Nachspielzeit-Krimi im Emirates: Wolfsburgs Frauen gewinnen packendes UWCL-Halbfinale mit 3:2

Stina Blackstenius schoss das wichtige 1:0 für Arsenal
Stina Blackstenius schoss das wichtige 1:0 für Arsenal / Gaspafotos/MB Media/GettyImages
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Wolfsburgs Frauen haben an einem erinnerungswürdigen Abend das Champions-League-Halbfinale gegen Arsenal mit 3:2 gewonnen. In einem stürmischen Spiel schoss Stina Blackstenius Arsenal vor 60.063 Zuschauern im Emirates-Stadion früh in Führung, Jill Roord glich vor der Pause aus. Alexandra Popp drehte mit dem 2:1 die Partie, bevor Jen Beattie Arsenal in die hektische Verlängerung schoss. Als alle schon mit dem Elfmeterschießen rechneten, schoss Pauline Bremer Wolfsburg ins Glück und ins Finale.

Das Spiel in der Übersicht:

1:0 Stina Blackstenius (11.)
1:1 Jill Roord (41.)
1:2 Alexandra Popp (58.)
2:2 Jen Beattie (75.)
2:3 Pauline Bremer (119.)


Ausverkaufes Stadion, blauer Himmel, alles offen nach dem Hinspiel: Die Ausgangslage war prächtig im Emirates Stadion, als um 18:45 der Anpfiff für das Halbfinale der UWCL erklang. Nach dem 2:2 in Wolfsburg hatten beide Teams den Traum des Finales in Eindhoven vor Augen, und die Fans ein spannendes Halbfinale.

Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot setzte dafür auf Alexandra Popp, von ihrer Verletzung zurückgekehrt. Die Toptorjägerin der Wölfinnen nahm den Platz von Jule Brand, nun auf der Bank, ein. Arsenal-Coach Jonas Eidevall vertraute derselben Elf wie vor einer Woche - wegen der vielen Verletzungen seines Teams wenig überraschend.

Stürmische Anfangsphase: Doppel-VAR und 1:0

Von der ersten Minute an war der Heimvorteil der Gunners offensichtlich: "Arsenal, Arsenal" schallte es immer wieder durch das Stadion. Davon beirren ließ sich Wolfsburg aber nicht: Der erste Angriff gehörte dem VfL, und der sorgte direkt für helle Aufregung: Eine Flanke von Alexandra Popp segelte an den Arm von Lotte Wubben-Moy, die Unparteiische entschied mithilfe des VAR aber korrekterweise, keinen Elfmeter zu geben.

Nur wenige Minuten später wurde Wolfsburg kalt erwischt: Nach einem Ballverlust in der eigenen Hälfte ging es ganz schnell: Lia Wälti bewies Übersicht mit einem langen Ball, und Stina Blackstenius legte den Ball an der Nummer Eins des VfL, Merle Frohms vorbei.

"Freed from Desire", schallte es in der zwölften Minute durch das Stadion, und auch einer VAR-Überprüfung hielt der Treffer stand. Im Viertelfinale gegen Paris hatte Wolfsburg noch zweimal VAR-Glück gehabt, jetzt wendete sich das Blatt für die Wölfinnen.

Blackstenius ständig gefährlich - Wolfsburg zunächst zu harmlos

Blackstenius blieb auch danach ein ständiger Unruheherd für die VfL-Viererkette. Mit der schnellen Schwedin hatte Wolfsburg bereits im Hinspiel massive Probleme gehabt, und auch für das Rückspiel schien Tommy Stroots Elf gegen die langen Bälle hinter die Kette machtlos. Immer wieder spielte Arsenal auf Blackstenius oder ihre Sturmpartnerin Katie McCabe, Wolfsburg geriet ordentlich ins Schwimmen.

Die Reaktion des VfL blieb zunächst verhalten: Bis auf einen Schuss von Wilms kam in den ersten zwanzig Minuten wenig Gefährliches auf den Kasten von Manuela Zinsberger. Bis auf vereinzelte lange Bälle spielte sich das Geschehe weitestgehend in Arsenals Hälfte ab, aber wirklich Druck konnte Stroots Team nicht entwickeln. Schüsse aus der zweiten Reihe und Flanken waren die bevorzugten Mittel der Wolfsburgerinnen, brachten jedoch wenig Ertrag.

Roord ist zur Stelle - Mit dem Unentschieden in die Pause

Als es schon nach einem Rückstand in der Pause aussah, brachte ein Standard den Ausgleich: Nach Rauchs Hereingabe kam der Ball kam an die Strafraumkante und vom Fuß von Jill Roord ins Tor.

