Adi Hütter vor seinem 100. Spiel als Eintracht-Coach: Was er bewegt hat, was sich ändern muss

Im Pokal-Halbfinale gegen den FC Bayern feiert Adi Hütter sein 100. Pflichtspiel als Trainer von Eintracht Frankfurt
Im Pokal-Halbfinale gegen den FC Bayern feiert Adi Hütter sein 100. Pflichtspiel als Trainer von Eintracht Frankfurt / Pool/Getty Images
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Das DFB-Pokal-Halbfinale gegen den FC Bayern in der kommenden Woche wird für Adi Hütter ein ganz besonderes Duell. Kein Trainer in der Geschichte von Eintracht Frankfurt knackte so schnell die Marke von 100 Pflichtspielen wie der Österreicher. "Da kann man, muss man und darf man auch stolz drauf sein", sagt Hütter im Interview mit Sport Bild. Binnen kürzester Zeit hat er viel bei der Eintracht bewegt, doch die Herausforderungen sind größer geworden. 90min wirft einen Blick auf Hütters bisherige Amtszeit und darauf, was sich ändern muss, damit der Verein in der kommenden Saison nicht gegen den Abstieg spielt.

Hütters Zeit in Frankfurt lässt sich als intensive, emotionale und wilde Achterbahnfahrt beschreiben. Der 50-Jährige heuerte als Nachfolger von Niko Kovac bei der SGE an, verwandelte die defensiv ausgerichtete Mannschaft in ein Pressingmonster, das gepusht von den Fans wie verrückt nach vorn spielte und international für Furore sorgte. Zwar schied die Eintracht als amtierender DFB-Pokalsieger in der ersten Runde gegen den SSV Ulm aus, doch mit dem Start der Bundesliga zeigte die Mannschaft ein anderes Gesicht.

In seiner ersten Saison feierte Hütter einen siebten Tabellenplatz, viel größer war die Freude aber über den Einzug ins Halbfinale der Europa League. Nach der historischen Gruppenphase mit sechs Siegen in sechs Spielen wurden Shakhtar Donezk, Inter Mailand und Benfica SL nacheinander ausgeschaltet, gegen den späteren Turniersieger FC Chelsea war erst im Elfmeterschießen Schluss.

Eintracht Frankfurt: Emotionen pur

Das 3-4-1-2-System hat der Mannschaft Flügel verliehen. Auf den Außenbahnen halfen Filip Kostic und Danny da Costa in der Defensive mit, zugleich waren sie zwei der wichtigsten Aktivposten im Offensivspiel. Beherrscht wurden die Angriffe allerdings von Ante Rebic, Sebastien Haller und Luka Jovic. Die Büffelherde erzielte 57 von 94 Pflichtspieltoren und begeisterte mit ihrem blinden Zusammenspiel und der ungeheuren Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor.

Das Wunderkind im Sturm der SGE: Luka Jovic. Seit dieser Saison spielt der 22-Jährige für Real Madrid.
Das Wunderkind im Sturm der SGE: Luka Jovic. Seit dieser Saison spielt der 22-Jährige für Real Madrid. / Chris Brunskill/Fantasista/Getty Images

Doch es gab auch andere Spieler, die Begeisterung ausgelöst haben. Etwa die Rückkehrer Kevin Trapp und Sebastian Rode, die sich mit starken Leistungen einen Platz in der Stammformation erspielt haben und ebenso von den Fans gefeiert wurden wie der vom FC Augsburg aussortierte Martin Hinteregger, der im Januar 2019 ausgeliehen wurde. Der Innenverteidiger avancierte binnen wenigen Wochen zum Publikumsliebling und wurde im Sommer mit einem Vertrag bis 2024 ausgestattet.

Allerdings zeigte die Eintracht bereits zum Ende der vergangenen Saison Abnutzungserscheinungen. Für die intensive Spielweise und den dünnen Kader zollten die Leistungsträger einen großen Tribut. Keines der letzten sieben Pflichtspiele wurde gewonnen, zu Buche standen am Ende vier Niederlagen am Stück - darunter ein 1:5 gegen den FC Bayern am 34. Spieltag.

