Kein zweiter Lewandowski: Der BVB muss bei Schlotterbeck über die Schmerzgrenze gehen

Der BVB arbeitet intensiv an einer Vertragsverlängerung mit Nico Schlotterbeck, lockt unter anderem mit einer ordentlichen Gehaltserhöhung. Doch um den Abwehrchef zu halten, wird es noch mehr brauchen. Der BVB muss ein Statement abgeben und einen zweiten Fall Lewandowski verhindern. Ein Kommentar.
Nico Schlotterbeck ist der unumstrittene Abwehrchef beim BVB
Nico Schlotterbeck ist der unumstrittene Abwehrchef beim BVB / Ralf Ibing - firo sportphoto/GettyImages
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Marco Reus ist gewissermaßen ein Unikat. Der 36-Jährige war im immer schnelllebigeren Fußballgeschäft eines der letzten Beispiele für Vereinstreue. Entgegen aller Avancen von europäischen Spitzenteams wie Bayern München, dem FC Barcelona oder Manchester City hielt er Borussia Dortmund die Treue und wurde so zu einer Vereinslegende und absoluten Identifikationsfigur.

Er schlug damit einen anderen Weg ein als Robert Lewandowski, Ilkay Gündogan, Henrikh Mkhitaryan oder Jadon Sancho. Sie alle sahen in Borussia Dortmund nur ein Sprungbrett, um in Europas Elite durchzustarten.

Nico Schlotterbeck hat aktuell noch beide Optionen. Der Nationalspieler überlegt seit Wochen, ob er seinen Vertrag verlängert und den Weg eines Marco Reus einschlägt, oder ob er doch den Schritt zu einem internationalen Topklub wagt. Es ist für den BVB ein kritischer Moment, schließlich bietet die Schlotterbeck-Personalie die Chance, Stärke zu zeigen. Außerdem muss ein zweiter Fall Lewandowski unbedingt verhindert werden.

Neue Identifikationsfigur

Zur Erinnerung: Der Pole wechselte 2014 ablösefrei zu Bayern München, nachdem er sich weigerte seinen Vertrag beim BVB zu verlängern. Die Dortmunder entschieden sich dazu, mit ihm willentlich ins letzte Vertragsjahr zu gehen, der Rest ist bekannt. Lewa wechselte zu Bayern und dominierte in den kommenden Jahren mit dem Rekordmeister die Liga nach Belieben.

Bei Schlotterbeck hat man aktuell eine ähnliche Situation wie damals bei Lewandowski. Auch er ziert sich, seinen Vertrag vorzeitig zu verlängern, auch er hat das Interesse von Bayern und anderen Topklubs auf sich gezogen. Doch anders als bei Lewandowski muss Dortmund diesmal Stärke in Form einer Vertragsverlängerung zeigen – schließlich passt Schlotterbeck mit seiner Mentalität perfekt zum BVB.

"Ich würde mich als Arbeiter bezeichnen. Deswegen passt es wahrscheinlich so gut. Die Leute hier wollen, dass du arbeitest, dass du alles gibst auf dem Platz. Das probiere ich immer zu machen. Das ist natürlich nicht alles, aber ein wichtiger Faktor. In Dortmund vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als bei anderen Vereinen", sagt Schlotterbeck selbst.

Spiele für den BVB

Tore

Assists

Zweikampf-
quote

Abgefangene Bälle

Passquote

128

6

16

63,5%

103

88,5%

Schlotterbeck muss Topverdiener werden

Und genau aus diesem Grund muss der BVB alles tun, um ihn zu halten. Er ist die größte Identifikationsfigur seit Marco Reus, Fanliebling und nicht zuletzt Leistungsträger. Vor dem Hintergrund dieses Renomees ist die wohl angebotene Gehaltserhöhung um 2,5 Millionen Euro allerdings viel zu niedrig. Schlotterbeck würde dann acht Millionen Euro jährlich verdienen – ein guter Vertrag, keine Frage. Dennoch könnte das zu wenig sein.

Schlotterbeck muss bei einer Verlängerung der Topverdiener des Vereins werden, daran gibt es gar kein Vertun. Du musst ihm mindestens zehn Millionen Euro pro Jahr bezahlen und über deine Schmerzgrenze gehen, genauso wie du es damals bei Reus getan hast. Laut jüngsten Sky-Meldungen soll der BVB Schlotterbeck nun tatsächlich eine Brutto-Jahressumme in Höhe von zehn Millionen Euro bieten. Es wäre ein wichtiger und notwendiger Schritt!

Denn gehst du finanziell nicht über deine Schmerzgrenze, dann wird sich Schlotterbeck weigern, den Vertrag zu verlängern – schließlich kann er zum Beispiel bei Bayern oder Liverpool deutlich mehr verdienen und hätte auch eine bessere Chance auf Titel. Der BVB hat mit dem kolportierten Spitzengehalt für Schlotterbeck also schon eine von zwei Hausaufgaben erledigt. Die andere Herausforderung: Dem Abwehrchef zeigen, dass er auch in Schwarz-Gelb Titel gewinnen kann.

Denn nur schöne Worte werden ihn nicht beim BVB halten. Dafür ist er zum einen zu ehrgeizig und zum anderen sind die möglichen Ziele mit Bayern, Real Madrid oder dem FC Liverpool auch einfach zu verlockend. Selbst wenn die Königlichen und die Reds nicht konkret an einer Verpflichtung interessiert wären - wie von Sky-Experte Florian Plettenberg jetzt behauptet: Mit der kurzen Rest-Vertragslaufzeit dürfte Schlotterbeck über die Bayern hinaus zahlreiche lukrative Angebote bekommen.

Klassiker als Standortbestimmung

Das weiß auch Schlotterbeck selbst, weshalb er sich bewusst zurückhaltend gibt. Er weiß genau um seine Verhandlungsposition, und je länger er zögert, desto besser wird sie. Denn eins ist auch klar: Der BVB darf ihn nicht ablösefrei verlieren wie damals Lewandowski. Dafür braucht der Klub zu dringend Ablösesummen, das hat dieser Sommer gezeigt. Und ein potenzieller Nachfolger wird auch nicht wenig kosten.

Doch noch ist dieses Szenario nicht eingetreten, der BVB hat noch alle Trümpfe und Möglichkeiten in der Hand. Jetzt steht ohnehin erstmal der Klassiker gegen Bayern an – mit Schlotterbeck und der Chance den Rückstand auf den Rekordmeister auf einen Punkt zu verkürzen. Und ein Sieg gegen den Erzrivalen würde den Chancen einer Schlotterbeck-Verlängerung sicherlich nicht schaden. Schließlich würde Dortmund mit einem Verlust des 25-Jährigen nicht nur einen Innenverteidiger verlieren – sondern ein Stück Identität.


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