Beckenbauer-Kritik: Zustimmung von Kimmich - Alaba kritisch
Von Florian Bajus
Über die gesamte Spielzeit schien der Sieg des FC Bayern München gegen Hannover 96 nicht wirklich in Gefahr, doch besonders nach dem Seitenwechsel bot der Rekordmeister wie bereits in der Vorwoche beim Auswärtsspiel gegen den 1. FC Nürnberg eine eher dürftige Vorstellung gegen den Tabellenletzten, der nach der Gelb-Roten Karte gegen Jonathas die Partie mit zehn Mann beenden musste. Der im Vorfeld geäußerten Kritik von Franz Beckenbauer stimmte Joshua Kimmich aufgrund der gestrigen Leistung zu, David Alaba hingegen sah den Kaiser nicht im Recht.
Dass die Saison 2019/20 kein Spaziergang werden würde, hätte allen Beteiligten trotz des starken Auftakts mit sieben Siegen aus den ersten sieben Spielen bewusst sein müssen. Niko Kovac, ein junger und vergleichsweise unerfahrener Trainer, übernahm den ältesten Kader der Bundesliga, der zwar vor Erfahrung nur so strotzt, aufgrund der vergangenen Jahre, in denen die Bayern seit 2013 stets Meister wurden, drei Mal den DFB-Pokal gewannen und sich nach zwei Meisterschaften von Borussia Dortmund das Triple unter Jupp Heynckes sicherten, in diesem Jahr allerdings gesättigt wirkte.
Nicht zuletzt seit der Weltmeisterschaft lieferten Spieler wie Jerome Boateng, Mats Hummels oder Thomas Müller nicht ihre gewohnte Leistung ab, auch Manuel Neuer und Javi Martinez ließen besonders in der Hinrunde zu Wünschen übrig. Die Bayern erlebten im vergangenen Herbst ihre wohl größte Krise seit langer Zeit, nicht einmal unter Carlo Ancelotti begann der Rekordmeister auf solche Weise zu stolpern.
Muss seine Mannschaft Woche für Woche bändigen: Niko Kovac.
Seit dem immer wieder als ausschlaggebenden Faktor ausgemachten 3:3 gegen Fortuna Düsseldorf stimmen die Ergebnisse zwar größtenteils, die Leistungen aber schwanken noch immer. Gerade gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel fehlt oftmals ein Plan B, die tiefgestaffelte Defensive wird unter Kovac nicht mehr so bespielt wie unter dessen Vorgängern. Ohnehin verfolgt der 47-Jährige einen anderen Ansatz, schließlich verlagerte er den Schwerpunkt in die eigene Hälfte, um vor allem in der Defensive wenig anbrennen zu lassen.
Die Realität aber sieht anders aus: Nach 32 Spieltagen kassierte die Mannschaft 31 Gegentore, mehr standen in diesem Jahrzehnt zu diesem Zeitpunkt nur am Ende der Saison 2010/11 auf dem Konto (38). Die noch zu erreichende Maximal-Ausbeute von 80 Punkten würde die 'schwächste' Meisterschaft seit 2015 bedeuten, als am Ende 79 Zähler auf der Habenseite waren.
Für Franz Beckenbauer haben vor allem die Spieler einen großen Anteil an der schwachen Saison.
Am angelangten Ende des so erfolgreichen Zyklus, der 2009 von Louis van Gaal initiiert wurde, stolpern die Münchner zum möglichen Double. Im Gegensatz zu einigen Teilen der Fans, die Kovac in den sozialen Medien als Hauptverantwortlichen für diese Spielzeit ausmachen, sieht Franz Beckenbauer die Schuld bei den Spielern selbst: "Es ist nicht leicht, die Mannschaft zu trainieren. Es ist eine verwöhnte Truppe", so der 73-Jährige im Vorfeld der Partie laut Bild.
"Wenn ich sehe wie in der Champions League oder in der Europa League gefightet wird, da meint man bei den Bayern manchmal die Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft zu sehen. Die Kritik müssen sie sich gefallen lassen, das ist einfach so. Sie hätten den Sack schon längst zumachen können. Das sind Nachlässigkeiten, ich weiß auch nicht warum. Aber das interessiert mich auch nur noch am Rande", so Beckenbauer, der dabei auch Kovac in die Pflicht nimmt: "Abgerechnet wird am Schluss, Niko Kovac kann noch allen die lange Nase zeigen. Aber er muss es halt auch schaffen."
Kimmich stimmt zu - Alaba widerspricht
Zustimmung erhielt Beckenbauer vor allem von Joshua Kimmich. Der Außenverteidiger bemängelte nach der Partie die Leistung der Mannschaft, die "in sehr vielen Spielen" nicht ihr Potential entfaltet habe. "Herr Beckenbauer war ein Riesenspieler und ein Riesentrainer. Wenn Herr Beckenbauer das so sagt, dann ist das eindeutig. [...] In der ersten Halbzeit war das okay, in der zweiten wenig. Unter dem Strich hatten wir in dieser Saison zu viele Spiele, in denen wir nicht auf unserem höchsten Leistungsniveau agiert haben" (via Spox).
David Alaba hingegen sieht eine Leistungssteigerung in den vergangenen Monaten. "Woche für Woche" stelle man unter Beweis, dass man die Saison "erfolgreich" beenden wolle, weshalb Beckenbauer "nicht zu 100 Prozent" recht habe. "Dass es nicht einfach wird, war uns spätestens nach der Hinrunde bewusst", fuhr der Österreicher fort.
Klar ist aber auch, dass die Chance, die Saison mit dem Double zu beenden, die Leistung insgesamt nur wenig schmälert. Doch nicht nur die Spieler sind gefordert, auch der Trainer: Kovac wird die Neuzugänge integrieren, eine noch klarere Spielidee entwickeln und besonders an einem Plan B arbeiten müssen, um von der Seitenlinie aus noch aktiver eingreifen zu können. Sollte dies gelingen, kann er eine neue Ära beim FC Bayern einläuten, andernfalls droht eine erneut schwierige Saison.