König der Verlängerungen: Deshalb ist Mislintat ein Segen für den VfB Stuttgart

Wenn  Mislintat am Telefon ist, hat das meist gute Folgen für den VfB Stuttgart
Wenn Mislintat am Telefon ist, hat das meist gute Folgen für den VfB Stuttgart / DeFodi Images/Getty Images
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"Michael Reschke verlässt mit sofortiger Wirkung Schalke 04." - Bei dieser Meldung huschte dem ein oder anderen VfB-Fan vor wenigen Tagen wohl ein kurzes Lächeln über das Gesicht. Mit diesem Mann haben die Schwaben nicht gerade gute Erfahrungen gemacht. Ihm geben sie im Ländle aufgrund vieler fragwürdiger Entscheidungen die Mitschuld am Abstieg 2019. Inzwischen lässt es sich aber wieder lachen in der württembergischen Metropole. Mit Sven Mislintat hat der VfB einen Sportdirektor, der alles im Griff zu haben scheint. Was sind die Stellschrauben, an denen der Blondschopf gedreht hat? Was ist seine Philosophie? Die Chronologie einer bisherigen Traum-Ehe.

Pierre-Emerick Aubameyang, Shinji Kagawa oder auch Ousmane Dembele: All diese ehemaligen BVB-Stars schreiben die Westfalen heute noch auf das Konto von Sven Mislintat. Als Chefscout bei den Schwarz-Gelben war er der Entdecker dieser damals ungeschliffenen Rohdiamanten. 2017 folgte für den heute 48-Jährigen der Schritt nach London zum FC Arsenal, zwei Jahre später ging es zurück nach Deutschland zum VfB Stuttgart.

Einleitung des Neustarts beim VfB Stuttgart

Als Mislintat beim VfB den Vertrag unterschrieb, befanden sich die Schwaben im absoluten Abstiegskampf. Am Ende dessen stieg der VfB in der Relegation gegen Union Berlin ab. Mislintat stand erst einmal vor einem Scherbenhaufen. Eine unfähige Mannschaft mit großen Namen, aber keinerlei Leistung, ein schlecht wirtschaftendes Präsidium, große Finanzkürzungen und Streit zwischen Fans und Mannschaft: Mislintat wurde in den schwersten Stunden der jüngeren VfB-Geschichte Sportdirektor.

Im Sommer 2019 mussten die Trümmer, welche Reschke und Ex-Präsident Wolfgang Dietrich hinterlassen hatten, aufgeräumt werden. An seiner Seite befand sich VfB-Legende Thomas Hitzlsperger - seitdem sind die beiden ein echtes Dream-Team.

Als Vorstandsvorsitzender leitet Hitzelsperger seit Herbst 2019 die Geschicke im Schwabenland
Als Vorstandsvorsitzender leitet Hitzelsperger seit Herbst 2019 die Geschicke im Schwabenland / Matthias Hangst/Getty Images

Beide setzten nicht auf große Parolen, sondern auf Bescheidenheit und Transparenz. Mislintat kümmert sich in erster Linie um das Eintüten von Transfers und Verlängerungen, während Hitzlsperger die Kontrolle über den Verein als solchen hat. Auch Neu-Präsident Claus Vogt drängte sich zu keiner Zeit in den Mittelpunkt, sondern lässt seine beiden VfB-Macher in Ruhe arbeiten.

Mislintat kaufte groß ein

Trotz der finanziellen Einbußen durch den Abstieg kaufte Mislintat viel ein, ABER er kauft nicht nach großen Namen, sondern mit Sinn und Verstand. Durch Verkäufe von Ascacibar, Pavard oder auch Ozan Kabak nahmen die Landeshauptstädter über 75 Millionen Euro ein. Ausgegeben wurden allerdings nur knapp über 20 Millionen Euro.

Mislintat setzt nicht auf gestandene Spieler, sondern auf entwicklungsfähige Talente. Silas Wamangituka, Mateo Klimowicz oder auch Tanguy Coulibaly sind inzwischen nicht mehr aus der Stuttgarter Mannschaft wegzudenken. Sein wohl größter Coup aber war es, Aufstiegsheld und Nationalspieler Nicolas Gonzalez von einem Verbleib beim VfB zu überzeugen. Dieser wollte nämlich bereits im Sommer 2019 unbedingt raus aus Deutschland und zurück in die Heimat.

Trotz so mancher Widrigkeiten in der Aufstiegssaison bleibt der Mann aus Kamen seinem Stil treu. Junge, talentierte Spieler für kleines Geld holen und sie dann sukzessive aufbauen in Zusammenarbeit mit Trainer Matarazzo. Am Ende der Saison 2019/2020 stand der Aufstieg und in Stuttgart zitterte man um seine Top-Stars. Trotz einer Vielzahl an Angeboten blieben Orel Mangala, Borna Sosa und sogar Nico Gonzalez aber in Stuttgart. Die beiden zuletzt genannten Spieler verlängerten sogar jüngst ihre Verträge.

Außenverteidiger Sosa wurde im Sommer von der AS Rom umworben
Außenverteidiger Sosa wurde im Sommer von der AS Rom umworben / THOMAS KIENZLE/Getty Images

Der Verdienst von Sven Mislintat

In Stuttgart scheint etwas zu entstehen. Auch wenn die Ergebnisse nicht immer der gezeigten Leistung entsprechen. Der Fußball, den die Schwaben momentan zeigen, ist einwandfrei. Leider belohnen sich die Männer mit dem Brustring zu selten dafür.

Auch mit Mittelfeldmotor Wataru Endo verlängerte der Fuchs Mislintat. Der Japaner ist der Spieler mit den meisten gewonnen Zweikämpfen der Liga und räumt alles ab in Stuttgart. Mit ihm zu verlängern war ein absoluter Coup.

Mislintat klopft keine großen Sprüche, sondern lässt vieles im Hintergrund laufen. Vor allem bei Transfers bewahrt der Ex-Dortmunder absolute Diskretion, häufig gibt es nahezu null Gerüchte im Vorlauf des Transfers und plötzlich wird ein Top-Mann aus dem Hut gezaubert.

Ein eingespieltes Team auf der VfB-Bank
Ein eingespieltes Team auf der VfB-Bank / DeFodi Images/Getty Images

Mit viel Weitsicht wurde ein breiter schlagfertiger Kader erstellt. Die Mischung macht es! Im Sommer 2020 wurden dann Pascal Stenzel, Gregor Kobel und Wataru Endo nach ihren Leihen fest verpflichtet.

Alle drei sind jetzt schon deutlich mehr wert als das, was sie bei ihrer Ankunft gekostet haben. Endo hat seinen Wert im Vergleich zu den Kosten sogar verdreifacht. In Stuttgart wissen die Verantwortlichen, dass durch die Corona-Pandemie Geld in den Kassen fehlt und man zu Verkäufen gezwungen sein wird - aber auch da können sich die schwäbischen Sympathisanten sicher sein: Mislintat wird da schon eine Idee haben.

Jetzt fehlt nur noch die Verlängerung seines eigenen Kontrakts, da lässt er sich momentan noch Zeit...