Kommt am Mittwoch das Ende für den Bundesliga-Neu-Start? Aus dem Tagebuch eines trockenen Fußball-Fans | 3.5.2020

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Das vorweg: Ich bin schon seit langem infiziert. Ne, ne, nicht mit dem Coronavirus. Das ist bislang, so hoffe ich doch, an mir vorbeigegangen. Jedenfalls habe ich keines der klassischen Symptome. Nein, es geht um einen Virus im ideellen Sinne. Es ist die Fußball-Begeisterung, die mich schon vor Jahrzehnten gepackt hat und mich auch nicht in dieser zwangsverordneten Pause loslässt. Im Grunde genommen fühle ich mich gerade, wie sich wohl auch ein Drogensüchtiger fühlen muss, wenn er auf kalten Entzug gesetzt wird. Ein Erlebnis-Bericht.

03. Mai 2020

In diesen Tagen habe ich mich des öfteren gefragt, ob man zur Zeit Wetten auf einen Neu-Start der heimischen Bundesliga (und der 2. Liga) platzieren kann. Bei englischen Buchmachern kann man ja eigentlich auf alles wetten, was auch nur entfernt mit Fußball zu tun hat. Falls dem auch bezüglich der Corona-Problematik so sein sollte, würde mich fernerhin die Quote sehr interessieren. Denn mittlerweile glaube ich, dass man - bei entsprechendem Einsatz - beinahe reich damit werden kann, einen Re-Start der Ligen vorherzusagen.

Oder anders formuliert: es sieht momentan ganz schlecht aus. Zumindest aus Sicht eines Fans, der einfach nur wieder Fußball sehen will. Denn an diesem Wochenende sind zwei Worst-Case-Szenarien wahr geworden. Zum einen hat sich zum ersten Mal recht deutlich ein direkt Betroffener zu Wort gemeldet - und seine Ängste hinsichtlich der Handhabung der pandemischen Vorschriften von Seiten der DFL (und somit aller Vereine) verbalisiert. Zum anderen scheint es Widersprüche zwischen dem Infektionsschutz-Management der DFL und den Forderungen der Politik zu geben.

Spieler mit Angst - und Maulkorb!

Als ich das Statement des Kölner Profis Birger Verstraete an diesem Wochenende zur Kenntnis nahm, dachte ich mir gleich: jetzt dürften einige Verantwortliche in Panik verfallen. Denn bisher wurde es einfach stillschweigend als gegeben angesehen, dass die Spieler sich den Weisungen ihrer Klubs beugen und alles mitmachen würden, was von ihnen gefordert wird. Schwierig wird dies aber in dem Moment, wo Grundrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit) beschnitten werden. Auch der Verweis auf die sonstigen Verletzungen, die sich ein Profi-Fußballer zuziehen kann, kann hier nicht greifen. Denn eine Sache sind die dem Sport immanenten Blessuren (Stichwort: Berufsrisiko), eine komplett andere ist die Corona-Pandemie. Denn die hat mit Fußball erstmal wenig bis gar nichts zu tun.

Und dass nach der Identifizierung von drei Positiv-Fällen beim 1. FC Köln tatsächlich nur die betroffenen Spieler in Quarantäne gestellt werden, und nicht die gesamte Mannschaft, steht in Widerspruch zu den Forderungen der Politik, die zuletzt von Innenminister Horst Seehofer nochmals ausdrücklich bekräftigt worden sind. Unter diesem Lichte betrachtet war es sicherlich auch nicht zielführend, den Spieler von Vereinsseite umgehend mit einem Maulkorb zu versehen. Nichts anderes steckt nämlich hinter dem Zurückrudern Verstraetes einen Tag nach seinen Erstaussagen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt...

Man kann es drehen und wenden, wie man will: es wäre mittlerweile eine faustdicke Überraschung, wenn die Regierung, in Absprache mit den Sportministern der Länder, am Mittwoch das Konzept der DFL durchwinkt. Das kann sie eigentlich nur, wenn sie bei der Quarantäne-Problematik nicht nachhakt. Das wiederum würde ihr den - gerechtfertigten - Vorwurf einhandeln, entweder a) mit zweierlei Maß zu messen oder sogar b) einfach beiseite zu schauen und - nach dem Motto "Augen zu und durch" - sich der Fahrlässigkeit schuldig zu machen. Bei einem solch heiklen Thema käme das wiederum einem politischen Selbstmord gleich.

Praxis der Klubs in puncto Infektionsschutz konträr zu den Forderungen der Politik

Für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs sprechen zwar auch ein paar Zahlen. So scheint es bei den meisten Vereinen momentan keine Positiv-Fälle zu geben. Heißt: Gruppen von Nicht-Infizierten treffen in einem sportlichen Wettkampf aufeinander. Das Infektionsrisiko dürfte demnach, aus meiner laienhaften Sicht, wohl eher gering sein. Aber gering heißt eben nicht inexistent. Und dass bei nur einem einzigen Fall eines positiv getesteten Spielers das ganze System in sich zusammenbrechen würde, ist irgendwie auch klar. Streng genommen müssten dann nämlich auch die Spieler der gegnerischen Mannschaft, gegen die der positiv Identifizierte zuletzt gespielt hat, in Kollektivquarantäne.

Die Spiele der Mannschaften mit betroffenen Spielern müssten dann zwei Wochen ruhen - und der gesamte, ja ohnehin schon eng getaktete Spielplan wäre über den Haufen geworfen. Wenn dann noch das Schreckensszenario von zukünftigen Herzproblemen an die Wand gemalt wird, ist das Paket eigentlich geschnürt. Denn koronäre Folgeerscheinungen durch sportliche Belastung während einer Corona-Infektion sollen den Experten zufolge auch durchaus Spieler im durchschnittlichen Profi-Fußballeralter ereilen können. Und all diese Daten und Erkenntnisse werden am Mittwoch natürlich zur Sprache gebracht werden. Um mal einen zuletzt häufig zitierten Satz zu bemühen: in der Haut der Entscheidungsträger möchte ich am Mittwoch nicht stecken.

Die Hoffnung, so sagt man ja, stirbt zuletzt. Doch wirklich an einen Neu-Start glauben kann ich nach diesem Wochenende nicht mehr. Doch die Diskussionen würden natürlich auch im Falle eines Saison-Abbruchs nicht abreißen. Denn dann stünde der Fußball vor der schwierigen Aufgabe, zu entscheiden, wer auf- und absteigt. Welche Kriterien werden dann angeführt? Momentan sehen wir es ja in unseren westlichen Nachbarländern Holland und Frankreich. Beide Ligen haben die Saison vorzeitig abgebrochen - und sehen sich nun mit einer zu erwartenden Klageflut der durch den Beschluss benachteiligten Klubs konfrontiert.