Halbzeitanalyse: Die Tops und Flops der bisherigen Bundesliga-Saison

Der 1. FC Köln und der FC Schalke 04 zählen nicht zu den positivsten Erscheinungen der Bundesliga-Hinrunde
Der 1. FC Köln und der FC Schalke 04 zählen nicht zu den positivsten Erscheinungen der Bundesliga-Hinrunde / Pool/Getty Images
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Die Hälfte der Saison 2020/21 ist bereits wieder rum, am vergangenen Wochenende bestritten die Bundesligisten den 18. Spieltag. 90min wirft einen Blick auf die vergangenen Monate und nennt jeweils fünf Hingucker und Enttäuschungen der Hinrunde.


Die Hingucker der Hinrunde

1. Union Berlin

CHRISTOF STACHE/Getty Images

Einige Aktionen neben dem Platz sind umstritten, auf dem Spielfeld gehört Union Berlin allerdings zu den positivsten Überraschungen der Bundesliga. Während die Köpenicker im ersten Bundesligajahr noch auf pragmatischen Defensivfußball mit langen Bällen in die Spitze gesetzt haben, wählen Urs Fischer und die Seinen in der laufenden Spielzeit einen flachen und spielerischen Ansatz, bei dem insbesondere Max Kruse eine elementare Rolle spielt.

Der ehemalige deutsche Nationalspieler ist ein absoluter Schlüsselspieler, aber auch in seiner Abwesenheit läuft es rund. Von den acht Bundesligaspielen ohne den aufgrund eines Muskelbündelrisses fehlenden Kruse gingen lediglich die beiden jüngsten Partien gegen RB Leipzig (0:1) und den FC Augsburg (1:2) verloren, zuvor feierte Union drei Siege bei drei weiteren Remis.

Nach dem 18. Spieltag belegt Union den achten Tabellenplatz und hat bereits 28 Punkte auf dem Konto - das sind acht Zähler mehr als zum gleichen Zeitpunkt in der vergangenen Saison. Doch allen voran im Toreschießen hat sich die Mannschaft enorm gesteigert: Standen vergangene Spielzeit erst 21 Treffer zu Buche, so sind es aktuell 33; und das bei 23 statt 27 Gegentoren. Trainer Fischer gebührt großen Respekt ob dieser Entwicklung.

2. VfB Stuttgart

Alex Grimm/Getty Images

Der VfB Stuttgart gehörte in der jüngeren Vergangenheit zu den Traditionsvereinen, die aus unterschiedlichen Gründen ins Chaos gestürzt sind. Und auch wenn Vorstandschef Thomas Hitzlsperger das ruhige Schwabenland mit dem angezettelten Machtkampf gegen Vereinspräsident Claus Vogt wieder entbrüstet hat, ist auf sportlicher Ebene eine klare Steigerung zu den tristen Jahren zwischen 2013 und 2019 zu erkennen.

Sportdirektor Sven Mislintat hat eine überwiegend junge Mannschaft zusammengestellt, die an der Seite von erfahrenen Akteuren wie Daniel Didavi oder Gonzalo Castro erste Erfahrungen in der Bundesliga sammelt. Hinzu kommt mit Pellegrino Matarazzo ein Trainer, der der Mannschaft Spaß und Leidenschaft vermittelt und Vorwärtsfußball anstrebt.

Dieser junge und unbekümmerte VfB macht schlicht und ergreifend Spaß, weil er anders als viele Bundesligisten die Initiative ergreift und keine reaktionäre Spielweise pflegt. Allerdings fallen die Ergebnisse seit dem 12. Spieltag mit nur einem Sieg, zwei Remis und vier Niederlagen nüchtern aus.

Nun war gewiss nicht zu erwarten, dass Stuttgart trotz des zwischenzeitlichen siebten Tabellenplatzes ernsthaft um Europa spielen würde. Vielmehr lautet das oberste Ziel, den Klassenerhalt zu erreichen und sich in den Folgejahren sukzessive nach oben zu arbeiten. In der Hinrunde hat die Mannschaft unter Beweis gestellt, dass sie in der obersten deutschen Spielklasse mithalten und sich weiterentwickeln kann - wenn bald auch in der Führungsetage Ruhe einkehrt, könnten dem VfB wieder bessere Jahre bevorstehen.

