Kimmich erinnert sich an den CL-Sieg 2020: "Jetzt kann uns niemand mehr aufhalten"

Kimmich mit dem Henkelpott
Kimmich mit dem Henkelpott / Pool/GettyImages
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Joshua Kimmich hat über sein größtes Karriere-Highlight gesprochen: den Gewinn der Champions League. Der Bayern-Star erklärte dabei, welche Mentalität den deutschen Rekordmeister besonders auszeichnet.


Joshua Kimmich hat mit unserer Partner-Seite The Players' Tribune gesprochen. Und sich seine Gedanken von der Seele geredet:

"Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich in meiner bisherigen Karriere nicht viele schwere Enttäuschungen hinnehmen musste. Mit der deutschen Nationalmannschaft sind wir zuletzt zwar in mehreren Turnieren hinter den Erwartungen zurückgeblieben, doch ich hoffe sehr, dass sich dies nun ändern wird. Auf Vereinsebene konnte ich hingegen mehrere positive Erfahrungen in K.o.-Runden sammeln", so Kimmich und weiter:

"Da ich über den Tiefpunkt meiner Karriere als Fußballer gesprochen habe (das WM-Debakel 2018), muss ich auch auf mein absolutes Highlight eingehen. Der Gewinn der Champions League war schon seit Ewigkeiten einer meiner größten Träume. Als Kind sehnt man sich danach, ähnlich wie nach dem WM-Titel."

Kimmich: Titel sind keine Selbstverständlichkeit

"Ich kenne viele Menschen, für die es völlig normal ist, dass der FC Bayern München jedes Jahr neue Trophäen gewinnt. Gewohnheit und so."

"Als ich mit 19 beim FC Bayern unterschrieb, konnte ich nur hoffen, erfolgreich zu sein. Ich habe von Titeln geträumt, aber ich war noch immer ein Junge aus einem kleinen Ort namens Bösingen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, wie gut meine Karriere verläuft. Doch selbst wenn wir alles gewinnen - das Triple, sechs Titel in einem Jahr, zehn Meisterschaften in Folge - sehen das manche als Selbstverständlichkeit an, nur weil wir der FC Bayern sind. Doch das ist nicht normal. Vor allem nicht die Ereignisse im Jahr 2020. Das war herausragend, absolut einmalig."

"Die Saison 2020 war verrückt, so ohne Fans. Es klingt vielleicht komisch, aber es war auch sehr speziell. Ich habe es als neue Herausforderung betrachtet. Natürlich willst du als Spieler das Publikum hören und spüren. Du willst die Emotionen und Energie mitnehmen. Doch es gab auch in jener Zeit besondere Momente: Wir konnten uns gegenseitig auf dem Spielfeld hören, besser untereinander kommunizieren und wir waren mehr bei uns."

"Richtig gut hat mir auch das Finalturnier der Champions League in Portugal gefallen. Es fühlte sich ein bisschen an wie eine Reise mit der Nationalmannschaft. Die Duelle wurden in einer Partie entschieden, anstatt in Hin- und Rückspiel. Alles oder nichts. Jede Begegnung war wie ein Finale. Das hat zu unserer Mannschaft gepasst, wir konnten so unsere größte Stärke ausspielen: diese spezielle Mentalität und dieses einmalige Zusammengehörigkeitsgefühl."

"Wenn man wirklich verstehen will, worum es bei Bayern München geht, warum der Klub so viele Trophäen gesammelt hat und jedes Jahr wieder von Neuem bis in die Haarspitzen motiviert ist, kann ich diese Mentalität in einem einzigen Satz zusammenfassen. Er mag simpel klingen, aber ehrlich gesagt ist es die wichtigste Lektion, die ich seit meiner Ankunft in München vor sieben Jahren gelernt habe:"

"Im Fußball gibt es nur zwei Spiele, die wirklich wichtig sind: das letzte und das nächste."

Joshua Kimmich

"Es spielt keine Rolle, was du sonst noch gemacht hast. Du bist immer nur so gut, wie dein letztes Ergebnis. Es bringt dich nicht weiter, wenn du rumsitzt, dir deine Pokale anschaust und dich im Glanz deiner Erfolge sonnst. Der Ball rollt weiter. Erfolg ist vergänglich. Es gibt immer eine neue Herausforderung, einen neuen Champion."

"Bayern hat genau das verinnerlicht. Wir haben viele großartige Spieler in unseren Reihen, die wirklich alles gewonnen haben - Meisterschaften, die Champions League, den WM-Titel. Aber sie kommen trotzdem jeden Tag zum Training, stellen sich dem Druck und arbeiten hart, um sich zu verbessern. Um sich wirklich zu verbessern - sowohl als Spieler als auch als Mannschaft. Denn wir wollen die nächste Partie unbedingt gewinnen."

