Favoriten, Stars, Flops: Die Teams der amerikanischen Frauenfußball-Liga NWSL

Die amerikanische Liga NWSL gilt als eine der besten Frauenfußball-Spielklassen der Welt. Aber wer sind die besten Teams der Liga? Ein Guide für NWSL-Fans und alle, die es werden wollen.

Amtierender Meister: Die Eckfahne von NJ/NY Gotham FC
Amtierender Meister: Die Eckfahne von NJ/NY Gotham FC / Ira L. Black - Corbis/GettyImages
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Die ersten vier Spieltage in der National Women's Soccer League (NWSL) sind gespielt. Schon jetzt gab es einige große Überraschungen - die NWSL zeigt auch dieses Jahr wieder, wie unberechenbar sie ist. Schwankende Altmeister, aufstrebende Neulinge, bunt durchmischte Teams und der "USA FC": Das sind die Favoriten und Stars dieses Jahr.

Die Favoriten

Der Durchstarter: San Diego Wave

Kalifornien, eine Welle im Logo, Sonnenschein und guter Fußball: Die San Diego Wave wollen cool sein - und keine Frage, das sind sie auch. Das Team kam erst 2022 in die NWSL dazu und stand seitdem etwas im Schatten des Miteinsteigers Angel City FC. Die Rivalen hatten vielleicht die bessere Geschichte zu erzählen, aber bisher ist San Diego eindeutig das Erfolgsprojekt.

In der zweiten Saison gewann die Wave gleich mal den Shield, schied dann in den Playoffs im Halbfinale aus. Im diesjährigen Challenger Cup setzte sich San Diego gegen den Meister Gotham FC durch - zwei Titel, das reicht allerhand für den Favoritenstatus. Für den Erfolg sorgen erfahrene US-Spielerinnen wie Abby Dahlkemper, Christen Westphal und Kapitänin Alex Morgan, neben zwei der größten amerikanischen Talente derzeit: Innenverteidigerin Naomi Girma und Stürmerin Jaedyn Shaw.

Den Mix komplettieren hochkarätige Internationals wie die Ex-Bayern-Spielerin Sofia Jakobsson oder Kanadas Nationaltorhüterin Kailen Sheridan. Mindestens genauso wichtig ist aber Trainerin Casey Stoney, eine der aufregendsten Coaches derzeit. Mit diesem stimmigen Ensemble hat der "Wave Fútbol Club", wie man sich lässig nennt, einen Nerv in der Hafenstadt getroffen - San Diego hält die wichtigsten Zuschauerrekorde der NWSL, im Durchschnitt kamen letztes Jahr 20.718 Fans zu den Spielen.

Casey Stoney
San Diego Wave-Trainerin Casey Stoney / Tim Nwachukwu/GettyImages

Der "All-American" Titelverteidiger: NJ/NY Gotham FC

Gotham FC hat die beste Geschichte der letzten Jahre zu erzählen - eine Geschichte, wie sie nur in der NWSL möglich ist. 2022 wurde der Klub aus New York noch abgeschlagen Letzter, hatte eine Horrorserie von elf Spielen ohne Sieg. Aber in den USA sind die Unterschiede zwischen Letztem und Erstem, zwischen Zero und Hero, viel geringer als in den europäischen Ligen.

So gelang dem Klub ein unglaubliches Comeback: In der nächsten Saison wurde New York, angestachelt von dem Spott über die Negativserie, tatsächlich Meister. Vor dieser Saison verstärkte sich Gotham prominent, viele sahen ein neues Superteam geboren, oder auch "USWNT FC": Zahlreiche Nationalspielerinnen kamen in die Stadt - Crystal Dunn, Rose Lavelle, Tierna Davidson, Emily Sonnett.

Ein Blockbuster-Transfer nach dem anderen, passend zu jedem Verein, der nach Batmans Heimat benannt ist. Bisher konnte Gotham aber nur gegen Portland siegen - niemand kennt die sensationellen Aufstiege und Abstürze in der NWSL besser als sie.

