DFB-Team und Furia Roja: Alle zwei Jahre dieselbe Leier!

Vorne hui, hinten pfui: Das DFB-Team bot gegen die Schweiz die ganze Palette
Vorne hui, hinten pfui: Das DFB-Team bot gegen die Schweiz die ganze Palette / Martin Rose/Getty Images
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Wenn man der Fachpresse und den einschlägigen Internet-, Fernseh- oder Radioprogrammen in Deutschland und Spanien Glauben schenken sollte, müsste man zu der Überzeugung gelangen, dass beide Teams im nächsten Jahr nur als Statisten zur EM fahren. 

Während sich hierzulande die Kritik vor allem auf die Defensivleistung der Mannschaft fokussiert und die offensive Abteilung bejubelt wird, ist es bei den Iberern genau anders rum. Die Ergebnisse dieser Länderspielpause geben den Kritikern sogar scheinbar recht. 

Nur versäumen es sowohl die deutschen als auch die spanischen Medien, etwas tiefer in die Analyse zu gehen und Rahmenbedingungen (wie z.B. einen durch Covid-19 nochmals bis zum Reißen gestrafften Rahmentermin-Kalender, der eine mehrtägige Konzentration der Spieler nahezu unmöglich macht) in ihre Bewertung einfließen zu lassen. Wobei, ich korrigiere mich: ARD-Kommentator Tom Bartels tat es. 

Erfrischenderweise sagte er auch den Satz: "Auch wenn es nur die Nations League ist." Endlich mal einer, der dieses durchschaubare Spiel zwischen UEFA und (manchen) Medien als das entlarvt, was es ist: reine Geldschneiderei und das Abfüllen desselben alten Weins in neuen Schläuchen. Aber ich weiche vom Thema ab. Mir geht es in diesem Artikel um das fast schon berufsmäßige Dauernörgeln an allem, was nicht absolute Spitzenqualität bedeutet. Einen Mittelweg gibt es dabei scheinbar nicht. Wenn ich dann noch höre, dass Löws Ära jetzt am Ende sein soll, kann ich nur noch müde lächeln. Um nicht weinen zu müssen.

Denn es ist das altbekannte Lied, das hier immer wieder angestimmt wird: Wird der Gegner (außer wenn er Frankreich, Brasilien, Italien, Argentinien, Spanien, Belgien, Holland oder England heißt) nicht mit mindestens drei Toren nach Hause geschickt, scheint der fußballerische Absturz in diesem Land unaufhaltsam. Dass Länder wie die Türkei oder die Schweiz auch ganz gut kicken können - geschenkt. 

Dass es eine deutsche Nationalmannschaft auch in der Vergangenheit zu bestimmten Zeitpunkten (außerhalb eines Großturnieres) mal nicht geschafft hat, all ihr Potenzial punktgenau abzurufen - egal. 

Man könnte meinen, dass in diesem Land alle zwei Jahre eine kollektiv-mediale Amnesie einsetzt. Alles Gute aus der Vergangenheit scheint dann vergessen zu sein. Anders ist die Hysterie darüber, dass Deutschland in den letzten drei Spielen nur einmal (knapp) gewonnen hat, nicht zu erklären. Nebenbei bemerkt: Wir haben nicht einmal verloren. Aber das zählt offenbar nicht. 

Pessimismus vor einem Großturnier fast schon Standard in Deutschland

Bitte, alle mal aufwachen und sich der Beispiele der Vergangenheit erinnern. 2006 haben wir im März noch vier Stück in Italien bekommen. Da wurde schon empfohlen, bei der WM besser gar nicht anzutreten. Blöd nur, dass man Gastgeber war. Und der sollte auf seiner Feier ja eigentlich nicht fehlen. Am Ende hat die Mannschaft dann doch am Turnier teilgenommen, verlor in einem an Dramatik nicht zu überbietenden Halbfinale gegen die Italiener (gegen die man vier Monate zuvor noch hoffnungslos unterlegen war) und wurde am Ende zum Weltmeister der Herzen. Oder zum Märchenerzähler des Sommers. Jeder wie er mag.

2010 wurde Michael Ballack kurz vor Saisonschluss (beim FA-Cup-Finale) von Kevin-Prince Boateng übel gefoult - sechs Monate Pause! 

