90min diskutiert: Sollte der BVB Erling Haaland schon diesen Sommer verkaufen?

Europas Eliten jagen Erling Haaland
Europas Eliten jagen Erling Haaland /
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Erling Haaland gab vor exakt einem Jahr sein Debüt für Borussia Dortmund. In Augsburg erzielte der mittlerweile 20 Jahre alte Norweger nach Einwechslung in nur 34 Minuten einen Dreierpack und drehte die Partie für Schwarz-Gelb im Alleingang.

Es war ein erster Beleg dafür, warum der Torjäger in ganz Europa begehrt gewesen war. Die Borussia bekam am Ende den Zuschlag und stattete Haaland mit einem langfristigen Vertrag bis 2024 aus. Zu bekommen war der Norweger aber nur deshalb, weil er sich eine Ausstiegsklausel zusichern ließ: Offenbar kann Haaland ab Sommer 2022 für kolportierte 75 Millionen Euro den Verein verlassen.

Nach 35 Toren in 35 Pflichtspielen für den BVB sind Europas Eliten aber jetzt schon brandheiß auf den Knipser. Barça und Real lecken sich ebenso wie Manchester United und Manchester City seit geraumer Zeit die Finger. Nun berichtet das seriöse Portal The Athletic, dass auch der FC Chelsea Haaland will - im Sommer 2021! Die Blues würden damit einen weiteren Rekord-Einkauf tätigen wollen, nachdem vergangenen Sommer Kai Havertz für rund 100 Millionen Euro an die Stamford Bridge gewechselt war.

Die große Frage lautet also: Sollte der BVB schon diesen Sommer schwach werden und eine deutlich höhere Ablöse einstreichen? Oder sollte man Haaland unbedingt ein weiteres Jahr halten? Die 90min-Redaktion diskutiert:


"Der BVB ist zu abhängig von Haalands Toren. Und die sind wichtiger als eine höhere Ablöse!"

Simon Zimmermann, 90min-Redaktion

Der BVB kann sich nicht leisten, Erling Haaland schon diesen Sommer abzugeben. Und zwar vor allem aus finanziellen Gründen! Klingt komisch? Ist aber so!

Denn ohne Erling Haaland fehlt der Borussia die Durchschlagskraft. Bei seinem jüngsten Fehlen wurde das mehr als offensichtlich. Keine Haaland-Tore = weniger Erfolg - so einfach ist die Rechnung. Und wenn der Erfolg geringer wird, hat das weitreichende Konsequenzen. Die nationale Konkurrenz ist vielleicht so nah dran wie nie in den letzten Jahren. Oder im Falle von RB Leipzig mindestens auf Augenhöhe. Die Gefahr, sich nicht für die Champions League zu qualifizieren, wäre für den BVB ohne Haaland ungleich höher. Und der finanzielle Schaden immens.

Gerade in Corona-Zeiten (leider aktuell mehr als nur eine Phrase) kann sich der BVB ein Jahr ohne Königsklasse schlicht nicht leisten. Zu groß sind mittlerweile die Kosten des Kaders, zu hoch die Einnahmen in der Champions League. Was nutzen da 40 bis 50 Millionen Euro mehr in der Tasche, die man später doppelt wieder verliert? Zumal man dann auch in einen Nachfolger investieren müsste. Und selbst vielversprechende Talente, die im Bestfall auch noch sofort weiterhelfen sollen, kosten heutzutage mehr als ordentlich. Haalands Transfer war hier ein Glücksfall und dank der Ausstiegsklausel möglich.

Ein sofortiger Haaland-Ersatz kostet viel Geld

Der BVB hat es zwar in der Vergangenheit immer geschafft, auf Abgänge zu reagieren. In diesem Sommer scheint das aber nicht im gleichen Maße möglich - auch wenn positive Überraschungen natürlich nicht ausgeschlossen wären. Aber Haaland ist bis auf wenige Ausnahmen schon Weltklasse. 35 Tore in 35 Spielen. Mehr muss man nicht sagen oder schreiben! Zu sagen, dass man bei einem Haaland-Abgang mit einem Downgrade im Sturmzentrum leben müsste, wäre keine steile These.

