Paradise Lost? Vom schleichenden Niedergang der LaLiga

Steht mit dem FC Barcelona abermals vor dem vorzeitigen Aus in der Champions League: Lionel Messi
Steht mit dem FC Barcelona abermals vor dem vorzeitigen Aus in der Champions League: Lionel Messi / David Ramos/Getty Images
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Drei spanische Teams haben ihr jeweiliges Hinspiel im diesjährigen Achtelfinale der Champions League bereits absolviert. Drei Niederlagen sind die ernüchternde Bilanz. Real Madrid kämpft am Mittwochabend (21.00 Uhr) gegen Atalanta Bergamo also auch um die Ehre des spanischen Vereinsfußballs. Kein einziges Team aus LaLiga im Viertelfinale - beileibe keine reine Utopie mehr.

Und das wäre dann schon so etwas wie ein epochaler Einschnitt. Zuletzt geschah dies in der Saison 2004/05. Es war dies die zweite Champions-League-Spielzeit, der ein Achtelfinale nach der Gruppenphase zwischengeschaltet war (noch in der Vorsaison 2002/04 ging es nach den Gruppenspielen gleich mit dem Viertelfinale weiter).

Damals also (2004/05) standen mit dem FC Barcelona und Real Madrid nur zwei Teams aus Spanien im Achtelfinale - und beide strichen die Segel. Die Katalanen schieden gegen den FC Chelsea aus, die Königlichen zogen gegen Juventus den Kürzeren. Das Viertelfinale fand dann tatsächlich ohne spanische Beteiligung statt.

Zufall oder nicht: in der Folgesaison (2005/06) machte sich ein gewisser Lionel Messi auf, zum alles beherrschenden Spieler im Fußball-Universum zu werden. (Zwar ist offiziell die Spielzeit 2004/05 seine erste bei den Profis des FC Barcelona, doch erst ab 2005/06 kam er regelmäßig zu Einsätzen.) Und nur vier Jahre später nach der Ankunft des "Messi-As" heuerte der damals 24-jährige Cristiano Ronaldo (Weltrekordablöse inbegriffen) bei den Königlichen an.

Was dann folgte war ein fast eineinhalb Jahrzehnte währendes Dominium der spanischen Liga, mit insgesamt acht Titeln in der Königsklasse (vier für Barça, vier für Real Madrid).

Erste Anzeichen für einen Verfall gab es schon in den letzten Jahren

Doch diese Hegemonie ist seit einigen Jahren im Verfall begriffen. Resultate wie das 2:8 des FC Barcelona gegen die Bayern im letzten Jahr oder das überraschende Aus von Real gegen Ajax ein Jahr zuvor deuteten es schon an.

Doch auch in einer Langzeitanalyse erkennt man einen eindeutigen Abwärtstrend: seit der Saison 2012/13 waren über sechs Jahre hinweg (bis zur Spielzeit 2017/18) stets mindestens drei spanische Teams ins Viertelfinale gestoßen.

2018/19 war es nur noch ein Team, im letzten Jahr immerhin zwei. Doch in diesem Jahr droht ein abermaliger kollektiver Abgang der spanischen Teams noch vor der Runde der letzten Acht. Der erste seit 2005.

Fast schon symbolisch schleppt sich nunmehr auch ein Lionel Messi durch die Partien. Oder schießt ein CR7 seine Tore mittlerweile seit zweieinhalb Jahren für die Alte Dame.

Alternde Stars - und keine neuen in Sicht, die die Illusionen der Fans auf der iberischen Halbinsel füttern könnten. Die aktuellen Big Shots der neuen Generation, ob sie Kylian Mbappé heißen oder Erling Haaland, Marcus Rashford oder Jadon Sancho, Kai Havertz oder Florian Wirtz - sie spielen in Frankreich, Deutschland oder England.

Die als Wachablösung für die in die Jahre gekommenen Zugpferde gedachten Transfers wie die von Eden Hazard (150 Millionen Euro) oder Ousmane Dembélé (130 Millionen) haben indes nicht gezündet wie erhofft.

Und Corona hat die (stets kostspieligen) Planungen der Verantwortlichen der großen spanischen Klubs auch nicht leichter gemacht.

Steht der europäische Vereinsfußball vor einem neuerlichen Epochenwechsel?

Es scheint, als stünden wir mal wieder vor einem Epochenwechsel. Das ist im Fußball nichts Neues. Der spanischen Übermacht in den Fünfziger- und Sechzigerjahren folgte ein kurzes portugiesisch-italienisches Intermezzo, ehe ab den Siebzigerjahren die mitteleuropäischen Klubs (Bayern, Ajax) die europäische Bühne beherrschten.

Ab Ende der Siebziger begann dann der Aufstieg der englischen Klubs. Ein halbes Jahrzehnt lang beherrschten die Teams von der Insel (Liverpool, Nottingham Forest, Aston Villa) die Spielfelder in Europa.

In den späten Achtzigerjahren erlebte dann der italienische Calcio (mit Milan und Juventus an der Spitze) eine Wiedergeburt, ehe das Pendel ab Mitte der Neunziger schon wieder in Richtung Spanien ausschlug.

Real beherrschte im Zweijahres-Rhythmus (1998, 2000 und 2002) die Königsklasse (2000 in einem rein spanischen Finale gegen den FC Valencia), ehe dann King Leo das Zepter zu schwingen begann. Ab Mitte der Nuller-Jahre war es dann ein fast permanentes Aufeinandertreffen der beiden spanischen Giganten, die ihre Rivalität nun auch regelmäßig auf der großen internationalen Bühne ausfochten.

In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnt durfte dann irgendwie jeder Mal (selbst der FC Chelsea oder Inter Mailand). Auch der deutsche Fußball sah sich für kurze Zeit (German Final in Wembley 2013) auf dem Gipfel Europas stehend, ehe ab 2014 die Spanier eine mit den Fünfzigerjahren durchaus vergleichbare Dominanz zurückgewannen. Bis jetzt.

Alles ist zyklisch, wussten schon die Alten in grauer Vorzeit. Der Fußball bildet da keine Ausnahme. Für den objektiven Zuschauer ist dies sogar eine gute Nachricht. Wer will schon immer dieselben die immer gleichen Trophäen in die Luft stemmen sehen?

Ob die Spieler der Königlichen am Mittwochabend (und beim Rückspiel in drei Wochen) einen solchen drohenden Paradigmenwechsel vor Augen haben, ist eher unwahrscheinlich. Was kümmern sich Spieler heutzutage noch um trockene Statistiken?

Und noch ist ja auch nicht gesagt, dass der FC Sevilla oder Atlético Madrid ihre Hinspiel-Niederlagen nicht doch noch drehen können. Hoffnungslos erscheint wohl nur der Fall des FC Barcelona, der sich anschickt, zum zweiten Mal in Folge hochkant aus dem prestigeträchtigsten Vereinswettbewerb der Welt zu fliegen.

Aber wie gesagt: es kommen auch wieder bessere Zeiten. Die Bücher künden davon.