Ausgerechnet Roord, die auch schon im letztjährigen Viertelfinale gegen ihren Ex-Verein getroffen hatte und gegen Bayern im Pokal glänzte. Die Niederländerin bleibt aus dem Spiel oft blass, aber in den großen Spielen ist sie da. Damit ging es mit einem, aus Wolfsburgs Sicht eher glücklichen, Unentschieden in die Kabine.

Schock nach der Pause, Wolfsburg wacht auf und trifft

Nach einem eher schwachen Hinspiel und einer chancenarmen ersten Hälfte stand für Wolfsburg fest: Eine Steigerung musste her. Nur kurz nach dem Wiederanpfiff gab es für die Wölfinnen aber einen ordentlichen Schock: Stina Blackstenius traf zum vermeintlichen 2:1, das Tor wurde aber wegen Abseits aberkannt, da die Schwedin einen Tick zu früh losrannte. Immer wieder Blackstenius, immer wieder die Nummer 25, die Wolfsburg Probleme bereitete.

Danach kam aber Wolfsburg besser ins Spiel. Endlich aufgewacht! Zumindest hatte der VfL nun mehr Gelegenheiten, kam zu einigen Ecken und verlagerte das Geschehen vor das Tor der Gunners. Und eine Ecke brachte dann auch das 2:1, Alexandra Popp war mit dem Kopf zur Stelle. Spielverlauf auf den Kopf gestellt, Spiel gedreht.

Popp die überragende Spielerin auf Wolfsburger Seite

"'Poppi' ist als Leader ein absolut wichtiger Faktor vor so einer Kulisse. Wir werden als Gruppe davon profitieren, wenn sie spielt", hatte Tommy Stroot vor dem Spiel noch gesagt. Nun stellte die 32-Jährige, aktuell Führende in der Bundesliga-Torschützenliste, das erneut unter Beweis.

Popps Tor passte ins Bild: Sie hatte die erste Wolfsburger Chance eingeleitet, das erste Tor vorgelegt, und nun das so wichtige 2:1 geschossen - ihr 150. Tor für den Verein. Sie warf sich in sämtliche Zweikämpfe, rieb sich auf, ging voran, grätschte die Bälle ab und diskutierte hitzig. Sie war vorne und hinten, links und rechts, mit der Kapitänsbinde am Arm und schier unerschöpflicher Kraft in den Beinen.

Die Leistung der Wolfsburger Kapitänin verleitete zu Gedankenspielen: Was wäre, wenn? Was wäre, wenn Popp nicht fit gewesen wäre, wie wäre das Spiel gelaufen? Aus dem VfL-Ensemble sticht kaum eine Spielerin heraus, doch an diesem Abend war Popp unter den Wolfsburgerinnen die überragende Figur auf dem Platz.

Wolfsburg verpasst 3:1 - und wird prompt bestraft

Das Momentum, es war nun auf der Wolfsburger Seite. Über rechts konnten die Wölfinnen immer wieder in den Strafraum eindringen, ein Schuss von Svenja Huth in der 69. Minute strich nur knapp am Tor vorbei. Arsenal taumelte nach dem 1:2 sichtlich, Popps Tor war Wirkungstreffer und Nackenschlag zugleich.

Aber noch war die Messe nicht gelesen, und die alte Fußballweisheit bewährte sich erneut: Wer sie vorne nicht macht, fängt sich hinten die Tore. Jen Beattie, Arsenal-Urgestein und Innenverteidigerin, köpfte ihr Team per Kopf zum 2:2. Die frühere Nummer Neun hat ihren Torinstinkt auch als Defensivspielerin nicht verloren und sorgte bereits zum dritten Mal für Jubel im Emirates-Stadion. Anders als kurz nach der Pause erkannte der VAR das Tor an.

Kurz danach wurde der Ausgleich jedoch von einer Verletzung überschattet: Laura Wienroither, Arsenals österreichische Rechtsverteidigerin, musste nach einer Knieverletzung vom Feld getragen werden. Falls sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten, wäre es bereits der vierte (!) Kreuzbandriss der Gunners in dieser Saison - eine unglaubliche Unglückssträhne.

Eine Schlussphase wie ein Spiegelbild von 180 Minuten

Beatties Tor leitete eine hitzige Schlussphase ein. Das stimmkräftige Publikum lief zu Höchstform auf, jeder Ballkontakt der Gunners wurde frenetisch gefeiert. Mit frischen Beinen auf beiden Seiten ging es in die üppige Nachspielzeit: VAR-Checks und Verletzungen sorgten für sieben Extraminuten.

