Pavlovic als Mittelfeld-Leader gefordert: Kann er Kimmich ersetzen?

Aleksandar Pavlovic durfte gegen Luxemburg und Nordirland von Beginn an ran. Doch kann der Youngster Joshua Kimmich im Mittelfeld des DFB-Teams wirklich ausreichend ersetzen?
Welche Rolle kann Aleksandar Pavlovic im DFB-Team einnehmen?
Welche Rolle kann Aleksandar Pavlovic im DFB-Team einnehmen? / Alexander Hassenstein/GettyImages
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Die Frage, ob Joshua Kimmich im DFB-Team ins Mittelfeld oder auf die Rechtsverteidigerposition gehört, beschäftigt nicht nur Julian Nagelsmann, sondern so ziemlich jeden deutschen Fußballfan. Der Bundestrainer wirkt unentschlossen, weil er genau weiß, dass eine Leader-Figur wie Kimmich im Mittelfeld sehr wichtig sein kann. Genauso weiß er aber auch, dass es hinten rechts keinen anderen Spieler gibt, der über gehobene internationale Klasse verfügt.

Tatsächlich kann die Antwort auf die Kimmich-Frage vielleicht nur einer geben: Die Rede ist von Bayern-Youngster Aleksandar Pavlovic. Spielt Kimmich rechts hinten, benötigt es einen Mittelfeldspieler, der im Zentrum das Zepter in die Hand nimmt, die Bälle fordert, verteilt und dem Spiel Struktur verleiht.

Viele solche Typen gibt es im DFB-Team aktuell nicht. Die Lösung kann auf jeden Fall nicht Leon Goretzka lauten, weil dieser schlichtweg kein Akteur ist, der im Spielaufbau glänzen und den Angriffen Struktur verleihen kann. Auf Abräumer-Typen wie Robert Andrich oder (mit Abstrichen) Allrounder wie Felix Nmecha trifft ähnliches zu. Bedenkt man, dass Pascal Groß seinen Zenit inzwischen überschritten hat und beim BVB nur Ersatz ist, bliebe nur die junge Garde um Aleksandar Pavlovic, Tom Bischof und Angelo Stiller übrig.

Während Bischof nur für die U21 nominiert wurde und beim FC Bayern kaum Einsatzzeiten erhält, durfte Stiller in den letzten beiden Länderspielen keine Minute lang ran. Ganz anders Aleksandar Pavlovic: Der 21-Jährige durfte zweimal von Beginn an auflaufen. Doch ist der Münchner schon reif genug, um eine Leader-Rolle im Mittelfeld übernehmen zu können?

Pro: Pavlovic spielt sicher und zeigt keine Nervosität

Schon in den ersten Einsätzen von Aleksandar Pavlovic wurde deutlich, dass sich er sich von nichts und niemanden so leicht aus der Ruhe bringen lässt. Unabhängig von der Klasse des Gegners zeigt sich Pavlovic auch in Drucksituationen souverän am Ball und findet stets Lösungen.

Nicht umsonst kommt er auf eine Passquote von knapp 95 Prozent in der laufenden Bundesliga-Saison. Zu Nervosität oder hektischen Aktionen neigt er keineswegs, obwohl er handlungsschnell ist und den Ball selten zu lange hält. Dies sind natürlich äußerst wichtige Qualitäten, wenn es gegen die großen Gegner geht.

Kontra: Pavlovic ist kein lautstarker Führungsspieler

Im Vergleich zu Joshua Kimmich, der seine Emotionalität nach außen trägt und sich und seine Mitspieler anpeitscht, ist Pavlovic eher ein ruhiger Vertreter. Der Youngster ist keineswegs ein Lautsprecher auf dem Platz, der antreibt und sich auch mit dem Gegner mal ein Wortgefecht liefert. Der 21-Jährige kann zwar im Zweikampf schon auch mal zulangen, ist aber gewiss keiner, der seinen Gegenspielern in irgendeiner Art und Weise das Fürchten lehrt. So die ganz großen Zeichen, wenn es mal nicht läuft, sollte man sich von Pavlovic nicht erwarten. Ein wenig fehlt eben auch noch die Erfahrung.

