Der FC Augsburg spielt mit der Wagner-Verpflichtung Roulette - ein Kommentar

Sandro Wagner soll den FC Augsburhg von seinem Image als Graue Maus erlösen. Der Bundesligist geht mit dem noch unerfahrenen Coach jedoch ein großes Risiko ein.
Der FC Augsburg geht mit Sandro Wagner ein hohes Risiko ein.
Der FC Augsburg geht mit Sandro Wagner ein hohes Risiko ein. / Jürgen Fromme - firo sportphoto/GettyImages
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Der FC Augsburg ist die graue Maus der Bundesliga. Daran lassen die Platzierungen der vergangenen Jahren keinen Zweifel. In den letzten zehn Jahren kamen die Fuggerstädter immer zwischen dem elften und 15. Tabellenplatz ein. Zuvor hatte der FCA in den Spielzeiten 2013/14 und 2014/15 mit den Plätzen acht und fünf für Furore sorgen können.

Angesichts dessen ist der Frust in Augsburg verständlich, dass ein ganzes Jahrzehnt lang keine einstellige Platzierung mehr herausgesprungen ist. Trainer Jess Thorup musste dafür den Kopf hinhalten und wurde durch das Trainer-Talent Sandro Wagner ersetzt.

Doch hat man Thorup damit Unrecht getan? Die Antwort kann auf dem ersten Blick nur mit einem klaren "Ja" beantwortet werden. Immerhin ist es dem Coach gelungen, den sich im Abstiegskampf befindenden FCA in der Saison 2023/24 auf den elften Platz zu führen. Damit hat Augsburg unter Thorup die beste Platzierung seit 2015 erreicht. Die Spielzeit 2024/25 endete zwar dann nur mit Platz zwölf, jedoch befand sich der FCA zu keiner Zeit in Abstiegsgefahr, schnupperte zwischendurch sogar am europäischen Geschäft und hat mit 43 Punkten die drittbeste Ausbeute in der Bundesliga-Historie des Klubs erzielt.

Augsburg überzeugt mit Beständigkeit

Diese dauert auch noch gar nicht so lange an. Augsburg schaffte erst im Jahr 2011 erstmals den Sprung in die Bundesliga. Zwar entwickelte man sich zur grauen Maus, jedoch ist dies eigentlich vielmehr positiv als negativ zu verstehen. Praktisch stellt Augsburg ein Team, das zu den fünf, sechs günstigsten der Bundesliga gehört. In der abgelaufenen Saison belegte der FCA in der Marktwert-Tabelle von transfermarkt.de beispielsweise den 13. Platz. Gewissermaßen ist es fast ein Wunder, dass Augsburg nie abgestiegen ist. Lediglich der FC Bayern, Borussia Dortmund, Bayer 04 Leverkusen, Borussia Mönchengladbach, der VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim sind schon länger Stammgast in der Bundesliga.

Rein sportlich kann man weder die Leistung des Vereins noch die Trainerarbeit von Jess Thorup in den letzten beiden Jahren negativ bewerten. Auch ein Coach kann in den seltensten Fällen zaubern und man ist geneigt zu sagen, dass Thorup das herausgeholt hat, was möglich war. Dass der Ex-Coach eher defensiven Fußball spielen lassen hat, war sicher auch auf den mittelmäßig besetzten Kader zurückzuführen. Augsburg ist eben kein Verein der ganz großen finanziellen Möglichkeiten und besitzt auch nicht den Glamour und die Strahlkraft anderer Klubs.

Mainz, Union und Heidenheim als Vorbild?

Und doch kann man zum Teil verstehen, dass sich Augsburg für den radikalen Schritt entschieden hat, mit Sandro Wagner einen Coach zu holen, der in der Bundesliga noch keine Erfahrungen gesammelt hat. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass auch Klubs mit einem kleinen Geldbeutel vorne mitmischen können. Denken wir an den Höhenflug von Union Berlin, der in der Champions League endete.

Ähnlich überraschen konnte der 1. FC Heidenheim, der in der Vorsaison die Conference-League-Teilnahme fix machen konnte. In der abgelaufenen Saison hat der FSV Mainz 05 trotz ähnlich überschaubarer finanzieller Möglichkeiten wie Augsburg Rang sechs belegen können. Die Freiburger zeigen seit Jahren, dass man auch über Jahre hinweg über den eigenen Verhältnissen spielen kann, wenn man ruhig und besonnen arbeitet.

Sieg oder Sarg: Augsburg geht mit Wagner voll ins Risiko

Ruhe und Besonnenheit ist allerdings genau das, was Augsburg mit dem Trainerwechsel nicht bewiesen hat. Die Verpflichtung von Wagner gleicht eher einem Roulette-Spiel. Gewiss hat Wagner bei seinen bisherigen Stationen in Unterhaching und beim DFB einen guten Eindruck hinterlassen. Der frühere Stürmer des FC Bayern kann dem Klub frischen Wind und Dynamik einhauchen und bringt einen Charakter mit, den man in Augsburg so noch nicht so oft gesehen hat. Zudem ist ihm zuzutrauen, mutigeren und attraktiveren Fußball spielen zu lassen.

Der FCA wäre nicht der erste Klub, der mit einem jungen, motivierten und unverbrauchten Coach gut fährt. Denken wir nur an Xabi Alonso, der Leverkusen trotz seiner damals noch geringen Erfahrung zum Meister formte, Bayern-Coach Vincent Kompany, der fast alle Kritiker verstummen lassen konnte oder den Hamburger Aufstiegs-Coach Merlin Polzin. Der Trend geht zu jungen Coaches und der FCA hofft wohl darauf, mit Wagner endlich auch wieder für eine solch positive Überraschung zu sorgen, wie zuletzt Union Berlin, Heidenheim oder Mainz.

Die Möglichkeit, derartiges zu schaffen, dürfte mit Wagner deutlich höher sein als mit Thorup. Auf der anderen Seite ist aber die Gefahr, dass der junge Coach scheitert und Augsburg in akute Abstiegsgefahr gerät, mindestens genauso präsent. Wagner hat noch nie einen Profi-Klub als Cheftrainer gecoacht und weiß gewiss nicht genau, was ihn in Augsburg erwartet. Der frühere Stürmer muss erstmal beweisen, dass er auch auf dieser Ebene mehr drauf hat als markante Sprüche. Thorup hat hingegen schon gezeigt, dass er mit der Mannschaft sehr solide arbeiten und den FCA in ruhigen Fahrwassern halten kann.

Die Augsburg-Verantwortlichen setzen mit dem Trainerwechsel nicht weniger als ihre beständige Mitgliedschaft in der Bundesliga aufs Spiel. All das für die Hoffnung, das Image als Graue Maus abzulegen. Für die Fuggerstädter kann man nur hoffen, dass das Motto "den Mutigen gehört die Welt" hier gültig ist.


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