90min diskutiert: Gladbach-Fans schießen erneut gegen Rose - Gelungene Botschaft oder deplatzierte Schmähkampagne?

Marco Rose scheint die Fans zu spalten
Marco Rose scheint die Fans zu spalten / Lars Baron/Getty Images
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Nachdem der Fanprojekt Mönchengladbach (FPMG) Supporters Club sich zuletzt eher ruhig verhielt, veröffentlichte er nun ein klares Statement zu den aktuellen Umständen der Weiterbeschäftigung von Marco Rose als Trainer von Borussia Mönchengladbach.

Stellt sich der FPMG Supporters Club zu Recht als Sprachrohr der momentan im Stadion unzulässigen Fans auf oder verkennen die Fanvertreter ihre Rolle als Bindeglied? 90min diskutiert.


Nachdem sich der FPMG Supporters Club auch in Person des neuen "starken Mannes" Michael Weigand schon kurz nach der Bekanntgabe des Wechsels von Trainer Marco Rose zum BVB im Gespräch mit Sky dazu entschloss, die sofortige Freistellung Roses zu fordern, verhielt man sich bis auf ein beleidigendes Banner erstaunlich ruhig.

Die Ergebnis-Krise des Klubs in den letzten Wochen spielt der Fan-Vereinigung nun jedoch wieder in die Karten und in seiner aktuellen Stellungnahme bekräftigt der FPMG Supporters Club seine Bedenken die nähere Zukunft der Borussia betreffend.

"Es war allen klar: Andauernde Unruhe gefährdet die Saisonziele. Aber dafür, dass diese Saisonziele nun nicht mehr zu erreichen sind, haben mittlerweile schon andere gesorgt", begründet die Vereinigung den neuerlichen Schritt an die Öffentlichkeit.

Dabei verzichtete man jedoch auf jegliche Forderungen und versuchte in erster Linie, den Tenor vieler Anhänger in einer schriftlichen Bitte an die Verantwortlichen der Borussia zu richten.

"Für den FPMG Supporters Club e.V. ist es unerträglich, diesem Schauspiel weiter zuzusehen. Uns ist die Sinnhaftigkeit der Fortsetzung eines offensichtlich gescheiterten Projektes auch nicht wirklich bewusst. Wir bevorzugen in diesem Kontext lieber ein konsequentes Ende als ein weiteres Dahindümpeln Richtung untere Tabellenhälfte. Wir machen uns Sorgen um unseren Verein, dem wir bereits in drei Jahren Zweiter Liga die Treue hielten, den wir am Leben erhielten", heißt es im Wortlaut.

Dennoch lässt sich über die Sinnhaftigkeit des Statements vortrefflich streiten.


Der FPMG Supporters Club bündelt viele Gedanken der derzeit stummen Fanszene

"Auch wenn der FPMG Supporters Club sich nun überzogen polemisch und wenig zielführend zu Wort meldet, so hat er doch mit seinen Bedenken den Nerv der Menschen getroffen, die bei vollen Stadien längst für einen schnellen Abgang Roses gesorgt hätten."

Christian Gaul, 90min-Autor

Eines vorweg: Den amtierenden Cheftrainer des eigenen Vereins öffentlich als "Schwein" zu bezeichnen, ist keine Form der Meinungsäußerung, die auch nur ansatzweise mit den Werten der Borussia harmoniert.

Sicherlich tat der FPMG Supporters Club gut daran, nach den anfänglichen Forderungen nach einer sofortigen Freistellung Roses erst einmal die nächsten Ergebnisse abzuwarten und sich weitere Formen des Protests zu verkneifen.

Doch mittlerweile ist die Borussia 15. der Rückrundentabelle, aus den letzten fünf Liga-Partien holte man nur zwei Punkte und verlor dabei die Heimspiele gegen Köln und Mainz. Im DFB-Pokal schied man ausgerechnet gegen Roses zukünftigen Arbeitgeber aus und in der Champions League muss ein Wunder gegen Man City her.

Sollte Rose nicht schnell die Kurve bekommen, wird Gladbach am Ende der Saison höchstwahrscheinlich nichts vorweisen können, was wankelmütige Spieler von einem Verbleib überzeugen könnte. Viele Anhänger forderten schon vor Wochen einen sofortigen Tausch auf der Trainerbank, da ihnen nicht Roses Wechsel per se gegen den Strich ging, sondern wie sich der scheidende Trainer in Interviews und am Spielfeldrand präsentierte.

