Bekenntnis zu Löw: Der DFB hat sich mit der Pressemitteilung keinen Gefallen getan

Darf trotz der Negativentwicklung seit 2018 im Amt bleiben: Joachim Löw
Darf trotz der Negativentwicklung seit 2018 im Amt bleiben: Joachim Löw / Quality Sport Images/Getty Images
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Der DFB hält an Joachim Löw fest und übersieht den absteigenden Ast, auf dem die deutsche Nationalmannschaft seit zwei Jahren wandert. Wenn überhaupt, dann darf Löw aufgrund mangelnder Alternativen weitermachen.

Das DFB-Präsidium hat die Bundestrainer-Frage am Montag beantwortet: Wie auf der Verbandswebsite verkündet wurde, soll "der seit März 2019 eingeschlagene Weg […] uneingeschränkt" fortgesetzt werden - mit Joachim Löw, der nach dem 0:6-Debakel in der Nations League gegen Spanien erneut angezählt worden war.

Der Verband spricht von einer "hochqualitativen Arbeit des Trainerstabes", einem "intakten Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer" und von "einem klaren Konzept", das der Bundestrainer vorweise. Dass die wilden Formationsexperimente keine Früchte getragen haben und die sture Umstrukturierung des Kaders das Leistungsprinzip infrage gestellt hat, wird allerdings mit keiner Silbe erwähnt. Stattdessen heißt es: "Ein einzelnes Spiel kann und darf nicht Gradmesser für die grundsätzliche Leistung der Nationalmannschaft und des Bundestrainers sein."

Darf im Amt bleiben: Bundestrainer Joachim Löw
Darf im Amt bleiben: Bundestrainer Joachim Löw / Soccrates Images/Getty Images

Mit dieser Aussage haben die DFB-Verantwortlichen recht. Ein Trainer und eine Mannschaft sollten sich niemals anhand eines einzelnen Spiels bewerten lassen. Vielmehr muss jede einzelne Partie in den Kontext gesetzt werden.

Im Kontext der Nationalmannschaft war das 0:6 gegen Spanien die Spitze der Negativentwicklung seit der Weltmeisterschaft 2018. In der Defensive mangelt es an Abstimmung und klaren Abläufen, in der Rückwärtsbewegung fehlt die Balance. Die Darbietungen nach Ballverlusten sind seit geraumer Zeit rigoros, vogelwild agiert jeder Spieler für sich - im Verbund wird dagegen kaum verteidigt. Und in der Offensive verfügt Löw über extrem talentierte Spieler, doch es gelingt ihm nicht, ihnen ein taktisches Gerüst an die Hand zu geben, in welchem sie ihr Potenzial ausspielen können.

Der Verbleib in der Nations League A war der UEFA zu verdanken

Noch kurioser sind die aufgelisteten sportlichen Ziele, die die Nationalmannschaft unter Löw erreicht hat. Hervorgehoben wird unter anderem "der Verbleib in Liga A der Nations League". Dabei ist dieser "Erfolg" einzig und allein der UEFA zu verdanken, die im September 2019 beschloss, die A-Liga von 12 auf 16 Mannschaften aufzustocken. Zur Erinnerung: Mit zwei Punkten aus vier Spielen beendete die DFB-Elf die erste Nations-League-Saison in Gruppe 1 auf dem letzten Platz. Noch schwächer war lediglich Island, das in Gruppe 2 keinen einzigen Punkt gewann.

Die Nations League ist nicht das Lieblingsturnier der deutschen Nationalmannschaft
Die Nations League ist nicht das Lieblingsturnier der deutschen Nationalmannschaft / CRISTINA QUICLER/Getty Images

Generell fühlt sich die Nationalmannschaft in dem Turnier, das dazu dienen soll, Länderspiele spannender zu gestalten, überhaupt nicht wohl: In zehn Spielen feierte Löw lediglich zwei Siege - beide gegen die Ukraine. In dieser Saison rechte es gegen die Schweiz nur zu zwei Remis, gegen Spanien folgte auf ein 1:1 die Schmach von Sevilla.

Eine erfolgreiche Europameisterschaft ist nicht in Sicht

Ebenso wurde die erfolgreiche Qualifikation für die Europameisterschaft hervorgehoben - dabei wäre alles andere eine Farce gewesen. Und wenn der DFB ernsthaft daran glaubt, das von Präsident Fritz Keller als Ziel ausgerufene Halbfinale erreichen zu können, scheinen einige Mitglieder noch im Jahr 2014 zu leben. Ungarn mag ein vergleichsweise milder Gruppengegner sein, doch Deutschland zählt hinter den Favoriten Frankreich und Portugal zu den Außenseitern in Gruppe F. Die jüngsten Auftritte deuten nicht darauf hin, dass es Löw gelingt, bis zum Turnierstart eine eingespielte Mannschaft zu finden und sie zu Höchstleistungen zu treiben.

Der DFB büßt weiter Glaubwürdigkeit ein

Vielmehr dürfte den Entscheidungsträgern eine ernsthafte Alternative fehlen. Medial wurden Hansi Flick und Jürgen Klopp gehandelt - doch ist die deutsche Nationalmannschaft im Dezember 2020 wirklich eine attraktive Option für einen Trainer dieses Kalibers? Auch ein Thomas Tuchel, dessen Zeit bei Paris St. Germain sich im Sommer dem Ende zuneigen könnte, dürfte lieber bei einem gesunden Spitzenverein anheuern als eine angeschlagene Nationalmannschaft zu übernehmen.

Ernsthafte Alternativen zu Löw scheint es schlicht und ergreifend nicht zu geben - erst recht, wenn die Saison mitten im Gange ist. Aufgrund dessen an ihm festzuhalten, ist nicht verwerflich, allerdings sollte dann zumindest eine glaubwürdigere Pressemitteilung veröffentlicht werden. Doch was Glaubwürdigkeit angeht, besteht beim DFB ohnehin viel Nachholbedarf.