Die Internationalen: Kansas City Current

Die Kansas City Current haben ein bekanntes Gesicht an der Seitenlinie stehen: Ex-US-Nationaltrainer Vlatko Andonovski, der zwar während seiner Zeit bei den Stars and Stripes eher erfolglos agierte, davor aber ein Erfolgscoach in der NWSL war. Er soll nun KC wieder nach oben führen - in der letzten Saison landete der Verein noch auf dem vorletzen Platz.

Aber der Wind kann sich schnell drehen, und Kansas City schlug auf dem Transfermarkt ordentlich zu, um die "Firepower" in der Offensive zu verstärken. Mit Bia Zaneratto und Lauren kamen zwei weitere Brasilianerinnen neben dem Star des Teams, Debinha. Auch Temwa Chawinga - die Schwester von PSG-Stürmerin Tabitha -, welche 2023 in der chinesischen Liga so viel traf wie nur irgendwie möglich, kam nach Kansas. Bisher ist der Klub noch ungeschlagen.

Bia Zaneratto, Temwa Chawinga, Cassie Miller
Bia Zaneratto und Temwa Chawinga jubeln gegen Gotham / Ira L. Black - Corbis/GettyImages

Der Geheimfavorit: North Carolina Courage

Die neue Heimat von Felicitas Rauch hatte in der letzten Saison ein schlechtes Timing. Gerade zu Ende der Saison schien dem Team die Kraft auszugehen - in den letzten acht Ligaspielen holte North Carolina nur einen Sieg, verspielte so eine gute Ausgangsposition in den Playoffs und schied prompt gegen Gotham aus.

Dabei hatte die Elf lange als einer der Favoriten gegolten. North Carolina macht vor allem ihr starkes Teamgefüge aus: Anders als etwa Gotham setzen sie nicht auf große Namen - mit Ausnahme von der Brasilianerin Kerolin -, sondern auf ein eingespieltes System.

Die Ambitionierten: Washington Spirit

Die Washington Spirit haben turbulente Zeiten hinter sich. 2021 wurde Trainer Richie Burke wegen emotionalen Missbrauchs und Mobbing von Spielerinnen entlassen, infolge des großen Missbrauchs-Skandals in der Liga. Darauf hin sollte ein "fresh start" erfolgen, die Klubkultur sich verändern.

Die Unternehmerin Michele Kang stieg von einer Anteilseignerin zur Besitzerin des Klubs auf, um den herum sie nun eine neue Supergruppe von Frauenfußball-Vereinen aufbauen will. Der Neustart besteht vor allem aus viel frischem Geld in der Hauptstadt - unter anderem wurde Barcelonas Erfolgstrainer Jonatan Giraldez verpflichtet, mit einem Gehalt, das laut Medienberichten fünfmal so hoch sein soll wie in Katalonien. Der Spanier übernimmt nach Ende der europäischen Saison, auch ohne ihn läuft es bisher gut für Washington.

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Investorin Michele Kang hat Großes mit ihren Klubs vor / BERTRAND GUAY/GettyImages

Die finanzstarken Neulinge: Bay FC

Auch Bay FC hat nicht geknausert. Der Klub ist einer von zwei Neulingen in der NWSL, gemeinsam mit den Utah Royals. Bay beherrschte aber die Schlagzeilen, dank einiger spektakulärer Transfers: Barcelona-Stürmerin Asisat Oshoala kam nach Kalifornien, ebenso Sambias Racheal Kundananji - für einen neuen Weltrekord von fast einer Million Ablöse.

Neben den beiden Topstürmerinnen hat sich Bay auch die Dienste der technisch beschlagenen Deyna Castellanos und von erfahrenen Verteidigerinnen wie Jen Beattie gesichert. Für attraktiven Fußball sind alle Zutaten da - und Coach Albertin Montoya gilt als Taktikfuchs.


Die bisher Enttäuschten

Die Hochburg des Frauenfußballs: Portland Thorns

Dominanz ist in der NWSL nur schwer zu erreichen, denn das System ist darauf ausgelegt, dass die Karten stets wieder neu gemischt werden. Wer einmal schlecht abgeschnitten hat, kann in nächsten Jahren als Erster die besten Jugendspielerinnen auswählen. So ist es schwieriger, an der Spitze zu bleiben, als dahin zu kommen. Und doch ist das den Portland Thorns lange gelungen.

