Frauen-WM 2023: Wie geht die FIFA dieses Mal mit Protest um?

Die englische Kapitänin Leah Williamson lief beim diesjährigen Arnold Clark Cup mit der One-Love-Binde auf
Die englische Kapitänin Leah Williamson lief beim diesjährigen Arnold Clark Cup mit der One-Love-Binde auf / Marc Atkins/GettyImages
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Bei der Männer-Weltmeisterschaft in Katar sind die Diskussionen rund um Proteste gegen die politische Situation im Land und das Verbot der "One-Love-Binde" durch die Fifa zu zentralen Themen des Turnieres geworden. Demnach stellt sich nun die Frage, inwieweit Proteste bei der diesjährigen Frauen-WM in Australien und Neuseeland erlaubt sein werden.

Die "One-Love"-Binde

Im November 2022, kurz vor dem Start der Männer-WM in Katar, gab Fifa-Präsident Gianni Infantino bekannt, dass das Tragen der "One-Love"-Armbinde während des Turnieres verboten sei und die Kapitäne bei Abweichung der Regelung mit einer Sperre zu rechnen hätten. Darauf verzichteten sämtliche Mannschaftskapitäne, die Binde zu tragen, auch wenn Persönlichkeiten wie Manuel Neuer und Harry Kane zuvor angekündigt hatten, Zeichen zu setzen.

Die farbenfrohe Kapitänsbinde mit der Aufschrift "One Love" steht für die Werte Vielfalt, Offenheit und Toleranz. Damit wollten viele Verbände ein Zeichen gegen Diskrimierung auf Grundlage der Herkunft, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung setzen.

Vor der Männer-WM in Katar hatte der Fifa-Präsident Gianni Infantino verkündet, dass "der Fußball die Hauptrolle" einnehmen solle. Man dürfe nicht zulassen, dass der Sport "in jeden ideologischen oder politischen Kampf hineingezogen wird, den es gibt." Interessant wird sein, ob der Fifa-Präsident seine Einstellung diesbezüglich ändern wird, wenn es in ein anderes Land als Katar geht.

Ob die gleiche Armbinde bei der Weltmeisterschaft im Sommer getragen werden darf, ist noch offen. Der Fifa-Präsident bemerkte hierzu nur: "Wir suchen den Dialog und werden rechtzeitig vor der Frauen-Weltmeisterschaft eine Lösung finden."

Protest der deutschen Männer-Nationalmannschaft bei der WM 2022

Joshua Kimmich, Serge Gnabry, Jamal Musiala, Thomas Mueller, Ilkay Guendogan, David Raum, Manuel Neuer, Antonio Ruediger, Kai Havertz, Niklas Suele, Nico Schlotterbeck
Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft hielten sich vor dem ersten Spiel der Männer-WM in Katar aus Protest die Hand vor den Mund / Markus Gilliar - GES Sportfoto/GettyImages

Die deutsche Mannschaft entschied sich als Alternative für das Tragen der Armbinde dafür, beim Mannschaftsfoto vor dem ersten Gruppenspiel gegen Japan als symbolische Geste ihre Münder mit der Hand zuzuhalten. Diese Aktion polarisierte das Publikum weltweit.

Auf der einen Seite, erhielt die Mannschaft Zuspruch, da sie im Gegensatz zu den restlichen Teams bemüht erschienen, eine Botschaft zu senden. Auf der anderen Seite gab es Kritik, da die Authentizität der deutschen Spieler hinterfragt wurde. Später stellte sich heraus, dass diese Entscheidung auch innerhalb der Mannschaft eine Spaltung hervorgerufen hatte. Zudem wurde bemängelt, dass die deutsche Mannschaft sich von derartigen Themen ablenken lasse und nicht mehr nur aufs Fußballspielen konzentrieren könne. Dieser Argumentation kam ungünstigerweise entgegen, dass Deutschland das Auftaktspiel mit 2:1 verlor und es zum zweiten Mal in Folge nicht in die K.O.-Phase schaffte.

Dass die politischen Aspekte rund um die zukünftigen Fifa-Turniere medial mehr in den Vordergrund gerückt werden, ist spätestens nach der WM in Katar wohl nicht mehr zu vermeiden. Die One-Love-Binde stellt dabei nur die Spitze des Eisbergs dar.