3. SC Freiburg

Matthias Hangst/Getty Images

Der SC Freiburg gehört in praktisch jeder Saison zu den Underdogs, denn die Schwarzwälder um den in der Branche extrem geschätzten Christian Streich müssen regelmäßig ihre besten Spieler verkaufen und ersetzen. So war es auch im Sommer 2020 der Fall: Alexander Schwolow, Robin Koch und Luca Waldschmidt haben sich nach erfolgreicher Entwicklung verabschiedet, gekommen sind unter anderem Florian Müller und Ermedin Demirovic.

Im ruhigen Freiburg am Breisgau lautet die oberste Maxime daher, auch in der kommenden Saison in der Bundesliga zu spielen. Gemessen daran sind Streich & Co. voll auf Kurs, der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt stolze zehn Punkte - dabei hatte der SC nach dem achten Spieltag erst sechs Zähler auf dem Konto.

Mitte Dezember begann jedoch die Aufholjagd: Die Spiele gegen Arminia Bielefeld, Schalke 04, Hertha BSC, 1899 Hoffenheim und den 1. FC Köln wurden allesamt gewonnen, unterbunden wurde die Rekord-Siegesserie schlussendlich vom FC Bayern, der sich am 16. Spieltag knapp mit 2:1 durchgesetzt hat. Auf ein Unentschieden gegen Eintracht Frankfurt folgte schließlich ein 2:1-Sieg über Stuttgart zum Rückrundenauftakt.

4. VfL Wolfsburg

INA FASSBENDER/Getty Images

Der VfL Wolfsburg zählt nicht rein aufgrund seiner Ergebnisse zu den positiven Überraschungen in dieser Saison. Beeindruckend ist die Arbeit der Niedersachsen, weil Anfang November noch über das Aus von Trainer Oliver Glasner spekuliert wurde, nachdem dieser die Transferaktivitäten während des Sommers deutlich kritisierte - wobei der kicker berichtet hatte, dass das Tischtuch zwischen Glasner und Sportchef Jörg Schmadtke bereits zuvor Risse erhalten haben soll.

Der VfL mag auch in Glasners zweiter Saison keinen schnellen Hochglanzfußball spielen, auch ist er weiterhin abhängig von Top-Torjäger Wout Weghorst (zwölf Tore), aber er sammelt fleißig Punkte - und hat wie der FC Bayern und Eintracht Frankfurt erst zwei Spiele verloren.

Die Nebenkriegsschauplätze hatten keinerlei Auswirkungen auf die Arbeit des Trainerstabs mit der Mannschaft, die im bevorzugten 4-2-3-1 weiterhin extrem diszipliniert arbeitet und schwer zu knacken ist. Im engen Kampf um die Champions-League-Plätze sind die Wölfe mittendrin und haben die Chance, sich erstmals seit der Vizemeisterschaft 2015 für die Königsklasse zu qualifizieren.

5. Bayer Leverkusen

Lars Baron/Getty Images

Bayer Leverkusen musste seit Sommer viele Rückschläge verkraften: Zunächst verließen Kevin Volland und Kai Havertz den Verein, als Ersatz konnte lediglich Patrik Schick verpflichtet werden.

Neuzugang Santiago Arias erlitt im Oktober einen Wadenbeinbruch, Charles Aranguiz fiel aufgrund einer Muskelverletzung von Oktober bis Januar aus, Exequiel Palacios erlitt einen Lendenwirbelbruch, Paulinho einen Kreuzbandriss und auch Sven und Lars Bender blieben zwischenzeitlich nicht vom Verletzungspech verschont.

Peter Bosz arbeitet unter erschwerten Bedingungen, muss einen wegen Verletzungen geschmälerten Kader durch die Bundesliga, den DFB-Pokal und die Europa League führen. Bis kurz vor Weihnachten meisterte er diese Herausforderung mit Bravour: Bis zum Heimspiel gegen den FC Bayern am 13. Spieltag blieb Leverkusen ungeschlagen, eroberte zuvor gar die Tabellenführung und erreichte sowohl im Pokal als auch in der Europa League souverän die nächste Runde.

