Schalke vs. Dortmund: Wer im Revier-Derby die Nase vorn hat
Von Florian Bajus
Am Samstagnachmittag erwartet Fußball-Deutschland die Mutter aller Derbys. Während Gastgeber Schalke 04 das Duell mit dem Revier-Nachbarn aus Dortmund kaum erwarten kann, kommt die Ansetzung für den BVB zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In einem aufgrund der Rivalität beider Klubs geladenen Spiel lastet ein enormer Druck auf Lucien Favre, mit zunehmender Frustration nehmen die Fans die Eigenheiten des Trainers zur Kenntnis. Die jüngsten Auftritte lassen nur wenig Hoffnung auf ein Erfolgserlebnis zu.
Es dauert nicht mehr lange, dann steht das Ruhrgebiet für 90 Minuten still. Am neunten Spieltag empfängt der FC Schalke 04 Borussia Dortmund zum 95. Revier-Derby seit dem Bestehen der Bundesliga, ausgeglichener könnte die Bilanz kaum sein: 33 Mal gewann der BVB, 32 Mal S04 - 29 Mal wurde kein Sieger gefunden.
Siege über Schalke sind trotz der spielerischen und individuellen Überlegenheit der Dortmunder eine Seltenheit geworden. Im Fußballjahr 2015 feierte Schwarz-Gelb zwei Stück in Serie, seitdem kam nur ein einziger hinzu. Nach vier aufeinanderfolgenden Remis - darunter das verrückte 4:4 im November 2017 - errang die Mannschaft von Lucien Favre am achten Dezember vergangenen Jahres einen 2:1-Auswärtssieg. Das letzte Derby entschied Schalke, das gegen den Abstieg kämpfte, wiederum für sich; mit dem 4:2-Erfolg wurde ein riesiger Schritt in Richtung Klassenerhalt getan, Dortmund hingegen verlor entscheidende Punkte im Kampf um die Meisterschaft.
Umgekehrte Ausgangslage
Am Samstag stehen die Vorzeichen anders. Unter David Wagner erlebte S04 einen sehr guten Start mit 14 Punkten aus acht Spielen, der BVB dagegen kriselt. Zwei Siege aus den vergangenen sieben Pflichtspielen sind zu wenig für die hauseigenen Ansprüche, die Stimmung ist nicht nur aufgrund des vierten Tabellenplatzes angespannt.
Alle Augen richten sich auf Favre. Nach der 0:2-Pleite bei Inter Mailand wird die Kritik lauter, der Druck größer. Der kontrollierte Ballbesitz ohne Tempo und jegliche Gefahr für den Gegner löste Unverständnis bei den Fans aus, die zudem immer wieder über die Personalentscheidungen des Trainers rätseln: Warum spielte ein Julian Brandt auf der Stürmerposition, nicht aber Mario Götze? Warum ging Favre erst in den letzten 20 Minuten des Spiels verstärkt Risiko ein? Warum fehlte auf den Flügeln die Tiefe, im letzten Drittel die Breite, auf dem gesamten Spielfeld die Körpersprache? Und warum spielt die Mannschaft ihr Spiel bei einer Führung zu selten konsequent zu Ende und lässt sich Meter um Meter in den eigenen Strafraum drücken?
Im Blickpunkt der Kritik: Besonders bei den Fans büßt Lucien Favre immer mehr an Kredit ein.
Vor einem Jahr war der BVB für überfallartigen, blitzschnellen Kombinationsfußball bekannt - davon ist nur noch sehr wenig übrig. Schalke hat sich derweil vom defensiv eingestellten Fußball gelöst, spielt unter Wagner ein hohes, aggressives Pressing. Leistungs- und Laufbereitschaft, Wille, Biss in den Zweikämpfen, mannschaftliche Geschlossenheit - vieles von dem, was in Dortmund vermisst wird, findet man derzeit auf Schalke.
Obwohl sich der Kader im Sommer kaum veränderte, zeigt die Mannschaft ein völlig anderes Gesicht, feierte zwischenzeitlich vier Siege in Folge. Am vergangenen Wochenende dominierte sie gegen 1899 Hoffenheim, verpasste es allerdings, Kapital aus der Überlegenheit zu schlagen. Abgesehen von der jüngsten Niederlage aber stimmt vieles im königsblauen Lager.
Trend pro Schalke
Das Momentum spricht daher für Schalke. Nach zwei sieglosen Spielen will die Mannschaft wieder drei Punkte holen; gibt es eine bessere Gelegenheit, als ein Heimspiel gegen den BVB, der sich seit Wochen nicht mit Ruhm bekleckert?
Gegen offensive Gegner erspielt sich die Dortmunder Mannschaft zahlreiche Chancen, gegen eine kompakte Defensive aber tut sich die hochdekorierte Offensive deutlich schwerer. Kein Wunder, dass Inter-Torwart Samir Handanovic am Mittwochabend nur zweimal eingreifen musste. Schalke hat bereits bei RB Leipzig bewiesen, was mit einer leidenschaftlichen Defensivarbeit und einem starken Umschaltspiel möglich ist. In puncto Konterabsicherung müssen Favre und die Seinen auf jeden Fall gewappnet sein.
Für einen schwarz-gelben Erfolg spricht derzeit wenig. Das soll nicht bedeuten, dass Schalke als Favorit in die Partie geht, viel mehr ist mit einer völlig ausgeglichenen Begegnung zu rechnen. Es wird vor allem darauf ankommen, wie lange es Schalke schafft, das Angriffsspiel der Dortmunder durch eine disziplinierte Arbeit gegen den Ball zu unterbinden. Ist dies der Fall, ist der zweite Derby-Sieg in Folge realistisch.