Borussia Dortmund: Was für einen Verbleib von Lucien Favre spricht

Bis zum 30. Juni 2021 bei Borussia Dortmund unter Vertrag: Lucien Favre
Bis zum 30. Juni 2021 bei Borussia Dortmund unter Vertrag: Lucien Favre / DeFodi Images/Getty Images
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Lucien Favres Arbeit bei Borussia Dortmund wird seit über einem Jahr überaus kritisch beobachtet. Eine Vertragsverlängerung ist nicht in Sicht, aber es gibt durchaus einige Punkte, die für den Schweizer sprechen.

Dass Lucien Favre eine Mannschaft aufbauen und entwickeln kann, hat er schon zu Genüge bewiesen. Bei Hertha BSC, Borussia Mönchengladbach und OGC Nizza hat der 62-jährige Übungsleiter Spuren hinterlassen und sich einen Namen gemacht, der im Sommer 2018 die Verantwortlichen von Borussia Dortmund anlockte. Auch der BVB benötigte nach der verheerenden Saison 2017/18 einen Neustart, Favre sollte die umgekrempelte Mannschaft auf Vordermann bringen und obendrein Titel gewinnen.

An der Meisterschaft schrammte der BVB in den vergangenen beiden Spielzeiten vorbei, im DFB-Pokal und der Champions League war jeweils im Achtelfinale Schluss. Begleitet wird Favres Amtszeit von Höhen und Tiefen, auch der Start in die neue Saison verlief nicht gerade ruhig. Angesprochen auf eine Verlängerung des 2021 endenden Vertrages üben sich die BVB-Bosse in Zurückhaltung, mit Julian Nagelsmann (RB Leipzig) und Marco Rose (Borussia Mönchengladbach) wurden medial bereits zwei Namen in den Ring geworfen. Doch die folgenden vier Punkte sprechen für einen Verbleib von Favre.


1. Gutes Händchen für junge Spieler

DeFodi Images/Getty Images

Lucien Favre ist ein Trainer, der über die Jahre bewiesen hat, dass er junge Spieler fördern und weiterentwickeln kann. In Mönchengladbach machte er Marco Reus und Marc-André ter Stegen zu Stars, in Dortmund hob er Jadon Sancho auf ein unglaubliches Niveau und aktuell sind Giovanni Reyna und Jude Bellingham dabei, sich zu Bundesliga-Stammspielern zu entwickeln.

Der BVB hat sich auf die Fahne geschrieben, solche hochveranlagten Talente aufzubauen und um sie herum eine Mannschaft aufzubauen, die in einigen Jahren wieder ganz oben angreifen soll. Dafür braucht es auch einen Trainer, der ihnen Spielpraxis und Selbstvertrauen gibt. In diesem Gebiet ist Favre ein Spezialist.


2. Defensive Stabilität

Martin Rose/Getty Images

In den vergangenen beiden Spielzeiten hat der BVB jeweils über 80 Tore erzielt, dafür aber auch über 40 Gegentore kassiert. Insgesamt war die Arbeit gegen den Ball also verbesserungswürdig - und genau da scheint Favre im Sommer angesetzt zu haben.

Nach den ersten sechs Spieltagen steht das Torverhältnis bei 13:2. Die einzigen beiden Gegentreffer stammen von der 0:2-Pleite gegen den FC Augsburg am zweiten Spieltag, die beiden Torhüter Roman Bürki und Marwin Hitz teilen sich demzufolge fünf weiße Westen. Zum Vergleich: In der Saison 2018/19 standen zum selben Zeitpunkt fünf Gegentore zu Buche, in der abgelaufenen Saison sieben.

Auch die Frage nach der Formation spielt bei der neu gewonnenen defensiven Stabilität keine Rolle, sowohl im 3-4-2-1 als auch im 4-2-3-1 weiß der BVB zu überzeugen - und das, obwohl mit Dan-Axel Zagadou, Emre Can und Nico Schulz drei Verteidiger am Samstagnachmittag in Bielefeld (2:0) gefehlt haben.


3. Der Spielstil passt zu den jungen Spielern

Pool/Getty Images

Gerade zu Beginn sollen junge Spieler häufig unbekümmert spielen. Sie sollen sich auf ihre Stärken konzentrieren und den Druck, der in den Folgejahren immer größer wird und mit dem sie sich eines Tages auseinandersetzen müssen, ausblenden und einfach Fußball spielen. Genau das erlaubt Favre seinen Spielern.

Die Offensivakteure erhalten nahezu alle Freiheiten innerhalb ihrer Rolle, sowohl auf das Positionsspiel als auch auf bestimmte Aktionen und Bewegungen bezogen. Sie dürfen und sollen ins Dribbling gehen, miteinander kombinieren, Positionswechsel vornehmen, temporeich nach vorne spielen und abschließen.

Es ist nicht selten der Fall, dass Favre ein kontrollierteres Ballbesitzspiel und mehr Geduld bei tief stehenden Gegnern fordert. Grundsätzlich aber passt das schnelle, wuchtige Offensivspiel zu den Youngsters.


4. Konkurrenzkampf wird verschärft

INA FASSBENDER/Getty Images

In der Vergangenheit hielt Lucien Favre stur an einigen Spielern fest. Dazu gehörten unter anderem Roman Bürki und Marco Reus. In dieser Saison signalisierte er aber bereits frühzeitig, dass es keine endgültigen Stammplätze mehr gibt.

Nach überstandener Atemwegsinfektion musste sich Bürki zunächst hinter Marwin Hitz anstellen, durfte erst im Derby gegen Schalke wieder spielen. Reus war eigentlich immer gesetzt, begann in dieser Saison aber erst in fünf Partien von Beginn an und steht insgesamt bei zehn Einsätzen über 483 Spielminuten.

"Alle haben Konkurrenz", sagte Favre vor gut einer Woche. Vorrangig soll es also wieder um Leistung gehen und nicht um das Vertrauen des Trainers. Wer spielen will, muss auf dem Trainingsplatz 100 Prozent abrufen.