Die Portugal-Niederlage hat gezeigt, was dem DFB-Team noch zur Weltspitze fehlt - Kommentar

Deutschland verliert das Nations-League-Halbfinale gegen Portugal mit 1:2. Noch bitterer als der verpasste Titel dürfte die Erkenntnis sein, dass die DFB-Elf noch nicht so nahe an der Weltspitze ist, wie erhofft.
Julian Nagelsmann, Niclas Füllkrug und Robin Gosens an der Seitenlinie im Spiel gegen Portugal
Julian Nagelsmann, Niclas Füllkrug und Robin Gosens an der Seitenlinie im Spiel gegen Portugal / Stefan Matzke - sampics/GettyImages
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Für viele deutsche Fans dürfte das Nations-League-Halbfinale gegen Portugal (1:2) Erinnerungen an die Spätphase der Ära Löw und die kurze Amtszeit seines Nachfolgers Hansi Flick geweckt haben. Und das nicht nur wegen der enttäuschenden Leistung, die Bundestrainer Julian Nagelsmann im Nachhinein zu einer der schwächsten seit anderthalb Jahren erklärte.

Auch das Personal erinnerte stark an die Zeit, in der Deutschland den Anschluss an die Weltspitze verlor. Mit Leon Goretzka, Serge Gnabry und Robin Gosens spielten in München drei Akteure eine wichtige Rolle, die bei Nagelsmanns Umbruch kurz vor der EM aussortiert wurden. Alle drei mussten sich nach dem Spiel viel Kritik anhören.

Wenige Alternativen für Nagelsmann

Dass das Trio zurück in der Nationalmannschaft ist, liegt auch daran, dass die DFB-Elf stark verletzungsgeplagt in die "Mini-EM" gehen musste. Auf insgesamt sechs Stammkräfte (Rüdiger, Schlotterbeck, Stiller, Musiala, Havertz, Kleindienst) musste der Bundestrainer verzichten. Hinzu kommen weitere Verletzungen von Kaderspielern, wie den Mainzern Nadiem Amiri und Jonathan Burkardt und Inters Yann Aurel Bisseck.

Dass der Bundestrainer die Verletzten mit bereits aussortiertne Spielern ersetzte, liegt aber auch daran, dass sich außerhalb der Stammkräfte derzeit wenige Spieler für Einsätze in der Nationalmannschaft aufdrängen. In puncto Kaderbreite ist Deutschland dann eben doch noch nicht zurück in der Weltspitze.

Luxusprobleme bei anderen Favoriten

Gegner Portugal konnte es sich leisten, den frisch gebackenen Champions-League-Sieger Vitinha zunächst auf der Bank zu lassen. Er und Juve-Profi Francisco Conceicao ließen die Partie nach ihren Einwechslungen spürbar in Richtung der Portugiesen kippen. Bayern-Wunschziel Rafael Leao blieb sogar über 90 Minuten draußen.

Frankreich wird im zweiten Halbfinale am Donnerstag voraussichtlich mit einem Sturmtrio aus Kylian Mbappé, Ousmane Dembélé und Désiré Doué ins Spiel gehen. Für Bradley Barcola und Michael Olise bleibt zunächst nur der Platz auf der Bank. Ja, jenem Olise, der jüngst von Bayern-Sportvorstand Max Eberl zum besten Spieler der Bundesliga-Saison erklärt wurde. Vor Jamal Musiala, Joshua Kimmich und Florian Wirtz, die gemeinhin als die besten deutschen Spieler gelten.

Deutlich schwächere Joker

Jenem Olise, der in seiner Bedeutung für die Bayern-Offensive weit vor Leroy Sané steht. Auf Sané musste der Bundestrainer am Mittwoch mangels Alternativen in der Startelf setzen. Zwar würde Sané ohne die Verletzungen wohl nicht von Beginn an spielen, Musiala und Havertz stehen in der Hackordnung vor ihm. Doch der 29-Jährige wäre immer noch einer der ersten Joker von der Bank.

Und Einwechslungen sind im modernen Fußball von enormer Bedeutung. Das ist dank Vitinha und Conceicao ebenfalls eine Erkenntnis aus dem Halbfinale. So gut nachlegen wie sein Gegenüber hätte Nagelsmann auch mit einem vollen Aufgebot jedoch nicht gekonnt.

Nachteil bei der WM

Bis zur WM dauert es noch ein Jahr. Bis dahin können sich Spieler weiterentwickeln, womöglich schaut man dann ganz anderes auf den deutschen Kader. Doch Stand jetzt ist zu befürchten, dass die DFB-Elf mit einer Hypothek in das Turnier gehen wird. Andere Titelanwärter werden ihre nach Klub-WM und zweiter Saison im neuen Champions-League-Modus müden Stars auswechseln können ohne einen großen Qualitätsverlust zu erleiden. Der Bundestrainer wird das vermutlich nicht können.

Zudem muss die DFB-Elf wie kein anderer Mitfavorit darauf hoffen, dass alle Leistungsträger rechtzeitig zum Turnier fit werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die aufgeblähten Kalender fast ohne jegliche Pause dazu führen, dass einige der Stars nicht an der Endrunde in den USA, Kanada und Mexiko teilnehmen können. Viele Teams könnten darauf reagieren und dennoch um den Titel mitspielen. Nagelsmanns Mannschaft nicht. Das hat die Niederlage gegen Portugal gezeigt.


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