Hinzu kommt noch die Entwicklung von Youssoufa Moukoko. Der 16-Jährige kann im Windschatten den Norwegers immer mal wieder reingeworfen werden und steht medial nicht ganz so sehr im Fokus. Geht Haaland, richten sich die Blicke wieder zwangsläufig mehr auf Moukoko. Auch das sollten die BVB-Verantwortlichen vermeiden.

Hauptargument bleibt aber der Norweger selbst. Dortmund braucht Haaland. So einfach ist das aktuell. Wenn im Sommer 2022 die Corona-Situation dann hoffentlich wieder deutlich besser ist und eine längerfristige Planung möglich, kann man Haaland für 75 Milliionen Euro verabschieden. Denn dass er irgendwann geht, scheint zwangsläufig. Mit dieser Ablöse und der erneuten CL-Quali im Rücken kann die Borussia auch entspannter einen Nachfolger suchen. Zumal diese Suche dann von langer Hand geplant sein könnte.


"Stimmt der Preis, muss der BVB Haaland vorzeitig ziehen lassen. Die Mehreinnahmen kann man sich nicht entgehen lassen."

Jan Kupitz, 90min-Redaktion

Vorweg: An Haalands Qualität und seiner Bedeutung für den BVB gibt es nicht den geringsten Zweifel! Und trotzdem sollte man am Rheinlanddamm einen Verkauf im Sommer 2021 in Erwägung ziehen - sofern die Meldungen aus England stimmen und Chelsea für den Norweger tatsächlich eine vereinsinterne Rekordsumme auf den Tisch legen würde.

Und um festzuhalten: Für 90 oder 100 Millionen Euro (und somit nur knapp über der Ausstiegsklausel 2022) würde ich Haaland natürlich auch nicht vorzeitig verkaufen, dafür ist er viel zu gut. Sollte aus London aber ein Angebot hereinflattern, das bei 120, 130 oder gar 140 Millionen Euro liegt, ist die Sachlage eine andere. Denn für ein Jahr länger oder kürzer um die 50 bis 60 Millionen Euro mehr einzunehmen, darauf kann auch Borussia Dortmund nicht verzichten.

Zumal ja auch nicht gesichert ist, dass Haaland - bei aller Qualität, die er besitzt - jetzt jahrelang so weiter ballert wie bisher. Man vergisst häufig, dass der Norweger erst 20 Jahre jung ist! Genau so alt wie Jadon Sancho, der sich zuletzt monatelang in einem Formtief befand und längst nicht an die Leistungen aus der Saison 2019/20 anknüpfen konnte. Solche Schwankungen sind normal für junge Spieler - und werden auch Haaland irgendwann einmal treffen. Erst recht, wenn in den Medien wöchentlich neue Transfergerüchte um die eigene Person hochkochen.

Man stelle sich vor, der BVB verzichtet auf die dicke Kohle und Haaland fällt in ein Loch. Wie eben Sancho. Statt durchschnittlich zwei Treffern in drei Spielen (die bei seiner Qualität runtergerechnet allemal drin sind) hat er eine Durststrecke von fünf, sechs Partien - wie sie jeder Stürmer einmal hat. Dann wird auch das Geschrei der Fans groß sein: "Der ist mit seinem Kopf woanders! Der hat keinen Bock mehr!"

Und wer jetzt meint: "So ein Schwachsinn, Haaland ist unantastbar", der soll mal in die sozialen Medien schauen und nachsehen, was in den vergangenen Monaten nicht alles über Sancho geschrieben wurde...

Im heutigen Fußball bestimmt einzig und allein die Kohle - und wenn die stimmt, sollte der BVB Haaland ziehen lassen. Denn langfristig muss Schwarz-Gelb sowieso ohne ihn auskommen. Warum sich dann also nicht extra fürstlich entlohnen lassen, wenn es möglich ist?

Einen Nachfolger wird Dortmund ebenfalls finden, da bin ich sicher. Denn bislang wurde noch jeder Abgang, und war er noch so schmerzhaft, vom BVB mit Bravour kompensiert.