Die Diskussion rund um das mögliche "Visit-Saudi"-Sponsoring bei der Frauen-WM

Vor einigen Wochen verbreitete sich die Neuigkeit, dass die Fifa sich in Gesprächen mit "Visit Saudi", der Tourismusmarke Saudi Arabiens, für ein mögliches Sponsoring der WM 2023 befinde. Dies erntete sogleich heftige Kritik, da das Land - ähnlich wie Katar - bekanntlich gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisiert und Frauen dort rechtlich und sozial diskriminiert werden. Dies wiederspräche den Werten, die normalerweise bei einer Frauenfußball-Veranstaltung vermittelt werden, auf allen Ebenen.

Gianni Infantino
Gianni Infantino ist seit 2016 Präsident der Fifa / Christian Alvarenga/GettyImages

"Wir hatten ein gutes Gespür für das allgemeine Gefühl in der australischen Gemeinschaft, dass dieser Deal nicht mit den Vorstellungen über den Verlauf des Turniers übereinstimmte," erklärte auch James Johnson, Geschäftsführer von Football Australia, hinsichtlich dieser Thematik.

Da viele Spielerinnen, die im Sommer zum Turnier antretren werden, selbst Mitglieder der LGBTQ+-Community sind, stieß die Sponsoring-Ankündigung schnell auf heftige Gegenreaktionen. Sowohl die Föderationen der Ausrichtungsländer als auch mehrere Spielerinnen sprachen sich darauf gegen den Sponsorkandidaten aus. Dies führte schließlich dazu, dass Infantino eine Zusammenarbeit mit Visit Saudi für die WM in diesem Jahr ausschloss.

Bisherige Proteste im Frauenfußball

In diesem Sommer werden wir bei der Frauen-WM in Australien und Neuseeland mit Sicherheit einem grundsätzlich anderen Wettbewerb als dem Männer-Turnier begegnen - nicht nur auf fußballerischer sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene.

Christen Press, Crystal Dunn, Tobin Heath, Tierna Davidson, Lindsey Horan, Julie Ertz, Abby Dahlkemper, Kelley O'Hara, Adrianna Franch, Samantha Mewis, Megan Rapinoe
Beim SheBelieves Cup 2020 trug das USWNT die Trikots umgekehrt, um Zeichen zu setzen / Alika Jenner/GettyImages

Im Frauenfußball ist es schon lange keine Seltenheit mehr, dass sich Spielerinnen oder sogar ganze Mannschaften gegen Ungerechtigkeiten aussprechen. Beispielweise hatte sich die U.S.-amerikanische Nationalmannschaft über Jahre hinweg für "Equal Play" - gleiche Bezahlung wie für das Männer-Team - eingesetzt und war schließlich im Dezember 2022 auch erfolgreich damit.

Auch in Hinblick auf die WM 2023 kam es in vielen Lagern zu Unruhen. Die französische Federation trennte sich von Trainerin Corinne Diacre, nachdem drei Schlüsselspielerinnen inklusive Mannschaftführerin Wendie Renard aufgrund der Situation in der Mannschaft zurückgetreten waren. In Kanada forderten Spielerinnen mehr Investitionen in die Frauen- und Mädchenabteilungen und protestierten symbolisch auf dem Feld sowie daneben mit einem offenen Brief an die Führungsetage. Zudem waren in der spanischen Nationalmannschaft zwischenzeitlich 15 Spielerinnen zurückgetreten, da sie mit den Entscheidungen von Trainer Jorge Vilda nicht einverstanden waren. Auch in den kleineren Fußballnationen kam es zu ähnlichen Protesten.

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Französische Nationalspielerin Wendie Renard mit der ehemaligen Trainerin Corinne Diacre / FRANCK FIFE/GettyImages

Es bleibt offen, was genau bei der WM in diesem Sommer erlaubt und nicht erlaubt sein wird und wie die Fifa mit ähnlichen Protesten wie bei dem Turnier in Katar umgehen wird. Klar ist aber, dass der internationale Fußballverband unter allen Umständen mehr Fingerspitzengefühl bei dem Frauen-Turnier walten lassen muss, denn die Spielerinnen werden sich Regelungen wie dem Verbot der "One-Love"-Binde höchstwahrscheinlich nicht so leicht fügen.