Die heimliche Matchwinnerin des Viertelfinalkrimis: Ein Kommentar zu Franziska Kett

Franziska Kett machte gegen Frankreich wohl das Spiel ihres Lebens. Ein Kommentar.
An ihr war kaum ein Vorbeikommen: Franziska Kett
An ihr war kaum ein Vorbeikommen: Franziska Kett / Maryam Majd/GettyImages
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Sei es auf der Arbeit, im Supermarkt, in der Schule oder sogar auf dem Ballermann - in diesen Tagen ist der nervenaufreibende Halbfinal-Einzug der DFB-Frauen bei der Europameisterschaft gegen Frankreich in aller Munde. Die deutsche Nationalmannschaft schaffte es das Land zu euphorisieren, nicht ohne Grund wurden die Einschaltquoten im ZDF durch rund 10,7 Millionen Menschen gesprengt. Fußballerisch war es sicher nicht das Gelbe vom Ei, doch der Kampfgeist, Wille und die Teamdynamik überzeugten die Zuschauenden und rissen sie mit in den EM-Bann.

Besonders im Fokus (und das auch vollkommen zurecht!) steht Torfrau Ann-Katrin Berger, die zur Heldin des Abends wurde. Vor allem ihre wahnsinnige Parade in der 103. Minute werden die meisten so schnell nicht vergessen. Die DFB-Frauen gewannen aufgrund der Teamleistung, weil jede für ihre Mitspielerin fightete und ihr ganzes Herz auf dem Platz ließ. Dennoch gibt es eine Spielerin, die etwas unter dem Radar fliegt, sich aber definitiv ein Sonderlob verdient hat. Die Rede ist von Franziska Kett.

Im kalten Wasser nicht untergegangen

Vor dem Spiel gegen Frankreich wurde viel diskutiert, wie Wück seine Abwehrreihe nach dem Ausfall von Carlotta Wamser strukturieren sollte. Gegen die schnellen Französinnen war Dynamik und Tempo gefragt. Attribute, mit denen die deutsche Defensive leider nicht ausreichend gesegnet ist. Der Bundestrainer entschied sich auf der linken Seite für Franziska Kett und schmiss die erst 20-jährige Spielerin des FC Bayern ins eiskalte Gletscherwasser. In ihrem erst vierten Länderspiel bekam es Kett also gleich mal mit der französischen Star-Spielerin und Leistungsträgerin schlechthin zutun: Delphine Cascarino.

Alle, die sich mit Memes auskennen, wissen, was jetzt kommt: Unter dem Schriftzug "Franziska Kett emptying her pockets tonight" (zu Deutsch: Franziska Kett leert ihre Taschen nach dem Spiel) finden sich neben Schlüsseln, einem Geldbeutel und dem Smartphone auch ein Bild von Delphine Cascarino. Der Grund? Der rechte Offensiv-Flügel der Französinnen um Cascarino machte aufgrund von Franziska Kett kaum einen Stich. Die junge Bayern-Spielerin hatte sie quasi sprichwörtlich in der eigenen Tasche.

"Ich bin mit dem Gedanken rein, dass ich nichts verlieren kann. Ich habe alles gegeben", gab Kett nach dem Spiel einen Einblick in ihre Gedanken. Anstatt zu verlieren, hat die 20-Jährige nämlich einiges gewonnen: Elf der 17 Bodenduelle konnte Franziska Kett für sich entschieden, zudem holte sie fünf Mal das Leder in den eigenen Ballgewinn zurück und schloss ihre beiden Dribblings erfolgreich ab. Abgezockt verteidigte sie gegen Cascarino und Co. Die Französinnen bissen sich an der EM-Debütantin die Zähne aus. Im Stadion wurde jede Aktion von Kett (die ihr in 99 Prozent der Fälle auch gelang) bejubelt - sei es von den zahlreichen deutschen Fans oder den Ersatzspielerinnen am Seitenrand.

Franziska Kett (weiß) hielt Delphine Cascarino in Schach
Franziska Kett (weiß) hielt Delphine Cascarino in Schach / Eurasia Sport Images/GettyImages

Die Münchenerin stand sinnbildlich für den Willen, den die DFB-Frauen gegen Frankreich an den Tag legten. In der Verlängerung mobilisierte Kett noch mal alle Kräfte und entschärfte mehrere Aktionen gegen Baltimore oder Matéo. Die 20-Jährige ist die stille Heldin dieses Viertelfinals, die die gefürchteten schnellen Außen (oder Lokomotiven, wie Alexandra Popp zu sagen pflegte) mustergültig einschulte. Ohne die Dynamik und das Tempo von Kett hätte das Spiel vermutlich oft einen anderen Lauf genommen - zumindest wäre Frankreich häufiger gefährlich vor den Kasten von Berger gekommen.

Die Leistung von Franziska Kett war definitiv ein Ausrufezeichen an Bundestrainer Wück und eine Empfehlung für mehr Spielzeit. Denn was die Begeisterung noch steigert, ist der Fakt, dass Kett eigentlich eine gelernte Stürmerin ist und bei den Bayern in der abgelaufenen Spielzeit aufgrund von Verletzungspech nur sechs Einsätze machen konnte. Erst Christian Wück funktionierte die 20-Jährige zur Außenverteidigerin um: "Ich muss den Hut ziehen vor Franzi Kett, wie sie heute gegen eine Gegnerin gespielt hat, die außergewöhnlich ist. Das zeigt wie viel Potenzial in ihr steckt", lobte der Bundestrainer seinen Schützling. Bei Ketts Auwechslung in der 113. Minute hielt es die wenigsten Fans auf den Plätzen des St.Jakob-Parks.

"Ich glaube, die Französinnen haben sich genervt gefühlt von mir", sagte Kett nach der Partie. Dann wollen wir mal hoffen, dass es den Spanierinnen genauso geht. Die Chancen stehen gut, dass Franziska Kett im Halbfinale gegen Spanien auch auf dem Rasen steht. Zwar kehrt Carlotta Wamser zurück, doch mit Hendrich und Linder fallen zwei weitere Verteidigerinnen aus. Wück weiß spätestens seit Samstag: Er kann auf Franziska Kett bauen.


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