Heldt zieht Gisdol-Schlussstrich: Die Mär der verspielten Überzeugung

Horst Heldt und Markus Gisdol gehen nun doch getrennte Wege
Horst Heldt und Markus Gisdol gehen nun doch getrennte Wege / Pool/Getty Images
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Nach dem 28. Spieltag und somit nur noch wenige Wochen vor dem Ende der laufenden Saison, zieht der 1. FC Köln die Notbremse und stellt Markus Gisdol frei. Ausschlaggebend: Die 2:3-Niederlage gegen Mainz 05. Mal wieder stellt sich die Frage: Wie kann ein einziges Spiel und dessen Ergebnis das grundsätzliche Vertrauen in einen Trainer entweder (nahezu) unwiderruflich machen, oder es völlig zerstören?


"Unser Ziel ist es, den FC in der Bundesliga zu etablieren", erklärte Horst Heldt im Sommer 2020 und fügte hinzu: "Entscheidende Voraussetzung dafür ist ein Team, das kompetent und vertrauensvoll zusammenarbeitet und hinter unserem Weg steht. Genau das gilt für Markus, er ist ein wichtiger Teil davon."

Eine kraftvolle Aussage, getätigt anlässlich der vorzeitigen Vertragsverlängerung, die der 1. FC Köln und damit der Sport-Geschäftsführer dem Trainer Markus Gisdol möglich gemacht hatten. Nun, rund ein dreiviertel Jahr später, ist er freigestellt worden. Jetzt geht es aber nicht darum, diese Aussage der aktuellen Entscheidung gegenüberzustellen. Das wäre weder fair, noch sinnvoll. Viel eher ist dieses Lob, ausgesprochen im August, ein guter Zeitpunkt für den Anfang der Probleme beim Effzeh.

Im Laufe dieser Saison hat sich Gisdol mehrmals noch eben so vor einer Freistellung gerettet. Das prominenteste Beispiel dürfte wohl der 2:1-Sieg gegen den BVB Ende November gewesen sein. Zu einer Zeit, in der er kurz vor einem Aus stand und sein Team eine sehr lange Zeit nicht gewinnen konnte. Es folgte ein Remis gegen den VfL Wolfsburg und ein 1:0-Sieg gegen Mainz 05. Das Vertrauen in ihn war wiederhergestellt.

Mainz-Partie dreht die Heldt'sche Meinung zu Gisdol offenbar völlig auf den Kopf

Genau zu diesem Zeitpunkt in der Rückrunde, nämlich nach der 2:3-Niederlage gegen Mainz, ist dieses Vertrauen endgültig erloschen. Wäre das Spiel nicht verloren, sondern gewonnen worden, stünde Köln nun punktgleich mit Arminia Bielefeld und Hertha BSC auf dem Relegationsplatz, die Nullfünfer wären noch einen Zähler dahinter. Nun hat man auf den 16. Platz bereits drei Punkte Rückstand.

Es war klar, wie bedeutsam diese Partie werden würde. Nicht nur aufgrund der Chance, sich erst einmal ein klein wenig Luft im Abstiegskampf zu verschaffen und die Möglichkeit auf den Klassenerhalt in der eigenen Hand zu behalten. Sondern auch, weil Mainz einer der wenigen zurzeit schlagbaren Gegner sein kann.

Jonas Hector
Die Kölner Gesichter brachten zum Ausdruck, welche Bedeutung das Mainz-Spiel hatte / Pool/Getty Images

Also: Wie ist es zu erklären, dass Heldt für dieses so wichtige Duell noch das volle Vertrauen in Gisdol hat - also das volle Vertrauen in seine Arbeitsweise, in seine eigene Art, in seine Personalentscheidungen - und "nur" weil das Spiel verloren geht, ist dieses nun tatsächlich abhanden gekommen?

Wieder einmal zeigt sich: Trainer-Entlassungen von einem einzigen Spiel abhängig zu machen ist nicht nur falsch, wenn man die Abläufe des teils dreckigen Fußball-Geschäfts beiseite lässt und sich nur auf das reine und vermeintlich saubere Vertrauensverhältnis fokussiert. Es bringt auch nicht die Resultate ein, die man sich erhofft und die man dringend braucht. Mittelfristig nicht, von langfristig ganz zu schweigen.

Markus Gisdol
Das Gisdol-Projekt war schon über die letzten Monate äußerst instabil / Pool/Getty Images

Ein solches Ultimatum ist und bleibt Quatsch. Schießt Mainz einmal an den Pfosten, anstatt ins Kölner Tor, während man selber von einem doofen Eigentor profitiert - und somit das Spiel gewinnt - ist alles in Ordnung? Der Spielverlauf wäre gleich gewesen, der Auftritt, die Leistungen, die Entscheidungen rund um diese 90 Minuten - nichts hätte sich verändert. Zwei kleine Details, ein großes Ergebnis. So etwas kann und sollte nicht der Kleber in diesem so wichtigen Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und dessen Chef sein.

Funkel soll "neuen Impuls geben" - statt gegen Mainz jedoch gegen Leverkusen und Leipzig

Nun soll es also Friedhelm Funkel machen. Der Feuerwehrmann, der den vorigen Feuerwehrmann ersetzen muss. Ihm wird zugetraut, einen neuen Schwung ins Team zu bringen. Das sei laut Heldt nämlich der jetzige Versuch: "Mit einem Trainerwechsel wollen wir der Mannschaft für diese entscheidende Phase mit einer neuen Konstellation einen neuen Impuls geben."

Dabei hat der Sport-Geschäftsführer sehr vorausschauend gehandelt. Achtung, Sarkasmus-Alarm. Dieser "neue Impuls", er kann nun in den nächsten beiden Partien gegen Bayer Leverkusen und RB Leipzig direkt auf die Probe gestellt werden. Kommt es so wie erwartet, also zwei Niederlagen zum Funkel-Auftakt - dieser neue Impuls ist wohl wieder verflogen. Selbst wenn danach noch vier offene Partien auf dem Spielplan stehen.

Horst Heldt
Horst Heldt muss nun auf den Saison-Endspurt hoffen / Martin Rose/Getty Images

Hätte man doch nur irgendwie die Möglichkeit gehabt, diese so wichtige Veränderung schon vor dem Mainz-Spiel herbeizuführen. Wie wichtig wäre ein Sieg, das Abwenden der stagnierenden Ergebnisse, die Heldt ebenfalls anspricht, doch gewesen. War aber leider nicht möglich. Schließlich war Gisdol vor sieben Tagen noch die deutliche bessere Option, der völlig vertraut wurde und zu der Chef Heldt immer treu gehalten hatte.

Wie schade ist es doch, dass man erst auf eine Niederlage warten muss. Auf das Resultat eines einzigen Spieltags. Heldt und die Kölner Führungsriege haben sich erneut verschätzt. Es gab nur zwei Optionen: Entweder Gisdol war und ist der richtige Trainer, fachlich wie menschlich. Dann hätte er auch bleiben können. Oder er war es schon vor mindestens einer Woche nicht mehr, dann hätte die wichtige Mainz-Partie schon in andere Hände gelegt werden müssen.