Der Unterschiedsspieler schlechthin: In dieser Form muss Max Kruse mit zur Europameisterschaft

In seiner derzeitigen Form sollte Max Kruse (l.) zur Europameisterschaft 2021
In seiner derzeitigen Form sollte Max Kruse (l.) zur Europameisterschaft 2021 / Greg Fiume/Getty Images
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Sein letztes Länderspiel für die deutsche Nationalmannschaft hat Max Kruse am elften Oktober 2015 beim 2:1-Sieg über Georgien absolviert. Will Bundestrainer Joachim Löw mehr Kreativität im Offensivspiel, sollte er darüber nachdenken, den mittlerweile 32-Jährigen zu reaktivieren und mit zur Europameisterschaft zu nehmen.

Max Kruse ist nach modernen Standards kein typischer Fußball-Profi. Er raucht gerne Wasserpfeife, ist leidenschaftlicher Pokerspieler und hält sich - so heißt es immer wieder - nicht so streng an eine gesunde Ernährung wie seine Mannschaftskollegen.

Doch der Offensivspieler braucht seine Freiheiten neben dem Platz, wenn er seine Leistung bringen soll. Diese wurden ihm bereits von Florian Kohfeldt bei Werder Bremen gewährt, so macht es auch Urs Fischer bei Union Berlin. Und es zahlt sich aus: So, wie Kruse Werder in der Saison 2018/19 beinahe nach Europa führte, hat er auch bei Union einen großen Anteil daran, dass die Mannschaft nach zehn Spieltagen auf Rang sechs steht.

Immer wieder Max Kruse: Auch bei Union Berlin macht er den Unterschied
Immer wieder Max Kruse: Auch bei Union Berlin macht er den Unterschied / Lars Baron/Getty Images

Ob im 3-4-2-1, 4-2-3-1 oder 4-4-1-1 - als hängender Stürmer kommt Kruse voll zur Geltung. Durch sein kluges Freilaufverhalten stiftet er Unruhe in der gegnerischen Abwehr und verschafft sich und seinen Mitspielern Räume, durch sein gutes Auge setzt er die Mannschaftskollegen geschickt in Szene und obendrein verfügt er auch im eigenen Abschluss über einen äußerst feinen linken Fuß. Bisher haben die Köpenicker 22 Saisontore erzielt, Kruse hatte bei der Hälfte seine Finger im Spiel: Sechs erzielte er selbst (wobei er dreimal per Elfmeter traf), fünf bereitete er vor.

Seit dem 24. Oktober - Union empfing an der Alten Försterei den SC Freiburg (1:1) - ist Kruse unaufhaltsam. Gegen den Sport-Club bereitete er das Ausgleichstor durch Robert Andrich vor, beim 3:1-Sieg über die TSG Hoffenheim lieferte er zwei Assists und traf einmal selbst - genau wie beim Kantersieg über Arminia Bielefeld in der darauffolgenden Woche (5:0) -, gegen den 1. FC Köln (2:1) erzielte er das Siegtor und beim wilden 3:3 gegen Eintracht Frankfurt stellte er nach nur sechs Minuten auf 2:0, ehe er kurz vor Schluss den 16. Saisonpunkt rettete.

Kruse und Union beweisen, dass Ballbesitzfußball nicht tot ist

Nun erklärte DFB-Direktor Oliver Bierhoff jüngst in der von ihm vorgetragenen Analyse der deutschen Nationalmannschaft, dass Ballbesitzfußball tot sei. Diese Aussage ist nicht unumstritten, da einerseits Spitzenvereine wie der FC Bayern, der FC Liverpool oder Manchester City trotz ihres aggressiven Pressings hohe Ballbesitzwerte vorweisen und in der jüngeren Vergangenheit große Erfolge gefeiert haben. Man erinnere an die 100-Punkte-Meisterschaft von City im Jahr 2018, Liverpools Titelgewinne in der Champions und Premier League sowie das zweite Triple in der Vereinsgeschichte des FC Bayern.

Andererseits beweisen Kruse und Union, dass eine Entwicklung hin zu mehr kreativen Lösungen im Ballbesitz durchaus Früchte tragen kann und dass die kleinen Bundesligisten die Attraktivität der Liga und die Wettbewerbsfähigkeit steigern könnten, wenn auch sie an ihrem Spiel mit Ball arbeiten würden. Diese Lehre könnte auch der deutschen Nationalmannschaft weiterhelfen, die für Umschaltfußball stehen will, damit allein aber keinen sonderlichen Erfolg hat und stattdessen von einer seit Jahren auf Ballbesitz fokussierten spanischen Nationalmannschaft mit 0:6 überrollt wurde.

Joachim Löw und Oliver Bierhoff haben den Ballbesitzfußball beim DFB begraben. Was spricht gegen eine Symbiose mit der neuen Spielidee?
Joachim Löw und Oliver Bierhoff haben den Ballbesitzfußball beim DFB begraben. Was spricht gegen eine Symbiose mit der neuen Spielidee? / Christian Kaspar-Bartke/Getty Images

Auch mag Max Kruse kein klassischer Mittelstürmer sein, der seit dem Karriereende von Miroslav Klose vermisst wird. Aber er würde mehr Kreativität und Flexibilität einbringen. Er wäre einer der Spieler, die tiefe Gegner ins Laufen bringen und dafür sorgen würden, dass früher oder später Lücken entstehen, weil er Räume erkennt und besetzt, die eine Reaktion der gegnerischen Verteidiger erfordern.

Die wackelige Defensive wird Kruse nicht verbessern können, aber er wäre ein Gewinn für die träge Offensive. Der 32-Jährige gehört zu den torgefährlichsten und kreativsten Spielern der Bundesliga. Will Löw das Leistungsprinzip wieder geltend machen, kommt er nicht drumherum, Kruse in dieser Form mit zur Europameisterschaft zu nehmen.