Gavi lässt ganz Spanien wieder träumen

Die Spanier bejubeln ihren ersten Sieg in Italien seit über 50 Jahren
Die Spanier bejubeln ihren ersten Sieg in Italien seit über 50 Jahren / Laurence Griffiths/GettyImages
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Ein Sieg kann im Fußball manchmal alles verändern. In Spanien jedenfalls wirkt der hochverdiente 2:1-Sieg der la roja in Italien wie Balsam auf die zuletzt etwas geschundene Fan-Seele. Vor allem der neue Rekord-Debütant der Spanier sorgt für helle Begeisterung.


Ja, ich gebe es zu: auch ich habe noch vor einigen Monaten eine Art Abgesang auf den spanischen Fußball verfasst. Zumindest auf Vereinsebene - und auch nur vorübergehend.

Denn nach bald vierzig Jahren der Beobachtung des Business weiß auch ich, dass alles - im Fußball wie im wahren Leben - Kreisläufen unterworfen ist.

Viel Frust in den letzten drei Jahren

Doch es waren schon echte Nackenschläge, die der spanische Fußball, in toto, in den letzten Jahren verkraften musste: das überraschende (und unnötige) WM-Aus 2018 gegen die Russen, das 2:8-Peinlichum des FC Barcelona gegen die Bayern, die Abgänge aus La Liga von Superstars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Neymar, das 1:2 von Real gegen den Sheriff aus Tiraspol...

Lichtblicke gab es hier und da zwar auch. Die Europa-League-Titel vom FC Sevilla und vom FC Villarreal beispielsweise. Oder das aus deutscher Sicht schmerzhafte 6:0 gegen die DFB-Auswahl in der Nations League.

A propos Nations League: um die ging es gestern nämlich bei der Neuauflage des diesjährigen EM-Halbfinals zwischen Italien und Spanien in Mailand. Genauer gesagt: um den Einzug ins Finale dieses immer noch nicht in Gänze zu erklärenden Turniers.

Aber ob nun Nations League oder Halligalli-Pokal oder schlichtweg nur Testspiel: wenn es denn nützt, die neuen Talente des Landes in Augenschein zu nehmen, ist der Name doch völlig egal. Unser 0:6 bei den Spaniern fand übrigens im selben Rahmen statt...

Jede Menge neue Talente

Und neue Talente hat Spanien ganz offenbar jede Menge zu bieten. Ein Dani Olmo fällt dabei, altersbedingt, eigentlich schon aus der Kategorie. Den kennt mittlerweile auch hierzulande jeder ob seiner regelmäßig guten Leistungen bei RB Leipzig.

Aber was ist mit Gavi? Yeremi? Bryan? Um nur mal die zu nennen, die aus den Strukturen der spanischen U21 allmählich herauswachsen, für Nationalcoach Luis Enrique dennoch schon genug Potenzial mitbringen, um auch beim amtierenden Europameister dominant wie selten in den letzten Jahren aufzutreten.

Vor allem erstgenannter ist hervorzuheben. Fast alle im Lande hatten ein wenig mit der Stirn gerunzelt, als "Lucho" seinen Kader für das Prestige-Duell gegen die Squadra Azzurra bekannt gab: Gavi? Dieser gerade mal 17-Jährige vom FC Barcelona, der erst sieben Profi-Einsätze für die Blaugrana vorweisen kann?

Gavi, Nicolò Barella
Alles was Gavi (hier im Duell mit Barella) gestern machte, hatte Hand und Fuß / CPS Images/GettyImages

Genau der. Übrigens konnte Gavi während dieser insgesamt 275 Spielminuten in La Liga (nebst zweier Einsätze in der Königsklasse) auch schon einen Treffer (beim glücklichen 1:1 im Heimspiel gegen Granada) auflegen.

Auf Klubebene hat der Teenager also seine Feuerprobe schon bestanden. Die zweite, auf Länderspiel-Niveau, folgte gestern.

Gavi wie Xavi

Und sie hinterließ überall, zumindest auf spanischer Seite, strahlende Gesichter. Gavi spielte, als würde er dies schon seit zehn Jahren machen. Man könnte auch launig reimen: Gavi spielte wie Xavi. Unaufgeregt, ballsicher, mit gutem Auge für die jeweilige Situation.

Gavi unterband gefährliche Angriffe der Italiener, eroberte Bälle und sorgte darüber hinaus auch noch für Schwung nach vorne. Mit, man kann es nicht oft genug wiederholen, gerade mal 17 Jahren und ein paar Zerquetschten. Am 5. August nächsten Jahres wird er jedenfalls 18.

Nie zuvor war ein spanischer Nationalspieler bei seinem Debüt jünger als Gavi. Und selten zuvor taugte der Name eines offensichtlichen Ausnahmetalents besser dazu, die Fußball-Seele eines ganzen Volkes aufhellen zu lassen.