Marco Rose
Marco Rose steht schon länger in der Kritik / Stuart Franklin/Getty Images

"Wir sehen uns als diejenigen, die immer da sind, während Trainer und Spieler kommen und gehen. Daher ist unsere Verantwortung für den Verein größer als oftmals transportiert. Aus dieser Verantwortung heraus haben wir wie dargestellt im Sinne der zu erreichenden Ziele geschwiegen, und aus dieser Verantwortung heraus wollen wir nun nicht tatenlos zusehen, wie die rücksichtslose Karriereplanung eines überehrgeizigen Trainers mit seinem Stab unserem Verein für den Rest der Saison schadet", bündelt der FPMG Supporters Club die Meinung vieler, jedoch nicht aller, Anhänger der Gladbacher.

Rund um Roses offizielle Abschiedserklärung scheint das Team wie ausgewechselt, während man die letzten Ergebnisse gegen starke Gegner nicht überbewerten muss, war es vielmehr die Art und Weise, wie die Mannschaft auftrat. Ängstlich, fahrig und offensiv planlos war man nicht nur gegen City oder in der zweiten Hälfte in Leipzig. Auch gegen Köln und Mainz verlor man nicht unglücklich, weil man die eigenen Chancen nicht nutzte, sondern weil man kaum vor das gegnerische Tor kam und hinten - wie schon in der gesamten laufenden Saison - einfach nicht fehlerfrei bleibt.

Meines Erachtens steht Roses unbefriedigend kommunizierter Wechsel zum BVB im direkten Zusammenhang mit der seit Wochen andauernden sportlichen Talfahrt der Borussia. Dass der Trainer von seiner Klausel Gebrauch macht, ist dabei nicht zu kritisieren. Es geht eher um die Form der Außendarstellung, die Rose wählte und sich damit bei vielen Anhängern unbeliebt machte.

Auch wenn der FPMG Supporters Club sich nun überzogen polemisch und wenig zielführend zu Wort meldet, so hat er doch mit seinen Bedenken den Nerv der Menschen getroffen, die bei vollen Stadien längst für einen schnellen Abgang Roses gesorgt hätten. Das Projekt mit Rose ist - auch aufgrund der kommunikativen Fehler des Trainers - gescheitert und dies zeigt sich in den aktuellen Ergebnissen.

Eberls Bekenntnis, die Saison mit Rose beenden zu wollen, ist anhand der aktuellen Lage zurecht infrage zu stellen - und wenn nur allein aus sportlicher Sicht.


Der FPMG Supporters Club übernimmt sich mit seiner Kritik und teilt Tiefschläge gegen Rose und sein Team aus

"Rose wird zu einem Sündenbock gemacht und ich bin mir sicher, dass die Fans kaum versöhnlicher wären, wenn die Ergebnisse aktuell stimmen würden. Viel eher glaube ich, dass die Gladbacher Durststrecke für viele Anhänger eine willkommene Plattform bietet, um ihren Frust zu adressieren."

Oscar Nolte, 90min-Redakteur

Eins vorweg: mir ist's wurscht, was sportlich bei Gladbach passiert. Klar, es läuft aktuell nicht. Ob die Reißleine bei Marco Rose gezogen werden sollte, ist Aufgabe von klügeren Köpfen (Max Eberl). Das ist nicht meine und auch nicht die der Fans. Selbstredend hat gerade die Meinung der Anhänger in einem Verein wie Borussia Mönchengladbach viel Gewicht und möchte gehört werden. Ich lese aus den Pöbeleien des FPMG Supporters Club aber keine differenzierte Kritik heraus, sondern eine leidenschaftliche Schmähkampagne gegen Marco Rose - motiviert durch die Enttäuschung seines Abgangs und getarnt hinter ausbleibendem sportlichen Erfolg.

Den Nagel auf den Kopf trifft für mich der Twitter-User "Lahmsteiger":

Dass Marco Rose seinen Abschied in den Augen vieler Fans unglücklich kommuniziert hat, ist der Situation geschuldet. Informationen über Roses Ausstiegsklausel sickern durch, zudem brennt in Dortmund der Baum und spätestens als Ecki Häuser Lunte gerochen hat, hatte Gladbach den Rose-Salat. Um diesen Atomsprengkopf zu entschärfen, hätte Rose sich klar zur Borussia (aus Mönchengladbach) bekennen müssen. Dass er dies im Schatten einer Ausstiegsklausel und der Bereitschaft eines ziemlich attraktiven Arbeitgebers, diese zu ziehen, nicht sofort getan hat, ist absolut nachvollziehbar.

