Cem Özdemir über Verteilung der TV-Gelder und Finanzkontrolle der Klubs: "Dann stimmt etwas nicht!"

Mitglied der DFL-Taskforce Zukunft Profifußball: Grünen-Politiker Cem Özdemir
Mitglied der DFL-Taskforce Zukunft Profifußball: Grünen-Politiker Cem Özdemir / Sean Gallup/Getty Images
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Bereits vor ihrer heute stattfindenden offiziellen Bekanntmachung durch die DFL, hat die neue Verteilung der Medienerlöse der Erst- und Zweitligisten bereits hohe Wellen geschlagen. Im Streit um die TV-Gelder erkennt man, wie brüchig das Bekenntnis zur allseits beschworenen Solidarität im Profi-Fußball letzten Endes ist.

Das mussten vor einigen Wochen schon die Repräsentanten von Vereinen wie Arminia Bielefeld, Jahn Regensburg, VfB Stuttgart oder Mainz 05 erfahren. Ihr Vorschlag sah u.a. eine Neuverteilung der nationalen wie internationalen Fernseheinnahmen vor sowie eine stärkere Berücksichtigung der Traditionsklubs.

Bei Karl-Heinz Rummenigge stieß dieser Vorstoß auf wenig Gegenliebe - weswegen er seinerseits die benannten Klubs nicht zu einem Treffen aller Bundesligisten (einschließlich des Zweitligisten Hamburger SV) einlud. Für den Grünen-Politiker und Mitglied der DFL-Taskforce Zukunft Profifußball Cem Özdemir ein schlechtes Zeichen.

"Das finde ich bedauerlich!"

"Eine attraktive Bundesliga und europäischer Erfolg schließen sich nicht aus", findet der Bundestagsabgeordnete im Interview mit dem kicker. "Mehrere Vereine haben ja einen Vorschlag für eine Neuverteilung der Fernsehgelder gemacht. Karl-Heinz Rummenigges heftige Reaktion darauf bedeutet in meinen Augen, dass er das Interesse an einer attraktiven Bundesliga verloren hat. Das finde ich bedauerlich."

Vor allem die Exklusion der vorgepreschten Klubs von dem im November abgehaltenen Meeting der Erstligisten (plus HSV) kann der gebürtige Stuttgarter nicht nachvollziehen und sieht darin eine Gefahr für die demokratischen Strukturen im Fußball. "Der Ausschluss der Vereine, die den Vorschlag gemacht haben, hat mich schon sehr verwundert. Ich glaube nicht, dass die Bundesliga ein Ort sein sollte, an dem man nicht mehr diskutieren darf. Wenn mir gestandene Vereinsfunktionäre sagen, dass sie sich nicht mehr trauen, Fehlentwicklungen anzusprechen, dann stimmt etwas nicht", sieht Özdemir die Debattenkultur gefährdet.

"Niemand hat die Einführung des Sozialismus im Fußball gefordert!"

"Niemand", so Özdemir, "hat die Einführung des Sozialismus im Fußball gefordert, sondern dass der Erste künftig maximal das Doppelte des 18. erhält. Und da sind die Gelder aus der Champions League gar nicht drin. In der Premier League, wo die meisten TV-Gelder generiert werden, ist das Verhältnis übrigens schon heute viel ausgeglichener. Und: Die Stärkung der Nachwuchsarbeit etwa kommt doch auch den Bayern zugute, wenn ich daran denke, wie oft man in München von guter Ausbildung beispielsweise in Stuttgart profitiert hat."

Für den Grünen besteht akuter Handlungsbedarf in dieser Causa. "Die Debatte muss jetzt mal grundlegend geführt werden, da die Schere zwischen den armen und reichen Klubs immer weiter auseinandergeht. Eine sportlich derart auseinanderdriftende Liga schadet der Attraktivität, genauso wie Riesengehälter, horrende Transfersummen oder hohe Beraterhonorare die Identifikation der Fans mit dem Fußball gefährden."

Im Zuge der Verhandlungen über eine möglichst gerechte Verteilung der Medienerlöse wird auch immer wieder das Thema Gehaltsobergrenze auf den Tisch gelegt. Eine solche Regelung sei aber, so Özdemir, nur in einem gesamteuropäischen Rahmen möglich. Da gelte es noch "dicke Bretter zu bohren." Von Deutschland erhofft sich der Spitzenpolitiker in diesem Zusammenhang, "einen Unterschied machen" zu können. Doch gehe es nicht "ohne den Druck der organisierten Fans und der Öffentlichkeit".

"Sorry, teilweise ist das Business völlig aus den Fugen geraten!"

Insgesamt sieht Özdemir eine beunruhigende Tendenz in der Entwicklung der Gehälter, vor allem im Spitzensegment. "Ein Fußballer soll sehr gut verdienen dürfen, schließlich hat er nur eine kurze Zeitspanne, um aktiv zu spielen, und verzichtet auf eine normale Jugend. Aber sorry, teilweise ist das Business völlig aus den Fugen geraten. Ich glaube, dass wir nicht nur national, sondern europäisch an Grenzen bei den Gehältern stoßen, weil es die Vereine nicht mehr gesund finanziert bekommen. Wenn dann am Ende der Staat einspringen muss, bekommen wir das in der Gesellschaft nicht mehr vermittelt, da wünsche ich mir auch deutlichere Kritik aus der Politik."

Eine klare Positionierung für eine größere externe Kontrolle - und ein stabileres Wirtschaften innerhalb der Klubs. "Das hieße, dass bei der Lizenzvergabe nachhaltiges Wirtschaften und Rücklagenbildung eine größere Rolle spielen sollten. Wir haben leider in der Taskforce nicht den Auftrag, über Fernsehgelder zu reden, doch die Finanzströme sind Teil unseres Auftrags, und da gehören Kriterien wie Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Verantwortung und Wirtschaftlichkeit rein."