Die Bundesliga auf dem absteigenden Ast: Wundertüten statt Konstanten

Der FC Bayern ist einer der vielen Vereine mit neuem Cheftrainer
Der FC Bayern ist einer der vielen Vereine mit neuem Cheftrainer / Alexandra Beier/Getty Images
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Die Bundesliga startet am 13. August in ihre 59. Spielzeit. Im europäischen Vergleich der Top-Ligen befindet sich das deutsche Oberhaus jedoch immer weiter auf dem aufsteigenden Ast. Auch vor der neuen Saison gilt: Wundertüten statt Konstanten.


Der Bundesliga läuft aktuell vor allem die Premier League davon. In England, das muss dazugesagt werden, bemisst sich die Konstanz aber in Pfund und nicht immer in sportlichen Leistungen. Der stetige Geldfluss auf der Insel bedingt eine Vormachtstellung, die mittlerweile selbst die italienischen und spanischen Schwergewichte in den Schatten stellt. Eine Mannschaft, die in der Premier League um den Abstieg spielt, könnte heute in der Bundesliga locker um das internationale Geschäft mitspielen.

Wirkliche Lösungen haben die deutschen Vereine für dieses Problem nicht gefunden; wenn es sie überhaupt gibt. Stattdessen klappt die Schere in der Bundesliga immer weiter auseinander. Von einem Zwei- oder sogar Dreikampf an der Spitze sind wir meilenweit entfernt. Und so ist der FC Bayern aktuell eigentlich die einzige Konstante in der Liga: der deutsche Branchenprimus wird auch in der kommenden Saison Meister werden, das ist fast so sicher wie das Amen in der Kirche.

Doch auch der FCB wird dieses Spiel nicht ewig spielen. Die Bayern haben auf dem globalen Markt an Stahlkraft und finanzieller Überlegenheit eingebüßt, nicht zuletzt durch die Corona-Krise und den Abschied des Erfolgsduos Hoeneß / Rummenigge. Wenn Robert Lewandowski, Thomas Müller, Manuel Neuer und Co. in die Winter ihrer Karrieren eintreten, fehlen dem Rekordmeister, abseits von Joshua Kimmich, Stand jetzt die ganz großen Namen. Das könnte zu einem ausgewogenerem Meisterschaftskampf in der Bundesliga führen.

RB Leipzig und der BVB müssen (weiter) Gas geben!

Dafür muss das Verfolger-Feld Gas geben. Das tut aktuell vor allem RB Leipzig. Die Sachsen haben den qualitativ breitesten Kader der Liga und die vielleicht beste Transferpolitik der Liga (wobei die Netzwerke in Österreich, den USA und Brasilien von erheblichem Vorteil sind). Leipzig muss nun unter Beweis stellen, dass sie den massiven Aderlass der vergangenen Monate (Timo Werner, Ibrahima Konate, Dayot Upamecano, Julian Nagelsmann und vermutlich Marcel Sabitzer) auch kompensieren können. Das scheint dem aktuellen Vizemeister jedoch gut zu gelingen.

Druck üben die Roten Bullen damit vor allem auf den BVB aus. Die Borussia ist nach enttäuschenden zwei Spielzeiten angezählt und hat den über Jahre erarbeiteten Vorsprung auf den Rest der Liga teilweise eingebüßt. Auch der BVB litt und leidet allerdings unter der Corona-Krise, die Probleme in Dortmund sind nicht nur hausgemacht. Und doch fehlt in der Bundesliga vor allem Borussia Dortmund die Konstanz. Der BVB funktioniert in Zyklen von zwei oder drei Jahren - anschließend sind die Top-Stars wieder weg und die Mannschaft startet wieder bei Null. Das hat es Leipzig erlaubt, zu den Westfalen aufzuschließen. Ob der BVB für den Konkurrenzkampf gerüstet ist, wird sich zeigen: wie Leipzig ist auch die Borussia mit neuem Personal und neuem Trainer eher eine Wundertüte, als ein Selbstläufer.

Die dritte Ebene der Pyramide Bundesliga zerstört die Geometrie der Metapher. Von Ausgewogenheit ist im oberen Mittelfeld der Liga keine Rede mehr. Gladbach, Leverkusen, Wolfsburg, Frankfurt - wohin geht die Reise? Das lässt sich bei keinem der vier Vereine prognostizieren, eben weil die Konstanz fehlt. Die eine Saison Champions League, die andere tristes Mittelfeld; immerhin zählte vor nicht allzu langer Zeit noch Schalke 04 zu diesem Kreise. Vereine wie Hertha BSC und die TSG Hoffenheim wollen ebenfalls um Europa mitspielen; diesen Traum hatte in der abgelaufenen Saison auch Werder Bremen, jetzt zweitklassig. Die meisten Vertreter des gehobenen Bundesliga-Mittelfelds starten in neuen Anzügen in die Saison, bedingt durch Trainer- und Spieler-Fluktuation.

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Neue Jobs: Auch Adi Hütter und Oliver Glasner wechselten die Farben / RONNY HARTMANN/Getty Images

Die Gleichung zur Konstanz, sie ist der Bundesliga abhanden gekommen. Das deutsche Oberhaus befindet sich in einer Phase der Experimente und damit in einer Art Stillstand, die es den europäischen Top-Ligen erlaubt, davonzuziehen. Neben der Premier League macht aktuell die Serie A ordentlich Meter (auch dort dank finanzkräftiger Investoren). Und ja, vielleicht ist dies auch der Weg für die Bundesliga, so hässlich er auch sein mag.

So oder so: uns steht eine weitere Saison der Wundertüten ins Haus. Darunter leidet nicht nur die Qualität, sondern auch die Identifikation der Fans. Welche Spiele schaut sich der neutrale Zuschauer noch an? Wie viele Fans wählen am Samstagnachmittag noch die Konferenz statt dem Einzelspiel; wie viele Fans schalten überhaupt noch ein? Die Verantwortung liegt nun bei den Vereinen und der gesamten Liga: es braucht Konstanz. Die Zeit des Experimentieren ist vorbei - es braucht Ergebnisse. Konstanten statt Wundertüten. Vielleicht im nächsten Jahr.