahlte, steht irgendwie stellvertretend für vieles, was im Fußball falsch läuft.
Neymar fällt in Lissabon hauptsächlich positiv auf
Doch dieses Finalturnier der Champions League war, rein auf das Spiel beschränkt, nicht nur Werbung für den gesamten Fußball, sondern auch für Neymar. Ob es an den fehlenden Zuschauern lag oder einfach an seiner Sehnsucht nach einem Titel in der Königsklasse mit PSG, der Brasilianer zeigte sich in diesen drei Spielen in Lissabon von einer ganz anderen und sehr positiven Seite.
Los ging es im Viertelfinale gegen Atalanta Bergamo, als Neymar in der Schlussphase beim Rückstand seine Mitspieler pushte und die Offensive entschlossen antrieb. Angriff um Angriff rollte unter der Regie von Neymar, der oft gefoult wurde, sich aber nicht groß beklagte, sondern einfach weiterspielte. Den Ausgleich bereitete er vor, den Siegtreffer leitete er ein.
Auch gegen RB Leipzig und den FC Bayern sah man Neymar nicht groß schauspielern oder lamentieren. Für ihn ging es nur um den Henkelpott und er beschränkte sich einzig auf seine großartigen Fähigkeiten, die man bei all dem drumherum schon mal vergisst: 63 Scorerpunkte hat der Angreifer in 60 Champions-League-Spielen vorzuweisen. Sein Assist für Ángel Di María zum 2:0 gegen Leipzig war extraklasse.
Dass die Bayern ihn bremsten und es am Ende nicht reichte, hat Neymar hart getroffen. Nach der Niederlage weinte er minutenlang hemmungslos, auch David Alabas Trost half nicht. Beim Abholen der Silbermedaille berührte er kurz den Pokal und zog dann niedergeschlagen davon. Es verdeutlichte noch einmal, wie sehr er die Champions League mit PSG gewinnen wollte. Dazu war er bereit, seine unansehnlichen Allüren fallen zu lassen und stattdessen für die Mannschaft zu kämpfen und zu arbeiten. "Ich bin stolz, denn Ney hatte immer noch ein Spiel mit einer unglaublichen Fähigkeit, er zeigte seine Mentalität", meinte auch Trainer Thomas Tuchel nach dem Spiel.
Tuchel hat sicher seinen Anteil an dieser Entwicklung Neymars, der in diesen paar Wochen in Lissabon sein Image definitiv aufpoliert hat. Bleibt nur zu hoffen, dass sich daran nichts ändert, sobald die Stadien wieder voll sind und der Alltag eingekehrt ist. Wenn Neymar diese Verbissenheit und diesen Willen, einen Champions-League-Titel nach Paris zu holen, weiter so auf sein Spiel übertragen kann, wird er bald ganz anders gesehen werden.