BVB-Boss Watzke will wegen Haller nicht in "Hektik und Aktionismus" verfallen
Von Simon Zimmermann
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke hat über den Haller-Schock gesprochen und warum man nicht in "Hektik und Aktionismus verfallen" wolle. Außerdem äußerste sich Watzke in Sachen Meisterschaftskampf erneut zurückhaltend. Mit Blick auf die Transfers beim FC Bayern seien die finanziellen Kräfte in der Bundesliga weiter zementiert worden.
Mit Sebastien Haller hat Borussia Dortmund auf der Mittelstürmer-Position einen hochkarätigen Nachfolger für Erling Haaland verpflichtet. Einer, der mit seinen 28 Jahren eher in einem untypischen Alter ist - gemessen an der üblichen Transfer-Strategie des BVB.
Statt auf das nächste Juwel zu hoffen, setzt man in Dortmund auf einen gestandenen Angreifer, der in der abgelaufenen Saison in acht Champions-League-Spielen elf Tore erzielt hat und die Bundesliga aus Frankfurter Tagen bestens kennt.
Die Erwartungshaltung an Schwarz-Gelb hat das nicht unbedingt geschmälert. Im Gegenteil: Mit Nico Schlotterbeck, Niklas Süle und Karim Adeyemi wurden drei weitere Hochkaräter verpflichtet. Dazu kam mit Salih Özcan einer der Aufsteiger der letzten Bundesliga-Spielzeit.
BVB will wegen Haller nicht in "Hektik und Aktionismus" verfallen
Ungeachtet sportlicher Ambitionen war der Schock in Bad Ragaz groß, als die Diagnose bei Haller bekannt gegeben wurde. Im BVB-Trainingslager wurde ein Hodentumor beim neuen Angreifer entdeckt. Umgehend reiste Haller aus der Schweiz ab und begab sich in Behandlung. Aus dieser meldete er sich am Donnerstagabend. Der erste Schritt sei gegangen.
Bevor es keine genaue Diagnose gibt, will Watzke keine weiteren Schritte unternehmen. Sofort nach der Schock-Nachricht wurden zahlreiche Stürmer mit dem BVB in Verbindung gebracht, die Haller ersetzen könnten. "Jetzt in Hektik und Aktionismus zu verfallen, ist aus meiner Sicht moralisch-ethisch ein Problem. Wir dürfen nicht über die Gesundheit eines Spielers spekulieren, bevor es glasklare Diagnosen gibt. Und bis es soweit ist, werden auf jeden Fall noch mehrere Tage vergehen. Man muss seriös mit der Situation umgehen", merkte Watzke gegenüber den Ruhrnachrichten richtigerweise an.
Klar ist jedoch, dass der Ausfall von Haller den BVB sportlich treffen wird. Das Sportliche rückt in diesem Fall aber in den Hintergrund. Zumal Trainer-Rückkehrer Edin Terzic den Mittelstürmer - zumindest kurzfristig - mit dem vorhandenen Personal ersetzen kann.
Es droht ein holpriger Start - nicht nur wegen Haller
Insgesamt droht dem BVB aber kein einfacher Start in die neue Runde. Einige neue Spieler, ein neuer Trainer und eine zerstückelte und kurze Vorbereitungszeit machen die Neuausrichtung der Mannschaft schwerer. Den Haller-Ausfall will Watzke aber nicht als zusätzliche Ausrede wissen: "Es könnte holprig werden. Aber das dürfen wir nicht als Alibi in irgendeiner Weise nutzen, sondern müssen das als Herausforderung sehen."
Topfavorit auf die Meisterschaft ist für Watzke ohnehin weiter der FC Bayern. Die Blockbuster-Transfers von Sadio Mané und Mtthijs de Ligt hätten "die finanziellen Kräfte der Bundesliga nicht auf den Kopf gestellt, sondern weiter zementiert".
Watzke: Meisterschaft kann man "nicht zwingend von uns verlangen"
Watzke legte zu diesem viel diskutierten Thema nach: "Ich habe das schon hundertmal gesagt: Leipzig, Leverkusen, wir - wir alle würden es natürlich gerne mal haben, dass der FC Bayern nicht Meister wird. Aber man kann das vor der deutschen Öffentlichkeit nicht zwingend von uns verlangen. Weil es auch niemand verlangt, dass Mainz 05 im kommenden Jahr vor dem BVB steht. Der Budget-Unterschied zwischen Mainz und Borussia Dortmund ist aber kleiner als der zwischen dem BVB und Bayern München. Das ist einfach Fakt."
Den Traum von der nächsten Schale gibt Watzke aber nicht auf: "Irgendwann müssen wir in einer Saison mal die Qualität, den Mut und das Glück haben, um wieder zuzuschlagen. Dann müssten uns die Bayern zwar immer noch entgegenkommen oder den Leipzigern oder den Leverkusenern oder wem auch immer. Aber dann würde es irgendwann mal passieren, dass ein anderer Klub Meister wird. Ich habe nie gesagt, dass es nächstes Jahr schon passiert."
Zum Schluss holte der BVB-Boss gegen "bestimmte Medien" aus, die über das schwindende Interesse an der Bundesliga berichtet hatten:
"Die Bundesliga war nie uninteressant. Es gibt ja gewisse Kreise in Deutschland, die daran interessiert sind, den Fußball schlechtzureden. Bestimmte Medien hatten ja auch in den vergangenen zwei Jahren darüber berichtet, dass das Interesse der Zuschauer nach der Corona-Zeit dramatisch abnehmen wird. Dass die Kluft riesengroß geworden ist, dass sich alle anderen Dingen zuwenden. Wenn ich jetzt aber das Interesse und die Dauerkartenverkäufe verfolge, war das meiste herbeigeredet. Das Problem: Wenn du es hundertmal hörst, glaubst du es am Ende selbst. Das ist mir ja leider auch passiert, das muss ich gestehen. Man muss sich freimachen von diesen Dingen."