Pro: Pavlovic verfügt über eine große Spielintelligenz

Gewissermaßen ist es nicht überraschend, dass Pep Guardiola auf Pavlovic ein Auge geworfen haben soll. Trotz seiner geringen Erfahrung verfügt dieser schließlich über eine sehr hohe Spielintelligenz. Der Münchner weiß genau, wie er sich bewegen muss, um anspielbar zu sein und kann auf diese Weise Bälle fordern und verteilen. Pavlovic kann auch Räume für sich selbst erkennen und sich mit geschickten Körpertäuschungen Platz verschaffen. Dies sind wichtige Eigenschaften für Mittelfeldspieler in einer ballbesitzorientierten Mannschaft.

Kontra: Pavlovic ist nicht der große Athlet

Zwar sei zunächst mal gesagt, dass Kimmich athletisch nicht gerade der stärkste Spieler ist, jedoch ist es Pavlovic eben auch nicht. Der Bayern-Youngster ist relativ langsam und wird deswegen immer wieder mal überspielt. Zwar besitzt er mit seinen 1,88 Metern eine gewisse Größe, jedoch fehlt es noch ein wenig an Körperlichkeit. Pavlovic hat diesbezüglich definitiv Fortschritte gemacht und ist auf einem guten Weg, die Zeit in Richtung WM 2026 ist aber natürlich knapp bemessen.

Pro: Pavlovic erhält die Unterstützung seiner Bayern-Kollegen

Pavlovic hat natürlich den Vorteil im Vergleich zu beispielsweise Stiller, dass er auch im DFB-Team mit vielen Bayern-Spielern auf dem Feld stehen kann. Verteidigt Kimmich hinten rechts, während Leon Goretzka als Mittelfeld-Partner fungiert, hat man schon mal eine gewisse Achse. Hinzu könnten dann auch noch Jonathan Tah und Jamal Musiala kommen. Pavlovic kann die Geschicke im Mittelfeld nur schwerlich alleine lenken, weshalb es insbesondere wertvoll ist, wenn Kimmich ein wenig ins Zentrum schiebt und Pavlovic unterstützt.

Kontra: Pavlovic verliert sich zu sehr in Sicherheitspässen

Eine Passquote von 95 Prozent in der Bundesliga mag nett sein, zeigt aber auch ein gewisses Vermeiden von Risiken. Pavlovic muss darauf achten, nicht zu vorsichtig zu agieren. In seiner Anfangszeit bei den Bayern brillierte er durch präzise und kluge Vertikalpässe, die fast immer einen Abnehmer fanden und einen Mehrwert brachten. Diese Pässe traut er sich allerdings nicht mehr so häufig zu, wodurch er eine ganz große Stärke im Endeffekt verloren hat. Spielt er diese Bälle nicht, stellt sich die Frage, ob Pavlovic die nötigen herausragenden Stärken besitzt, die ihn eine Leader-Rolle im DFB-Team einbringen können.

Das ganz große Fragezeichen: Die Verletzungsanfälligkeit

Mit Pavlovic fest als Mittelfeld-Stratege zu planen ist schon ein sehr großes Risiko. Zu häufig wurde der Youngster in der letzten Saison von Krankheiten und Verletzungen heimgesucht. Immer wieder stellte man sich dabei die Frage, ob die enormen Ausfallzeiten nicht nur ein unglücklicher Zufall sind. Eine Mandelentzündung, die Erkrankung am Pfeifferscheb Drüsenfieber, ein Augenhöhlen- und ein Schlüsselbeinbruch sind schließlich allesamt keine klassischen Fußballer-Verletzungen.

Fazit:

Für Pavlovic ist es elementar wichtig, dass er fit bleibt und nicht wieder von kleineren und größeren Blessuren zurückgeworfen wird. Gelingt es ihm dann noch, etwas robuster zu werden und das Vertrauen in seine Vertikalpässe zurückzugewinnen, kann Nagelsmann getrost auf Pavlovic bauen und Kimmich nach hinten rechts schicken. Ist das nicht der Fall, muss er auf eine Leistungsexplosion von Stiller, Bischof oder Nmecha hoffen - oder eben in den sauren Apfel beißen, der dann hieße: Kimmich muss zurück ins Mittelfeld.


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