Taktieren oder attackieren, abwarten oder heranstürmen? Die Devise war klar: Beide Teams wollten das Spiel in den letzten Minuten entscheiden und sich die kraftzehrende Verlängerung sparen. Hektisch ging es hin und her, die Nachspielzeit wie ein Spiegelbild des gesamten Duells über 180 Minuten.

Arsenal v VfL Wolfsburg: Semifinal 2nd Leg - UEFA Women's Champions League
4:4 nach 120 Minuten - ein Halbfinale, das so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird / Richard Heathcote/GettyImages

2:2 und 2:2, zwei Resultate, die zwei Teams auf Augenhöhe zeigen, zwei Teams, die sich gegenseitig nichts schenken und viel riskieren. Es gab Fehler in diesen 180 Minuten, es gab miserable Pässe und Ballverluste, aber vor allem gab es Tore und Chancen, Jubel und Enttäuschung, höchste Emotionen, Steilpässe und Kopfballtore. Aber einen Sieger gab es nicht nach diesen intensiven 180 Minuten, und so ging es, die Nerven auf beiden Seiten zum Zerreißen gespannt, in die Verlängerung.

Verlängerung: Hin und her, alles oder nichts für beide Seiten

Ähnlich ging es auch in der Verlängerung weiter: Hin und her, dem Finaleinzug oder dem Ausscheiden so nah. Immer wieder stürmte Sveindis Jonsdottir über links nach vorne, immer wieder sorgte Steph Catley für Arsenal auf der Gegenseite für Gefahr. Mittelfeld? Ein no man's Land, das so schnell wie möglich überquert werden wollte.

Der Lucky Punch lag in der Luft, und beide Teams waren fest entschlossen, ihn zu beanspruchen. Mit offenem Visier ging es in den gegnerischen Strafraum. Mehr als einmal erhoben sich die Arsenal-Fans euphorisch von ihren roten Sitzen und hatten den Siegesschrei schon auf den Lippen, mehr als einmal schlug der kleine Wolfsburg-Block kollektiv die Hände vor dem Gesicht zusammen.

Katie McCabe
An hitzigen Duellen mangelte es im Emirates nicht / Clive Rose/GettyImages

Einmal durften die Gooners den Jubelsschrei auch ausstoßen, schon zum vierten Mal an diesem für beide Seiten nerventötenden Nachmittag. Aber zum zweiten Mal wurde ihnen das Tor verweigert, Schuld war ein Foulspiel an Wilms im Strafraum. Mit der Nervosität litt nun auch die Qualität des Spiels, statt flüssigen Kombinationen sahen die Zuschauer nun vor allem lange Pässe und den ein oder anderen Flüchtigkeitsfehler.

Minute um Minute verstrich, und das 2:2 auf der gigantischen Anzeigetafel blieb stehen. Mit jeder Sekunde das Elfmeterschießen, diese oft willkürlich wirkende Entscheidung, von beiden Teams offensichtlich verhasst, näher. Arsenal drückte nochmal, traf die Latte, stürmte nach vorne.

Last-Minute-Party: Bremer schießt Wolfsburg ins Glück

Dann noch ein Konter, noch ein Vorstoß. Hauptakteurin: Jule Brand, von Tommy Stroot lange auf der Bank gelassen. Bis zur 101. Minute musste die hochtalentierte 20-Jährige warten, dann kam ihr Moment. Die 29. Minute der Nachspielzeit, ein Ball nach vorne, Brand läuft an, noch einmal, gewinnt den Ball. Ein Blick nach rechts, ein Pass, die Abwehr Arsenals ist geschlagen.

Brand spielt auf Pauline Bremer, die hat nur noch zwei Meter und das leere Tor vor sich. Und sie macht ihn rein: Bremer, die diese Saison eigentlich nur eine Randfigur bei den Wolfsburger Siegen war, oft spät eingewechselt wurde. Bremer, die Wolfsburg am Ende der Saison verlassen wird. Sie wird nun zur Wolfsburger Heldin.

Ein Tor, das zeigt, woran es Arsenal gefehlt hat. Nuancen sind es, die dieses Halbfinale entscheiden. Aber die große Geschichte hinter alldem sind die vielen Verletzungen, von Mead über Miedema zu Williamson, die Kreuzbandrisse und Ausfälle.

Und auf Wolfsburgs Seite dieser unglaublich luxoriöse Kader, mit Spielerinnen, die nur dritte Wahl sind und bei anderen Teams in der Startelf wären. Mit diesem Kader kann eine Spielerin wie Pauline Bremer in der 90. Minute eingewechselt werden, eine Spielerin wie Jule Brand in der 101. Minute kommen und das Spiel entscheiden. Und der Traum vom Finalsieg in Eindhoben lebt.