Kritik trotz Rekord: FC Bayern leidet unter dem eigenen Maßstab

16 Pflichtspielsiege in Folge, Tabellenführer mit sechs Punkten Vorsprung, ungeschlagen seit dem ersten Spieltag – und trotzdem wird diskutiert, ob der FC Bayern ein Problem hat. Das zeigt vor allem eines: Bayern hat die Bundesliga verwöhnt.
Bayern dominiert Europa
Bayern dominiert Europa / Soccrates Images/GettyImages
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In Berlin endete die Rekordserie – nach 16 Siegen in 16 Pflichtspielen mussten sich die Münchner beim 2:2 gegen Union erstmals mit nur einem Punkt zufriedengeben. Statt Anerkennung für eine historisch starke Phase gibt es Zweifel, Kritik und Debatten. Von "vercoacht" ist auf den sozialen Netzwerken die Rede, von einem "Totalausfall", von einer "offenbarten Schwäche". Die Erwartungen an den FC Bayern scheinen inzwischen völlig entkoppelt von jeder Realität.

Bayern wird am Maßstab der Unmöglichkeit gemessen

Die Bilanz der Münchner bis zu diesem Punkt: Siege gegen Paris, Chelsea, Leipzig, Dortmund und Leverkusen. Eine Serie, wie sie in keiner Top-5-Liga aktuell existiert – nicht in England, nicht in Spanien, nicht in Italien oder Frankreich. Und dennoch reicht ein Remis, um Zweifel zu säen.

Vincent Kompany konterte die Kritik nach dem Spiel deutlich: "Das sind Jungs, die es gewohnt sind, dreimal die Woche zu spielen." Auch Sportdirektor Christoph Freund erinnerte lieber an die mentale Stärke des Teams: "Die Mannschaft hat eine super Mentalität gezeigt und gezeigt, dass sie nicht verlieren will." Manuel Neuer sprach sogar von einem "sehr guten Punkt".

Belastung auf Rekordniveau

Was viele vergessen: Die Bayern gehen seit Monaten ans absolute körperliche Limit. Nach der Klub-WM folgte ein eng getakteter Spielplan mit hoher Belastung – zusätzlich erschwert durch Verletzungen wichtiger Spieler. Anders als in der Saison 2019/20, in der Bayern wettbewerbsübergreifend 23 Spiele in Folge gewann, fehlt in dieser Saison jeglicher Rhythmusvorteil. Damals erlaubte der Corona-Spielplan gezielte Regeneration, heute gibt es kaum Pausen.

Auch die Spielintensität hat sich im Vergleich der letzten zehn Jahre verändert: Mehr Sprints, mehr Zweikämpfe, höheres Tempo. Kompanys Bayern liefern Woche für Woche auf internationalem Topniveau ab. Dass nach einem harten Kampf in Paris nicht alles sofort klickt, ist kein Versagen – sondern schlicht menschlich.

Trotzdem wäre es falsch, jede Kritik an Bayerns Auftritt in Berlin mit dem Verweis auf Belastung beiseite zu wischen. Lässt man den eng getakteten Spielplan einmal außen vor, war ein Sieg gegen Union Berlin – rein von der individuellen Qualität des Kaders her – absolut erwartbar. Gerade, wenn man den eigenen Anspruch hat, wieder auf das Niveau der Sextuple-Saison unter Hansi Flick zu kommen, dürfen auch in scheinbar kleineren Spielen keine Konzentrations- oder Abstimmungsfehler passieren.

Genau deshalb ist es wichtig, die Partie sachlich aufzuarbeiten: Wo fehlte es an Zugriff? War die Taktik zu riskant? Gab es mentale Müdigkeit? Nur wenn man diese Details erkennt und rechtzeitig anpasst, wird man vermeiden, dass ein ähnlicher Ausrutscher in einem entscheidenden Champions-League-Spiel womöglich das Weiterkommen kostet.

Ein Punkt, der mehr wert ist als viele Siege

Joshua Kimmich brachte es nach dem Spiel auf den Punkt: "Es braucht momentan viel, um uns zu schlagen." Trotz schwacher Anfangsphase kämpfte sich das Team zurück, erzielte in letzter Minute den Ausgleich. Tom Bischof lieferte die perfekte Flanke, Harry Kane verwandelte – Mentalität pur.

Unterm Strich bleibt: Der FC Bayern steht an der Tabellenspitze, hat sechs Punkte Vorsprung und ist seit dem ersten Spieltag ungeschlagen. Der Anspruch mag hoch sein – doch die Kritik an einem einzigen Unentschieden nach einer solchen Serie zeigt vor allem eines: Bayern hat die Bundesliga an das Außergewöhnliche gewöhnt. Und das ist vielleicht das größte Kompliment, das man einer Mannschaft machen kann.


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