Abstiegskampf statt Europapokal: Bei der Eintracht hapert es

Genau diese Ergebnisse ziehen sich auch durch diese Saison, in der die Eintracht gegen den Abstieg spielt. Die Ursachen dafür sind vielschichtig: So konnten die Abgänge von Jovic, Haller und Rebic nicht kompensiert werden, zudem schlugen die Mittelfeld-Neuzugänge Djibril Sow und Dominik Kohr nicht wie erhofft ein. Die Hoffnungen ruhen hauptsächlich auf Kostic, der an 28 von derzeit 85 Pflichtspieltoren direkt beteiligt war.

Andererseits hielt Hütter zu lange an seiner entschlüsselten Grundausrichtung fest, zudem zeigte Frankfurt im Spiel gegen den Ball teils unterirdische Leistungen. Keine Leidenschaft, kein Kampfeswille, keine Laufbereitschaft - genau das, was die Mannschaft im Vorjahr ausgemacht hat, ließ sie phasenweise vermissen.

An der Seitenlinie konnte Adi Hütter nicht immer mit der Leistung seiner Spieler zufrieden sein
An der Seitenlinie konnte Adi Hütter nicht immer mit der Leistung seiner Spieler zufrieden sein / Pool/Getty Images

Daher stellte Hütter zur Rückrunde auf Viererkette um, nach vier Pleiten in Serie folgte zuletzt aber wieder die Rückkehr zur Dreierkette. Nach einem furiosen 3:3 gegen Eintracht Frankfurt gelang ein 2:1-Sieg beim VfL Wolfsburg. Vor dem Nachholspiel gegen Werder Bremen am Mittwoch schöpfen alle neuen Mut im Abstiegskampf, in dem sich die SGE mit 32 Punkten auf Platz 12 befindet.

"Wir sind in einer Situation, von der wir uns nicht vorgestellt haben, dass wir da hineinkommen", so Hütter gegenüber der Sport Bild. Den Glauben an seine Spieler hat er aber nicht verloren: "Ich finde, dass das 3:3 gegen Freiburg gezeigt hat, dass schon noch Zauber übrig und die Mannschaft intakt ist. Aber wir bekommen zu viele Gegentore. Das bringt uns um die Früchte unserer Arbeit."

Apropos Gegentore: 77 hat die Eintracht in dieser Saison kassiert, und damit bereits vier mehr als in der abgelaufenen Spielzeit. In elf von 47 Pflichtspielen fielen mindestens drei Gegentore, in der vergangenen Saison war dies in 50 Partien achtmal der Fall. Defensivprobleme, die vom stets gefährlichen Angriff kaschiert wurden, sind in dieser Saison offensichtlicher.

Was sich für den Klassenerhalt und die neue Saison ändern muss

Eng am Mann sein, energisch in die Zweikämpfe gehen, kompakt stehen - darauf kommt es für die Eintracht im Saisonfinale an. In den letzten sechs Spielen geht es gegen Bremen, Mainz, Schalke, Hertha BSC, Köln und Paderborn. Auf dem Papier sind mindestens zehn Punkte drin - die sind aber auch nötig, wenn der direkte Klassenerhalt gelingen soll.

Zudem muss der Kader optimiert werden, sofern das in der aktuellen Krise überhaupt möglich ist. Ob Neuzugang Ragnar Ache und Rückkehrer Dejan Joveljic für den Sturm ausreichen, darf Stand jetzt angezweifelt werden. Ebenso braucht es eine Alternative zu Kostic, womöglich sogar noch einen Mann für die Mittelfeldzentrale sowie einen Verteidiger.

Potentielle Neuzugänge müssen charakterlich zur Eintracht und zu Hütters Spielweise passen. Es braucht neue Laufmonster mit Kämpferherz, die im Pressing Druck erzeugen und nach erfolgreicher Balleroberung blitzschnell umschalten. Dann dürfte wieder erfolgreicherer Fußball in der Main-Metropole gespielt werden.