Allerdings begann das gute Jahr unter keinem neuen Stern, die Werkself verlor unter anderem gegen Eintracht Frankfurt, Union Berlin und den VfL Wolfsburg. Die Meisterschaft ist angesichts des zehn Punkte großen Rückstandes auf die Bayern kein Thema, aber Leverkusen spielt um einen Startplatz in der Champions League - und in beiden Pokalwettbewerben ist weiterhin mit ihnen zu rechnen.


Die Enttäuschungen der Hinrunde

6. Hertha BSC

Boris Streubel/Getty Images

Wie schon im vergangenen Sommer wollte die Hertha angreifen - denn wieder einmal wurde mächtig auf dem Transfermarkt investiert und zudem existierte die berechtigte Hoffnung, dass Bruno Labbadia die Mannschaft nach seinem vielversprechenden Start im Mai in ruhigere Gewässer führen kann.

Weil jedoch Führungsspieler wie Thomas Kraft, Per Skjelbred, Vedad Ibisevic und Salomon Kalou von Bord gegangen sind und erfahrene Akteure wie Dedryck Boyata, Peter Pekarik und Vladimir Darida dieses Loch nicht füllen konnten, befindet sich die Hertha noch immer im Findungsprozess. Die mit vielen Talenten bespickte, aber unausgeglichen zusammengestellte Mannschaft hat vorne wie hinten erhebliche Probleme, gewann trotz der hohen Erwartungen erst vier Spiele und steht nach dem 18. Spieltag bei neun Niederlagen.

Der bisherige Negativ-Höhepunkt ist das 1:4 gegen Werder Bremen am vergangenen Wochenende. Einen Tag nach der Partie mussten sowohl Labbadia als auch Michael Preetz die Koffer packen. Nun soll Ex-Trainer Pal Dardai den Klassenerhalt perfekt machen, bevor sich die Berliner wieder einmal neu sortieren werden.

7. Borussia Dortmund

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Jahr für Jahr will Borussia Dortmund beweisen, dass man mit dem FC Bayern mithalten und um Titel spielen kann. Damit einher geht ein großer Druck in der Öffentlichkeit, in der der BVB häufig als einzig ernstzunehmender Bayern-Jäger betrachtet wird.

Läuft es nicht, fallen die Schlagzeilen schnell negativ aus; in dieser Saison ist allerdings wirklich der Wurm drin. Wie in der Saison 2017/18 haben die Verantwortlichen früh die Reißleine gezogen und den Cheftrainer - damals Peter Bosz, diesmal Lucien Favre - noch vor dem Jahreswechsel entlassen, bis Saisonende hat Edin Terzic das Zepter in der Hand.

Dortmund ist auf der Suche nach sich selbst und der Antwort auf die Frage, wie die seit Jahren immergleichen Muster durchbrochen werden können. Gegen kleine Mannschaften konstant punkten, in wichtigen Momenten da sein, energisch und leidenschaftlich auf den Platz gehen und nicht nur bei perfektem Rasen und Sonnenschein, sondern auch bei Regenwetter alles geben - all diese Aspekte wurden nicht erst in dieser Saison vermisst.

Auch gemessen an den eigenen Ansprüchen gehört der BVB zu den Enttäuschungen der Hinrunde. Die Meisterschaft wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht im Signal-Iduna-Park gefeiert werden, vielmehr muss der Verein zur Halbzeit ernsthaft um die Qualifikation für den Europapokal bangen. Bis zum 34. Spieltag ist noch alles möglich, die aktuelle Serie von drei sieglosen Bundesligaspielen sollte allerdings schnellstmöglich beendet werden.

8. 1. FC Köln

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Bereits im vergangenen Jahr hatte sich angedeutet, dass der 1. FC Köln vor schweren Zeiten stehen würde. Im Dezember 2019 spielte sich die Mannschaft von Markus Gisdol zwar in einen Rausch, mit Beginn der Geisterspiele im März begann jedoch die 18 Spiele andauernde Sieglos-Serie, die erst mit dem 2:1-Erfolg bei Borussia Dortmund am neunten Spieltag dieser Saison beendet wurde.

Siege sind am Geißbockheim jedoch nur einzelne Lichtblicke. Das Problem: Die Qualität in der Offensive ist insbesondere auf den Außenbahnen ungenügend, Torjäger Sebastian Andersson fällt zudem seit Wochen aus. Mit Emmanuel Dennis und Max Meyer wurden jüngst zwei Neuzugänge verpflichtet, doch auch die Leistungen in der Defensive ließen häufiger zu wünschen übrig. Es mangelt an Gegnerdruck und Aggressivität, trotz einer kompakten Grundordnung werden dem Gegner zu viele Möglichkeiten geboten, sich durch den Block zu kombinieren.