Und wieder schlug das Land (bzw seine Medien) kollektiv die Hände überm Kopf zusammen: Ohgottogottogott! Wie soll das bloß gehen ohne den Capitano? Nun, es ging nicht nur, es lief. Und zwar wie am Schnürchen. Weil ein gewisser Mesut Özil auf einmal seine Chance bekam - und sie zu nutzen wusste. Oder ein Thomas Müller.

Als Ballack seine in immer größer werdenden Titelträumen durchs Turnier schwebenden Kollegen dann zum Viertelfinalspiel gegen Argentinien (zuvor hatte man England - einen Geheimfavoriten - im Achtelfinale mit 4:1 aus dem Stadion in Bloomfontain gefegt!) besuchte, war er irgendwie schon nicht mehr Teil der Mannschaft. Und sollte es auch nie mehr werden. Lahm hatte sich seiner Kapitänsbinde bemächtigt, mit der Ankündigung, sie nicht mehr abzugeben, und alle anderen fragten sich hinter vorgehaltener Hand: "Was will der hier?" Na, beim 4:0 gegen die Gauchos zugucken. 

Und wieder gelangte eine DFB-Auswahl ins Halbfinale, der vor dem Turnier kaum etwas zugetraut worden war. Am Ende wurde sie, wie vier Jahre zuvor, Dritter.

Und auch 2014 waren die Skeptiker hierzulande in der Mehrzahl. Schweini laborierte immer noch an einer Verletzung. Auch Sami Khedira war bis Turnierbeginn nicht richtig fit. Da winkten die meisten schon ab, bevor das Turnier in Brasilien begann. Am Ende stand ein historisches Halbfinale mit einem der beeindruckendsten Siege eines DFB-Teams ever und der anschließende Schritt zur endgültigen Krönung im Finale gegen Argentinien. Mit Schweini an vorderster Front.

Merkt ihr's? Diese ewige Schwarzmalerei in diesem Land hat System. Gehört offenbar zum Deutschsein dazu. Hat uns in einigen Bereichen vielleicht auch zu dem gemacht, was wir sind. Und einige Nachbarn, oder Nachbarn von Nachbarn, hat man mittlerweile auch schon angesteckt. Siehe Spanien: die haben keine Stürmer, beklagen sie. Dafür aber eine recht stabile Defensive und ein nicht ganz so schlechtes Mittelfeld.

Auch mit Spanien wird im nächsten Jahr zu rechnen sein

Klar, die ganz große Truppe, wie die von 2008 bis 2012, ist es nicht mehr, aber das kann auch gar nicht anders sein. Damals war es eine Konstellation von drei bis vier Ausnahmekönnern, rund um eine Gruppe von ebenfalls überdurchschnittlichen Fußballern, die allesamt gemeinsam ihrem Zenit entgegenstrebten. So was kannst du nicht über zehn oder zwanzig Jahre hinweg erwarten oder einfordern. Denn auch im Fußball gibt es Zyklen, bessere und schlechtere Generationen. Und auch wenn die aktuelle Generation nicht auf dem Exzellenz-Niveau von vor zehn Jahren ist: Mit den Spaniern rechne ich im nächsten Jahr bei der EURO 2020 (ja, auch im Jahr 2021 heißt die so). Unter den Moratas, Rodrigos oder Ansu Fatis wird sich sicherlich irgendeiner herausschälen, der den Ball auch mal versenkt.

Und auch bei uns sehe ich alles auf dem rechten Weg. Und das ist kein Trotzgehabe, nach dem Motto: Ich will einfach nicht sehen, wie schlecht es bestellt ist. Nein, es ist meine Überzeugung. Zugegeben: Ich bin Optimist. Aber im Fußball durchaus auch kritisch genug, um die Chancen einschätzen zu können. Die sind in meinen Augen immer noch mehr als gut, um im nächsten Jahr ein gehöriges Wort bei der Titelvergabe mitzusprechen. Lass die Jungs erstmal alle gesund durch die Saison kommen, sich danach ein paar Wochen einspielen, dann wird das was. Und wenn nicht: Dann ist es halt so. Gewinnen kann am Ende sowieso immer nur einer. Das heißt aber nicht, dass alle anderen es falsch gemacht haben oder schlecht sind.