Die Stimmen zum Spiel: Löw mit überhastetem Ziel - Schweinsteiger verlangt Abwehrchef

Bundestrainer Joachim Löw (60) bleibt trotz desolater Leistung gegen die Schweiz optimistisch
Bundestrainer Joachim Löw (60) bleibt trotz desolater Leistung gegen die Schweiz optimistisch / Martin Rose/Getty Images
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Trotz des schwachen Remis seiner Nationalelf bleibt Bundestrainer Joachim Löw gelassen und schaut positiv in die Zukunft. Insbesondere sein Ziel für die Europameisterschaft 2021 darf angesichts der aktuellen Leistungen belächelt werden. Bastian Schweinsteiger fordert zur Besserung einen wahren Abwehrchef. Die Stimmen im Anschluss der Partie im Überblick.

Nach einem insgesamt schwachen, nahezu peinlichen Auftritt (zumindest defensiv) gegen die Schweizer Eidgenossen verpasste die DFB-Elf am Dienstagabend den Sprung auf den ersten Tabellenplatz der Nations League. Trotz 0:1-Niederlage der Spanier gegen die Ukraine reichte das 3:3-Unentschieden nicht aus, um am Tabellenprimus vorbei zu huschen. Bundestrainer Joachim Löw musste im Anschluss der Partie erneut viel Kritik einstecken, wurde in den sozialen Netzwerken an den Pranger gestellt und scheint das Vertrauen der deutschen Fußballfans mehr und mehr zu verlieren.

"Wir haben gefightet, der Wille hat mir gefallen. Aus solchen Rückschlägen kann man stark hervorgehen."

Joachim Löw, ARD

Der 60-Jährige selbst bleibt allerdings gelassen, schien mit der Partie halbwegs zufrieden und hob gegenüber der ARD und auf der anschließenden Pressekonferenz insbesondere die Moral seiner Jungs hervor: "Beide Mannschaften haben viel riskiert und viele Fehler gemacht. Nach dem Rückstand hat man eine sehr gute Moral gesehen, das war positiv. (...) Wir haben gefightet, der Wille hat mir gefallen. Aus solchen Rückschlägen kann man stark hervorgehen."

Gegen Ende lässt Löw es also doch durchklingen. Der Bundestrainer spricht von einem Rückschlag, betont im gleichen Atemzug allerdings, man befinde sich weiterhin auf einem guten Weg. Immerhin Jubilar Toni Kroos redete nach seinem 100. Spiel im Trikot der Nationalmannschaft Tacheles: "Klar: Wenn es drei Gegentore gibt, ist es defensiv nicht gut. Am Ende sind wir mit dem Punkt nicht zufrieden. Wir haben den Anspruch, solche Spiele zu gewinnen."

Löw nennt Halbfinale als Minimalziel bei der EM

Löw hingegen blieb nicht nur äußerst gelassen, sondern formulierte gar ein vorschnelles, hastiges, aktuell beinahe utopisches Ziel: "Wir haben noch ein paar Spiele bis zur EM, entscheidend ist die Vorbereitung und dass alle Spieler gesund sind. Wenn wir zu einem Turnier fahren, ist es immer das Ziel, so weit wie möglich zu kommen. Natürlich ist das Halbfinale das Minimumziel, dann werden wir sehen. Die Mannschaft hat wirklich Potenzial. Wenn wir da noch ein paar Dinge korrigieren, können wir uns darauf freuen."

Ohne die Erfahrung der rausgeworfenen Nationalspieler Thomas Müller, Jérôme Boateng und Mats Hummels wird dieses Ziel allerdings gleich doppelt so schwierig. Dabei braucht der DFB gerade solche Spieler, die das Zepter in die Hand nehmen und auf dem Platz äußerst abgezockt und präsent auftreten. Richtige Kämpfer eben, die auch durch ihr Alter eine gewisse Erfahrung aufweisen und nicht wie andere DFB-Kicker kleine, Fortnite zockende "Kinder" sind. Löws Job ist es nicht, Nachwuchsspieler zu fördern, sondern aus den besten Spielern dieses Landes eine Mannschaft zu formen!

Jogi Löw beging mit dem Müller-Rauswurf einen großen Fehler
Jogi Löw beging mit dem Müller-Rauswurf einen großen Fehler / Soccrates Images/Getty Images

Oliver Kahn, Per Mertesacker, Michael Ballack, Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski, Miroslav Klose - das waren noch richtige Männer und eben keine kleinen DFB-Buben, die in ihren Klubs zum Teil nicht einmal eine große Rolle spielen. Antonio Rüdiger beispielsweise stand beim FC Chelsea in dieser Saison noch keine einzige Minute auf dem Rasen. In der Nationalelf übernimmt der 27-Jährige plötzlich die Verantwortung in der Abwehrzentrale. Wie kann das sein?

Schweinsteiger verlangt Abwehrchef

Antonio Rüdiger erwischte gegen die Schweiz erneut einen gebrauchten Tag
Antonio Rüdiger erwischte gegen die Schweiz erneut einen gebrauchten Tag / Martin Rose/Getty Images

"Mir fehlt einer, der das Heft in die Hand nimmt."

Bastian Schweinsteiger via ARD

Das fragte sich auch ARD-Experte und Ex-Nationalspieler Schweinsteiger, der insbesondere in der Umschaltbewegung in die Defensive das größte Problem der Mannschaft sieht. "Man muss in der Abwehr zuerst ans Verteidigen denken und nicht ans Umschalten nach vorne. Wir haben in den letzten drei Länderspiele sieben Gegentore bekommen, davon sechs in diesem Stadion. Daran muss man arbeiten, um eine Chance bei der Europameisterschaft zu haben", aber: "Die Zeit ist nicht gegeben. Man muss die Abwehrreihe finden, von der man überzeugt ist. Man muss den Wortführer finden. Mir fehlt einer, der das Heft in die Hand nimmt in dieser Situation."

Vorne hui, hinten pfui: Die defensive Baustelle

Die Baustelle der Defensive hat spätestens nach dem gestrigen Hin und Her ein jeder Kicker erkannt. Dennoch bleiben Jogis Jungs fokussiert, scheinen weitern an ihrem Plan zu arbeiten und anknüpfen zu wollen. "Es war ein schwieriges Spiel, aber wir befinden uns noch in einem Prozess. Wir haben viele junge Spieler. Wir lassen uns von unserem Weg nicht abbringen", betonte auch Kai Havertz, der gleichzeitig weiß: "Natürlich müssen wir in der ein oder anderen Situation besser und erwachsener verteidigen."

In der Tat muss sich in der deutschen Defensive noch einiges tun. Wenn du dir gegen die Türkei und die Schweiz insgesamt sechs Buden einschenken lässt, sollten die Alarmglocken läuten. Ohne gehörige Besserung droht ansonsten das ein oder andere Schützenfest während der Europameisterschaft. Die EM findet im kommenden Jahr vom 11. Juni bis 11. Juli statt. In der Gruppenphase treffen die Deutschen auf Portugal, Frankreich und den Play-off Gewinner A.