Zwar betonte Sportchef Horst Heldt bereits früh, dass der Klassenerhalt in dieser Saison oberste Priorität habe - doch dieses Ziel ist ernsthaft in Gefahr. Aktuell belegt der FC den Relegationsplatz, der Vorsprung auf den FSV Mainz ist am Wochenende auf fünf Punkte geschmolzen. Bleiben die Rheinhessen nach dem 3:2 über RB Leipzig in der Erfolgsspur, könnte es für Köln eng werden.

9. FC Schalke 04

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Auf Schalke war in den vergangenen Monaten eine Menge los. Zunächst blieb David Wagner trotz der schwachen Rückrunde 2019/20 auf der Trainerbank, dann wurde der Cheftrainer nach einem 0:8 gegen den FC Bayern und einem 1:3 gegen Werder Bremen zum Saisonauftakt entlassen und von Manuel Baum ersetzt. Der frühere Coach des FC Augsburg gab der Mannschaft Ansätze im Spiel mit dem Ball auf den Weg, konnte die mentalen Probleme allerdings nicht lösen - und so fiel die eigentlich gute Leistung in der Regel nach dem ersten Gegentor extrem ab und Schalke ergab sich wöchentlich seinem Schicksal.

Nach gerade einmal elf Pflichtspielen wurde Baum entlassen und zunächst von Huub Stevens und anschließend von Christian Gross, der seine Karriere eigentlich für beendet erklärt hatte, ersetzt. Der 66-Jährige konnte bereits in seinem zweiten Pflichtspiel einen Erfolg verbuchen und führte den S04 nach 30 Bundesligaspielen ohne Sieg zu einem 4:0 gegen 1899 Hoffenheim, weitere Punkte blieben den Knappen seither jedoch verwehrt.

Fest steht: Will Schalke den Klassenerhalt erreichen, braucht es ein Wunder. Der Relegationsplatz ist acht Punkte entfernt, das rettende Ufer zehn. Sportvorstand Jochen Schneider hat es nicht geschafft, die Mannschaft nach der erschreckenden Saison 2018/19 zu stabilisieren, vielmehr hat er die Situation durch seinen hohen Trainerverschleiß weiter verschlimmert. Es war zu erwarten, dass Schalke erneut um den Klassenerhalt spielen würde - dass die Mannschaft aber derart schwach performt, überrascht angesichts ihres Potenzials dennoch.

10. Werder Bremen

Cathrin Mueller/Getty Images

Nachdem sich Werder Bremen in der Relegation gegen den 1. FC Heidenheim retten konnte, erzeugten die Verantwortlichen mit einer transparenten Analyse der abgelaufenen Saison eine gewisse Aufbruchstimmung an der Weser. Diese ist jedoch längst verflogen - und auch die erhoffte sportliche Entwicklung blieb größtenteils aus.

Es stimmen zwar die Ergebnisse - Werder hat sechs Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und dürfte wenig mit dem Abstiegskampf zu tun haben -, spielerisch ist jedoch keine Weiterentwicklung zu erkennen. Ja, die Bremer verteidigen kompakt, ja, sie haben ihre Standardprobleme in den Griff bekommen; angesichts von nur 23 erzielten Toren ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass der Schuh in der Offensive enorm drückt.

Selbstverständlich war kein schneller Turnaround zu erwarten, da die Mannschaft aufgrund der prekären finanziellen Situation nicht verstärkt werden kann. Doch wie Schalke besitzt auch der SV Werder Spieler mit großem Potenzial, das zumeist verborgen bleibt.

Von der Energie, die Werder erzeugen kann, war in den vergangenen Monaten äußerst wenig zu spüren. Eine misslungene Transferpolitik in der Saison 2019/20 hat den Verein einige Jahre zurückgeworfen, statt Europapokal steht wieder der Abstiegskampf bzw. maximal graues Mittelfeld an der Tagesordnung. Dennoch war irgendwo die Hoffnung, dass Bremen zumindest auf dem Platz Fortschritte machen würde. Davon kann allerdings keine Rede sein.