"Hurra Fußball" am Ende? Bayern-Verteidiger kritisieren offensive Ausrichtung
Von Dominik Hager
Die richtige Balance zwischen Defensive und Offensive ist im Fußball wohl eine Wissenschaft für sich. Hansi Flick hat beim FC Bayern einen extrem mutigen und aggressiven Stil eingeführt, der für viele Gegentore aber noch viel mehr eigene Treffer gesorgt hat. Wer nach dem Wechsel zu Nagelsmann dachte, dass dieser ein wenig mehr die Defensive in den Fokus zieht, sah sich getäuscht. Der neue Coach lässt eher noch offensiver auflaufen. Zu Offensiv, sagen manche.
Der FC Bayern hat ein Defensiv-Problem. Zwar haben die Münchner gemeinsam mit Mainz 05 und dem SC Freiburg in der Liga die wenigsten Gegentreffer bekommen, jedoch ist die absolute Zahl mit 26 Gegentoren trotzdem zu hoch. Die Tendenz stimmt seit einigen Wochen ebenso wenig, wie das 2:4 gegen Bochum belegt.
Bayern-Stars zweifeln an Nagelsmann-Taktik
In der Kabine ist Nagelsmann als Trainer und Person zwar weiterhin unumstritten, jedoch zweifeln inzwischen einige an seiner offensiven "Hurra-Taktik". Insbesondere die Verteidiger sollen laut Angaben der BILD nicht sonderlich glücklich über den Spielstil sein.
Aufgrund der offensiven Ausrichtung und des nicht immer funktionierenden Gegenpressings treten hinten immer wieder Lücken zum Vorschein, die von den Verteidigern in Eins-gegen-Eins-Duellen ausgebügelt werden sollen. Die Münchner Verteidiger beklagen, dass sie bei einer solchen Spielanlage zwangsläufig nicht gut aussehen können.
Auf das persönliche Empfinden der Spieler darf man freilich keine große Rücksicht nehmen, wenn das Team im Umkehrschluss so viele Tore mehr erzielt, dass sich die Maßnahmen lohnen. Dies ist aber auch nicht immer der Fall. Zuletzt bot Nagelsmann meist Coman, Gnabry, Sané, Müller und Lewandowski auf, wobei man das Gefühl hatte, dass sich die Spieler mehr oder weniger auf den Füßen stehen. Folglich hatte die Offensive ihre Mühe, wohingegen im Zentrum ein wichtiger Spieler zur Absicherung fehlte.
Austasusch mit Neuer, Kimmich und Co: Brauchen die Bayern ein festes System?
Bereits nach dem Bochum-Spiel tauschte sich Nagelsmann mit Neuer, Kimmich, Müller und Lewandowski über die Taktik aus. Geholfen hat es bislang jedoch nur bedingt. Der Münchner Coach versucht dem Rekordmeister neue Kniffe zu vermitteln und das Team variabler aufzustellen, jedoch fürchten einige, dass er an zu vielen Schrauben dreht. In Hinblick auf die entscheidende Saisonphase wünschen sich viele ein klares System, in dem jeder weiß, was zu tun ist.
Dies wäre dann wohl wieder das 4-2-3-1-System, an dem Hansi Flick beharrlich und erfolgreich festgehalten hatte. Julian Nagelsmann könnte das gleiche Schicksal wie Joachim Löw blühen, der in der Nationalmannschaft auch auf Teufel-komm-Raus mit Dreierkette spielen wollte und damit scheiterte.
Vermutlich wäre eine Rückkehr zum 4-2-3-1 mit einem nach vorne gezogenen Davies in Ballbesitz und Goretzka auf der Acht auch die beste Option. Allerdings fehlen die beiden besagten Spieler eben wahrscheinlich auch noch länger. Dies zwingt Nagelsmann dazu, ein wenig mehr zu tüfteln als es sonst der Fall gewesen wäre. Beide Spieler lassen sich nicht Eins-zu-Eins ersetzen. Wichtig wäre es trotzdem, künftig einen genauen Plan zu verfolgen. Insbesondere auf ein stabiles Zentrum muss wert gelegt werden. Ob Roca, Sabitzer oder Musiala die Goretzka- und Tolisso-Vertretung schultern können, wird sich dann allerdings noch zeigen müssen.