Die Ungleichheit einer Werkself: Kommentar zum sorglosen Aus von Niko Kovac in Wolfsburg

Der VfL Wolfsburg hat lange an Niko Kovac festgehalten - trotz der großen Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität. Das macht wieder einmal die Ungleichheit deutlich, mit der eine Werkself agieren kann.

Niko Kovac musste den VfL Wolfsburg verlassen
Niko Kovac musste den VfL Wolfsburg verlassen / Christian Kaspar-Bartke/GettyImages
facebooktwitterreddit

Die 1:3-Niederlage gegen den FC Augsburg passte in das Muster, das sich in den vergangenen Wochen gleich mehrfach zeigte: Der VfL Wolfsburg spielte, insbesondere in der ersten Halbzeit, gar nicht schlecht auf. Trotzdem konnte das bisweilen gute Heimspiel nicht in einen Sieg umgemünzt werden - was auch an kaum beeinflussbaren Faktoren wie etwa einer zweifelhaften Roten Karte lag.

Trotzdem war die Niederlage und damit ein erneut siegloses Spiel nun zu viel des Guten - oder eher des Schlechten: Niko Kovac musste am Sonntagvormittag seinen Trainerposten räumen.

Auch wenn zwischen Mannschaft und Trainer ein intaktes Verhältnis augenscheinlich noch gegeben war und die Sieglos-Spiele teilweise eher als unglücklich und weniger als mangelhaft bezeichnet werden können, so ist das späte Aus für Kovac doch ungewöhnlich für das sonst oftmals so schnelle Trainerkarussell.

Die Verknüpfung zwischen VfL und VW hat Kovac erst die letzten Wochen ermöglicht

Dass er erst als Tabellenvierzehnter, mit lediglich sechs Zählern an Vorsprung auf den Relegationsplatz, seinen Hut nehmen musste, macht wieder einmal die Ungerechtigkeit deutlich, mit der eine solche Werkself wie der VfL auf dem dann doch nicht so fairen Spielfeld der Bundesliga agieren kann.

Das Problem in dieser Hinsicht: Wolfsburg konnte durch die direkte Verknüpfung und Deckung von 'Volkswagen' deshalb so lange an Kovac festhalten, weil zumindest in finanzieller Hinsicht keine Konsequenzen zu erwarten sind.

Niko Kovac
Kovac stand ein letztes Mal für den VfL an der Seitenlinie / Cathrin Mueller/GettyImages

Das liegt am sogenannten Gewinnabführungsvertrag. Dieser ist zwischen dem VW-Konzern und der Fußball-GmbH geschlossen.

Was regelt dieser Vertrag? Volkswagen streicht alle Gewinne ein, die Wolfsburg im Fußballgeschäft einholt. Aber, und das ist der entscheidende Punkt: Auch die Verluste werden vom Autokonzern ausgeglichen.

Und genau aus diesem Punkt konnte es sich der VfL überhaupt erlauben, trotz dieser langen Sieglos-Serie, die logischerweise auch in einem tabellarischen Absturz mündete, seelenruhig zuzusehen. Eigentlich war es ja sogar angedacht, bis zum Saisonende mit Kovac weiterzumachen.

Ambition Europa, Realität knapper Klassenerhalt? Das wäre für jeden Verein ein sehr großes Problem

Geht man nach den Werten des Portals transfermarkt, so verfügt Wolfsburg über den fünfthöchsten Gesamtmarktwert im Kader. Lediglich vier Mannschaft sind wertvoller. Auch das zusammengerechnete Gehalt auf ein Jahr ist laut fbref am fünfthöchsten. Dementsprechend ergibt sich eine riesige Diskrepanz zwischen finanziellen Investment und der Realität in der Liga.

Erwartungshaltung und Ertrag klaffen so weit auseinander, dass es jeden normalen Verein vor große Probleme stellen würde. Zur nächsten Saison müsste gespart, der Kader verschlankt und die Zielsetzung angepasst werden. Die Kaderplaner und Sportgeschäftsführer würden völlig zurecht in der großen Kritik stehen. Doch was passiert beim VfL? Etwaige Verluste werden ausgeglichen.

Dazu werden auch weitere Investitionen möglich sein. Zum einen gibt es dank des Gewinnabführungsvertrags ein sehr großes Sicherheitsnetz, in das sich die Fußball-GmbH notfalls fallen lassen kann. Das hat übrigens schon während der Auswirkungen der Corona-Pandemie für eine ebenso große wie in der Liga beinahe einzigartige Ruhe gesorgt.

Zum anderen kommen die weiteren Zahlungen von VW zum Tragen. Dabei sind etwa die vom kicker auf rund 50 bis 60 Millionen Euro in den Fokus zu stellen, die sich durch das Trikotsponsoring ergeben. Damit steht der VfL ligaweit auf Platz eins. Zum Vergleich: Der BVB bekommt durch das Sponsoring von '1&1' lediglich 35 Millionen Euro, trotz der deutlich größeren Strahlkraft durch Bekanntheit, Trikotverkäufe und Anhängerschaft.

VfL Wolfsburg v VfB Stuttgart - Bundesliga
VW agiert als Trikotsponsor - aktuell mit dem Modell 'Tiguan' / Max Ellerbrake - firo sportphoto/GettyImages

So hätte fast jeder andere Bundesligist schon viel eher reagieren und den Trainer entlassen müssen. Unabhängig davon, ob es leistungsgerecht gewesen wäre oder eben nicht.

Immerhin wäre die Diskrepanz zwischen Investitionen, die im internationalen Geschäft münden sollen, und einem Rang kurz vor dem Kampf um den Klassenerhalt, viel zu groß gewesen. Wolfsburg hingegen konnte sich das Abwarten leisten - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

An dieser Stelle sei der Fairness halber auch Bayer Leverkusen erwähnt. Die Mannschaft, die durch ihre Leistungen und ihre Mentalität zurecht für große Begeisterung sorgt, unterliegt ebenfalls einem Gewinnabführungsvertrag - und zwar mit dem Pharmakonzern 'Bayer'. Es gilt grundsätzlich das gleiche Prinzip wie zwischen dem VfL und VW. Nur zeigt der eine Verein, was potenzielle positive Folgen sein können; und der andere Verein zeigt, wie vergleichsweise risikoarm ausbleibender Erfolg für einen solchen Klub sein kann.


Weitere Nachrichten rund um die Bundesliga:

feed