Kovac wusste es schon im Sommer: Juve-Debakel offenbart größte BVB-Baustelle
Von Oscar Nolte

Einen Punkt bei Juventus Turin, das hätte im Vorfeld des Champions-League-Auftakts bei Borussia Dortmund jeder genommen. Und dennoch fühlt sich das 4:4 bei der Alten Dame auch einen Tag später wie eine bodenlose Niederlage an. Wer in der vierten Minute der Nachspielzeit mit zwei Toren in Führung liegt, das Spiel aber nicht gewinnt, kann nunmal nicht zufrieden sein.
Es ist ein Muster, das sich beim BVB, bei dieser Mannschaft durchzieht: In den entscheidenden Momenten geht der Borussia die Flatter.
Das zeigte sich schon beim Saisonauftakt in der 1. Bundesliga beim FC St. Pauli, als der BVB eine 3:1-Führung in den Schlussminuten noch verspielte. In diesen bangen Augenblicken machen die schwarz-gelben den Eindruck, als wären sie unfähig zu verteidigen. Was auch daran liegen könnte, dass eine Schlüsselposition im System von Cheftrainer Niko Kovac schlichtweg unbesetzt ist.
BVB-Bosse wollten Kovac keine Holding Six zur Verfügung stellen
Im Sommer soll Kovac von den Bossen die Verpflichtung einer Holding Six, eines defensiven Abräumers im Mittelfeld gefordert haben. Diese lehnten den Wunsch des Trainers jedoch mit der Begründung ab, dass der aktuelle Kader die Lücke schließen könne. Dabei soll insbesondere der Name Felix Nmecha gefallen sein, dem man diese Rolle intern zutraut.
Bisher zeigt sich aber: Ob Marcel Sabitzer, Pascal Groß oder Nmecha - die Löcher vor dem eigenen Sechzehner kann und will aktuell kein BVB-Profi stopfen.
- Hier erklärt: Das ist eine "Holding Six" im Fußball
Wozu das führt, sieht man in Dortmund-Spielen immer wieder. Exemplarisch am Dienstagabend in Turin, etwa beim sehenswerten Treffer von Kenan Yildiz zum 1:1, bei dem zunächst Juves Joao Mario am Sechzehner unbeschwert aufdribbeln konnte und schließlich der ungemein schussstarke Yildiz völlig unbedrängt aus 20 Metern abziehen durfte.
Die Dreier- bzw. Fünferkette hält beim BVB ihre Positionen - in dem Raum davor passiert oftmals aber gar nichts. Ein taktisches Unding, das mit einer defensiv denkenden Sechs niemals passieren würde.
Zudem fehlt die Mentalität und die Sicherheit, die ein Abräumer in der Regel mitbringt und einer Mannschaft gibt. Dem BVB fehlt im Mittelfeld definitiv ein Spielertyp, der weiß, wie man eine zwei-Tore-Führung in den Schlussminuten herunterspielt, der die Löcher vor der Kette zuläuft, der ein taktisches Foul zieht, wenn die gegnerische Mannschaft nochmal einen Konter fährt.
BVB-Kader schlecht zusammengestellt
Sowohl aus taktischer, als auch mentaler Perspektive drängt sich der Eindruck auf, dass der BVB das Spiel in Turin am Dienstagabend mit einer Holding Six gewonnen hätte. Deutlich wird zudem, dass weder Sabitzer, noch Nmecha oder Pascal Groß, geschweige denn Jobe Bellingham diese Rolle einnehmen können.
Das führt wiederum dazu, dass sich die beiden zentralen Mittelfeldspieler beim BVB gefühlt auf den Füßen stehen. Durch die fehlende Absicherung scheint Kovac zudem darauf verzichten zu müssen, zwei offensiv ausgerichtete Spieler in der Zentrale aufzubieten. Dafür haben die Bosse allerdings eingekauft, mit Julian Brandt, Carney Chukwuemeka und Jobe Bellingham stünden Kovac gleich drei hochklassige Profis für die Achter- bzw. Zehnerposition zur Verfügung.
Und so ergibt sich mit der fehlenden Holding Six die größte Baustelle beim BVB. Das wusste Kovac bereits im Sommer und das wird nach Spielen wie am Millerntor oder in Turin überdeutlich. Dieser Kader ist schlichtweg krumm zusammengestellt - und dieser Umstand wird den BVB noch einige Punkte kosten.
Im Winter muss Sportdirektor Sebastian Kehl dann wieder nachjustieren oder mantraartig auf die Qualitäten und Potenziale der Spieler verweisen, die bereits da sind. Beides macht beim BVB in den letzten Jahren Mode und lässt die Fans mehr und mehr verzweifelt zurück.
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