Seine Entscheidung pro Dortmund ist nicht zu kritisieren. Wer das tun möchte, dem schicke ich die Telefonnummer von Uli Hoeneß, der haut' dir dann das Grundgesetz um die Ohren. Der kommunikative Fahrplan bezüglich Roses Entscheidungsfindung wurde sicher nicht nur von Rose allein, sondern auch von Max Eberl und anderen Verantwortlichen geschrieben. Und ich bin mir sicher, dass, als die finale Entscheidung feststand, Gladbach auch entsprechend zügig reinen Tisch gemacht hat.

Der Ärger - und als Fußballfan kann ich diesen so gut nachempfinden - darüber, dass der eigene Trainer zu einem vermeintlich besseren Verein wechselt, ist das, was diesen Sport so leidenschaftlich macht. Ein bisschen Stunk ist okay, das Gladbacher Fanprojekt bugsiert ihre Wut auf das System aber auf eine Ebene, die nicht zu tolerieren ist. (Cyber)-Mobbing, Schmähungen und populistische Kampagnen gegen Personen sind ein Unding und ich erkenne Grundzüge dessen in der "Kritik" an Marco Rose und Team. Rose wird zu einem Sündenbock gemacht und ich bin mir sicher, dass die Fans kaum versöhnlicher wären, wenn die Ergebnisse aktuell stimmen würden. Viel eher glaube ich, dass die Gladbacher Durststrecke für viele Anhänger eine willkommene Plattform bietet, um ihren Frust zu adressieren.

In ihrem Statement arbeitet das Gladbacher Fan-Projekt die sportliche Komponente doch recht zügig ab. 'Läuft scheiße, Trainer muss weg. Wie's weitergeht? Keine Ahnung, hauptsache Trainer raus" - ist in etwa die Zusammenfassung der sportlichen Kritik. Darüber hinaus beschreibt die Gruppierung Roses Entscheidung, Gladbach zu verlassen, als "rücksichtslose Karriereplanung eines überehrgeizigen Trainers mit seinem Stab."

Dass Taktiktrainer Rene Maric irgendwann nach dem Abpfiff noch einige freundliche Worte mit Ex-Schützling (arbeiteten bei RB Salzburg zusammen) Erling Haaland hielt, bringt das FPMG so richtig auf die Palme. Es sei "unerträglich, diesem Schauspiel weiter zuzusehen" und ohnehin habe Maric keine emotionale Verbindung zu Gladbach. An die Fußball-Romantiker hinter diesen Zeilen: die Zeiten, in denen Werner Lorant nach einer Niederlage das gegnerische Maskottchen aufgefressen hat, während Walter Frosch mit Kippen im Socken ins Mikrofon geröhrt hat, sind vorbei. Dass Maric noch die Fassung hat, auch nach dem Ausscheiden im DFB-Pokal, um mit einem alten Bekannten zu plaudern, ist nun wirklich kein Grund, um den Stab über ihm zu brechen.

Sollte Max Eberl die Entscheidung treffen, Marco Rose und Team aufgrund ausbleibenden Erfolges noch vor dem Saisonende zu entlassen, bin ich der Letzte, der diese Entscheidung hinterfragt. Für mich ist die Sachlage abseits davon aber klar: Rose hat von Anfang an klar kommuniziert (Eberl hat ihm die Ausstiegsklausel sicher nicht aufs Auge gedrückt), dass er seine Zelte in Gladbach bei einem passenden Angebot schon in diesem Sommer abbrechen könnte. Bis jetzt ist Marco Rose seiner Arbeit als Gladbach-Coach leidenschaftlich und bis vor wenigen Wochen außerordentlich erfolgreich nachgegangen.

Daher möchte ich den Spieß mal umdrehen: Vielleicht seid ihr es ja, liebes Gladbacher Fan-Projekt, dass für die Scheiß-Stimmung verantwortlich ist. Und damit basta, Uli und ich müssen jetzt noch ein paar VIP's in den Logen die Scheine aus den Taschen ziehen, damit ihr auch nächste Saison für 'nen Zehner stehen dürft.