Portland gilt als ein Mekka des Frauenfußballs, wegen der sportlichen Erfolge, aber auch der Fans mit ihren aufwendigen Choreos. In der "Rose City" spielen weiterhin viele Weltklassespielerinnen wie US-Toptalent Olivia Moultrie, Kapitänin Christine Sinclair und allen voran das neue Gesicht der Nationalmannschaft, Sophia Smith. Im Winter kamen einige starke Transfers, wie Kanada-Kapitänin Jessie Fleming, dazu.

Kansas City v Portland Thorns
Bisher konnten die Rosen nicht wirklich ihre Stacheln zeigen: Das Logo der Thorns / Soobum Im/GettyImages

Dennoch tut sich Portland nach dem Rücktritt von Erfolgstrainerin Rhian Wilkinson, die nun Wales übernommen hat, schwer. Die Thorns haben in den ersten vier Spielen nur einen Punkt gesammelt, zur Freude der anderen Fans. Das gilt in den USA ebenso wie in Europa: Wer immer siegt, macht sich viele Freunde und viele Feinde.

Die Neuaufgebauten: Seattle Reign FC

Wo die Dominanz ist, da ist auch immer ein Herausforderer. Diese Rolle hatte in den letzten Jahren Seattle inne - wegen der kurzen Distanz, die die Derbys zwischen Portland und Seattle zu den emotionalsten Spielen der Liga machen, aber auch wegen der sportlichen Erfolge. Das Gesicht von Reign FC war lange Megan Rapinoe, die nun ihre Karriere beendet hat.

Eine neue Ära bricht am Pazifik an. Auch, weil der Verein ab dieser Saison nicht mehr zur Lyon-Gruppe gehört, und statt OL Reign wieder Seattle Reign heißt. Auf dem Logo prangt eine majestätische Königin, der Anspruch des Klubs ist damit schonmal geklärt. Seattle setzt für diese Saison auf volle Wales-Power mit gleich drei Spielerinnen aus dem Land des Drachens.

Daneben ist der größte Name Ji So-Yun, die technisch beschlagene ehemalige Chelsea-Mittelfeldspielerin. Der Start in die Saison verlief aber holprig - wie beim Rivalen stehen die Zeichen auf Umbruch. Da haben die beiden doch mehr gemeinsam, als ihnen lieb ist.

Das visionäre Projekt: Angel City FC

Angel City steht nach vier Spieltagen im Tabellenkeller. Aber warum über so schnöde Dinge wie Ergebnisse reden? In Los Angeles geht es doch um so viel mehr. Angel City, 2022 dazugestoßen, ist vielleicht der amerikanischste Klub von allen: In seinem Selbstverständnis, nicht nur Fußball zu spielen - das kann ja jeder -, sondern die Stadt, wenn nicht gleich die Welt zu verändern. Für Präsidentin Julie Uhrman ist Angel City nicht einmal ein Fußballklub, "sondern eine Plattform, die für Gleichheit und Veränderungen steht". Fußball als Vehikel, um etwas zu verändern.

Natalie Portman
Bekannte Investorin: Schauspielerin Natalie Portman / Randy Shropshire/GettyImages

Eine attraktive Idee - finden die Investoren um Serena Williams, Natalie Portman und ehemaligen Nationalspielerinnen wie Mia Hamm. Angel City wird als das wertvollste Team der NWSL geschätzt - ein Verkauf würde alle Rekorde sprengen. Allerdings, das wird der Klub wohl erkennen müssen, geht es in der NWSL dann doch auch um Fußball - wenn der Verein die hohen Erwartungen nicht erfüllen kann, dürfte sich das auch auf den Erfolg der Impact-Mission auswirken.

Die Kalifornierinnen sind von Verletzungspech getroffen, Leistungsträgerinnen wie Jun Endo und Christen Press sind langfristig verletzt. Neben diesen Stars baut Angel City auf Toptalente wie die 16-jährige Casey Phair oder Alyssa Thompson. Jetzt soll es bergauf gehen - das Team um die Trainerin mit dem wunderbar englischen Namen Becki Tweed konnte jüngst den ersten Saisonsieg feiern.