"Diese Einstellung ist für uns selbstverständlich. Sie ist mir derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich im Training nicht zurückziehen und mich entspannen kann. Selbst, wenn ich wollte - es geht nicht. Irgendwas in mir lässt mich immer mindestens 100 Prozent geben!"

Wir haben diesen Spirit in die Champions League 2020 mitgenommen. 

Kimmich über CL-Viertelfinale gegen Barça: "Was geht denn hier ab???"

"Unser erstes Spiel im Finalturnier - das berühmte Viertelfinale gegen Barcelona - war der helle Wahnsinn. Zur Pause sind wir mit einer 4:1-Führung im Rücken in die Katakomben gegangen. Wir haben uns nur angeschaut und gedacht: 'Das ist verrückt. Was geht denn hier ab???' Wir konnten es selbst nicht fassen. Dann sind wir wieder raus auf den Platz und haben in den zweiten 45 Minuten vier weitere Treffer nachgelegt. Irre!"

"Niemand hätte mit so einem Ergebnis gerechnet. Ich weiß noch, wie ich nach der Partie dachte: 'Okay, das war’s. Jetzt kann uns niemand mehr aufhalten.' Die Mentalität des gesamten Teams, dieses unglaubliche Vertrauen in uns selbst und in unsere Mitspieler - ich wusste, dass wir das Ding nach Hause holen würden."

"Im Finale ging es gegen Paris. PSG war richtig gut, hat kaum Fehler gemacht und zahlreiche gute Chancen herausgespielt. Vielleicht hätte Choupo-Moting treffen müssen - heute können wir im Training mit ihm darüber lachen. Aber unser Teamgeist hat uns nach der Führung über die Zeit gebracht."

Kimmich erzählt von seiner Vorlage zum Siegtor

"Ich kann mich noch genau an meine Hereingabe zu Kingsley erinnern. Ich wollte den Ball zum zweiten Pfosten schlagen, weil ich wusste, dass er und Lewy dort lauerten. Für Lewy war die Kugel zu lang, aber King nickte sie mit geschlossenen Augen über die Linie!"

"Ich muss gestehen, dass ich gar nicht richtig jubeln konnte, als der Ball im Netz zappelte - ich wollte den Fokus nicht verlieren. Unser Trainer für Standards bei der deutschen Nationalmannschaft bläut uns immer wieder ein, dass die zwei Minuten nach einem Torerfolg entscheidend sind, da in dieser Phase ein erhöhtes Risiko für Gegentreffer besteht. Wenn du dich nach einem Tor zu übermäßigem Jubel hinreißen lässt, kannst du dein hohes Konzentrationslevel einbüßen. In jenem Moment klangen seine Worte deutlich in meinem Ohr."

"Als der Schiedsrichter die Partie endlich abpfiff, war ich überrascht. Ich war noch immer voll angespannt und realisierte erst gar nicht, dass es vorbei war. Ich merkte nur, wie alle um mich herum losrannten - und ich stand mittendrin wie paralysiert. Thomas Müller muss gemerkt haben, dass ich es noch immer nicht geschnallt hatte. Er kam zu mir, packte meinen Kopf und schrie dann: 'Wir haben' geschafft! Wir haben's geschafft!'"

Der Moment des Triumphs mit Serge Gnabry

"Dann begab ich mich auf die Suche nach Serge Gnabry. Wir kennen uns, seit wir zwölf Jahre alt sind und gemeinsam beim VfB Stuttgart im Nachwuchs gekickt haben. Wir lagen auf dem Rasen des leeren Stadions in Lissabon, genossen den Augenblick und schauten in den Abendhimmel. Dieser Moment war nur für uns. Die Jungs aus Bösingen und Weissach lagen einfach da und sinnierten darüber, wie sie über genau diesen Augenblick vor 13 Jahren in Stuttgart geredet hatten. Wie sie diesen Traum über all die Jahre weiterverfolgt hatten. Wie er für beide Stück für Stück näher kam und schließlich wahr wurde - im gleichen Trikot, am selben Abend. Es war unglaublich."

Serge Gnabry, Joshua Kimmich
Gnabry (l.) & Kimmich genießen den Moment / Pool/GettyImages

"Als Manu den Henkelpott in die Höhe stemmte, wollte ich alles in meinem Kopf festhalten. Ich wollte ein Bild vor meinem geistigen Auge machen und es nie wieder loslassen. Denn bald würde dieser Moment nur noch ein Ausschnitt der Geschichte sein."


Hier geht es zum kompletten Gespräch mit Joshua Kimmich


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