Enfant terrible? Ist Paris Brunner den Ärger wert? Ein Kommentar
- Brunner für Fehltritte in der Kritik
- Persönlichkeit des BVB-Talents auch eine Chance
Von Oliver Helbig

Er gilt nicht nur bei Borussia Dortmund, sondern auch beim DFB als große Nachwuchshoffnung. Doch Paris Brunner besticht nicht nur durch seine fußballerischen Qualitäten, sondern fällt auch immer wieder durch seine Fehltritte neben dem Platz auf. Ist Brunner den Ärger wert? Ein Kommentar
Auf der einen Seite seine herausragenden Leistungen für den BVB-Nachwuchs und seine tragende Rolle bei den EM- und WM-Titelgewinnen mit der deutschen U17-Nationalmannschaft. Auf der anderen Seite seine Suspendierung im Herbst 2023 und der erneute Eklat kürzlich im Trainingslager der BVB-Profis in Marbella. Kaum ein anderer Nachwuchsspieler polarisiert im deutschen Fußball derzeit so sehr wie Paris Brunner. Doch sollte Brunner dem BVB wirklich so wichtig sein, dass man trotz seiner Fehltritte an ihm festhält und ihn mit einem Profivertrag belohnt?
Natürlich träumt man heute immer davon, dass die Bundesliga samt Unterbau durch die Nachwuchsabteilungen sauber und fehlerfrei daherkommt. Die öffentliche Wahrnehmung erwartet, dass alle spuren und sich strikt an die Regeln halten. Das gilt besonders für hoffnungsvolle Talente wie Brunner. Bringt einer seine Leistung, ohne negativ aufzufallen, wird er in den Olymp gehoben. Tanzt dagegen jemand aus der Reihe, wird er am liebsten gleich auf den Mond geschossen. Das sind Ausschläge in beide Richtungen, die mir zu schnell und zu extrem sind. Natürlich bringt ein solches Privileg, das junge Kicker wie Brunner genießen, auch eine große Verantwortung mit sich. Den Traum vom Profifußball träumen ja viele, aber nur wenige bekommen tatsächlich auch die Chance, diesen Traum zu realisieren. Dieses Privileg der Auserwählten haben sich die Spieler aber bis dahin auch diszipliniert erarbeitet und somit verdient.
Alle wollen echte Typen, aber keiner will mit ihnen zu tun haben
Die teilweise heftige Kritik am 17-Jährigen finde ich auch ein bisschen scheinheilig. Seit Jahren schreien wir nach echten Typen. Alle fordern sie und gerade in schlechten Zeiten wird das Fehlen dieser Typen beklagt, die in der Lage sind, Widerständen zu trotzen. Typen, die sagen, was sie denken und tun, was sie für richtig halten, auch wenn es gegen die öffentliche Meinung geht. Typen, die auch mal aus der strikten Verhaltens-Schablone ausbrechen, ohne dabei den Rahmen des Vertretbaren zu verlassen (und vielleicht manchmal auch das). Typen wie früher Mario Basler oder Stefan Effenberg. Alle wollen diese Typen, aber keiner will mit ihnen zu tun haben. Ohne ihn zu kennen, würde ich behaupten, dass Paris Brunner einer dieser Typen werden kann. Sicherlich sind seine Fehltritte gerade auch mehr jugendlichem Leichtsinn geschuldet, aber irgendwie ist gerade das auch wahnsinnig erfrischend. Erfrischend anders, erfrischend authentisch und erfrischend vertraut. Mal ehrlich: Wer von uns hat in diesem Alter nicht auch Dummheiten gemacht?
Brunner erinnert mich an...
Paris Brunner erinnert mich momentan ein wenig an Zlatan Ibrahimovic. Gegen die schwedische Fussballlegende wirkt Brunner sogar fast wie ein Chorknabe. Aber genau dieser starke Charakter, diese starke Persönlichkeit war der Grund für Ibrahimovics so erfolgreiche Karriere. Er war immer einer, der voranging, der Verantwortung übernahm und um sich herum keine Mittelmäßigkeit aufkommen ließ. Er machte Mannschaften im Alleingang besser. Fragt mal beim AC Mailand nach. Das war aber nur möglich, weil Ibrahimovic vor allem in jungen Jahren Menschen um sich hatte, die das bis zu einem gewissen Grad toleriert und in die richtigen Bahnen gelenkt haben. Später wurde er genau für diese starke Persönlichkeit gefeiert. Typisch Ibra hieß es dann. Dieses Potenzial sehe ich auch bei Brunner. Auch ihm sollte man keine Fesseln und Schranken aufzeigen, sondern Leitplanken geben, an denen er auch mal abprallen kann, ohne sich allzu sehr verbiegen zu müssen. Dann kann auch Brunner eine Ära prägen, davon bin ich überzeugt. Vielleicht wird er eines Tages dann der Anführer, den wir uns besonders beim DFB gerade alle so sehr wünschen und der uns vielleicht zu Titeln führt.
Es ist noch kein echter Typ einfach vom Himmel gefallen
Dass der BVB genau das zu tun scheint, finde ich ehrlich gesagt richtig und wichtig. Denn trotz der Fehltritte scheint man in Dortmund an dem Offensivtalent festzuhalten. Auch wenn noch weitere Fehltritte folgen sollten, bin ich der Meinung, dass man beim BVB und in der Öffentlichkeit auch mal ein Auge zudrücken sollte. So ist er eben, der Paris. Mit einem Augenzwinkern. Wenn die Leistungen stimmen, dann wird auch ein Paris Brunner bald für genau diese Persönlichkeit gefeiert werden, da bin ich mir auch sicher. Nur dann wird später keiner von denen, die ihn jetzt dafür verteufeln, sagen: "Das fand ich ja schon immer toll." Wenn wir Typen wollen, dann müssen wir sie auch zulassen. Keiner von denen, die wir später gefeiert haben, ist irgendwann plötzlich zum Typ geworden. Das ist eine Entwicklung, die man zulassen und vielleicht auch mal tolerieren muss. Wenn wir das tun, bin ich mir sicher, dass uns Paris Brunner das alles irgendwann mit großen Leistungen zurückgeben wird.
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