Bayern-Pleite gegen Arsenal: 7 Erkenntnisse & (k)oan Grund zur Sorge
Von Simon Zimmermann

Es ist passiert: Im 19. Pflichtspiel der Saison hat der FC Bayern die erste Niederlage hinnehmen müssen. Im Topspiel der Champions League verloren die Münchner am Ende verdient mit 1:3 beim FC Arsenal und müssen die Tabellenführung an die Gunners abtreten.
Trotz 60 Prozent Ballbesitz und 58 Prozent gewonnener Zweikämpfe für die Bayern waren die Hausherren über die vollen 90 Minuten die bessere und vor allem gefährlichere Mannschaft. 3,11 zu 0,65 xGoals sprechen eine deutliche Sprache.
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"Man muss auch mal akzeptieren, dass man verliert", erklärte Serge Gnabry nach dem Spiel bei DAZN. "In der zweiten Halbzeit ist uns nicht mehr viel gelungen", hielt er richtig fest. Auch sein Trainer sprach das deutlich an: "Ich mag keine Ausreden. Wir haben jetzt verloren und lass uns ehrlicherweise sagen: Arsenal war heute besser und das müssen wir ab Samstag lösen", so Vincent Kompany.
Arsenal 3-1 FC Bayern: Die Highlights im Video
Die FCB-Erkenntnisse zum 1:3 in London
Wir blicken auf die (reichlichen) Erkenntnisse, die der deutsche Rekordmeister aus der ersten Saisonpleite gegen ein überragendes Arsenal mitnehmen kann.
"Lernen. Lernen aus dem Spiel, lernen, weil solche Spiele werden in der K.-o.-Runde auf uns zukommen."
- Max Eberl
1. Koa Pressingmaschine
Man sieht die Pressingqualität von Luis Díaz vor allem dann, wenn er gegen eine Spitzenmannschaft fehlt.#ARSFCB #FCBayern #UCL
— Bavarian Ballers (@BallersBav) November 26, 2025
Der Tweet von 'Bavarian Ballers' schon zur Halbzeitpause, als es noch 1:1 stand und das Spiel ausgeglichener war, drückt es perfekt aus.
Neuzugang Luis Diaz fehlte gegen Arsenal rotgesperrt. Die Qualitäten des Linksaußen vermissten die Bayern nicht nur im eigenen Spiel mit dem Ball, sondern vor allem auch dagegen.
Diaz ist eine dynamische Pressingmaschine, die kaum müde zu werden scheint. Serge Gnabry und Lennart Karl konnten diese Klasse kaum ersetzen - was überhaupt nicht als Vorwurf an das Duo gemeint werden darf. Diaz ist in dieser Disziplin einfach absolute Weltklasse, Gnabry nicht und Karl auch (noch) nicht.
Zumal die gesamte Mannschaft deutliche Probleme hatte, in das gewünschte Eins-gegen-eins-Pressing über den gesamten Platz zu kommen. Arsenal schaffte es im eigenen 4-3-3 immer wieder durch geschickte Laufwege freie Mitspieler zu finden. Vor allem in der zweiten Halbzeit, als sich die Gunners noch besser auf das FCB-System einstellen konnten und die Bayern häufig tief in die eigene Hälfte drückten.
Declan Rice schwärmte bei DAZN im Anschluss auch über die Fitness seiner Truppe. Man sei zwar nicht gewohnt, Mann gegen Mann über den ganzen Platz zu spielen, habe aber eindrucksvoll bewiesen, dass man auch das sehr gut beherrscht.
Man könnte fast sagen: Die Bayern wurden mit ihren eigenen Mitteln geschlagen. In einem ultra intensiven Spiel brauchte es dafür aber auch die sehr wahrscheinlich aktuell beste Mannschaft in Europa.
2. Erstarrt vor dem Standard-Monster
Sportvorstand Max Eberl warnte vor dem Spiel: "Wir bekommen da im Moment zu viele Gegentore." Gemeint waren Standard-Situationen. Sechs der acht Gegentreffer kassierten die Bayern in der Bundesliga nach ruhendem Ball.
Da war es nicht gerade förderlich, dass man mit Arsenal auf ein "Standard-Monster" traf. Die Gunners sind berüchtigt für ihre enorme Stärke nach Ecken und Freistößen. Auch diese Qualität war am Mittwochabend eindrucksvoll zu sehen. Jede der sechs Arsenal-Ecken wurde brandgefährlich. Auch die Freistoßflanken sorgten immer für Gefahr vor dem Bayern-Tor.
Das zwischenzeitliche 1:0 resultierte folgerichtig aus einem Eckball. Manuel Neuer wurde zuvor leicht geschubst, kam aus der Balance und dann bei der Flanke auf den ersten Pfosten den Bruchteil zu spät: Jurrien Timber konnte einnicken.
Während Arsenals Klasse bei ruhenden Bällen sehr schwer zu verteidigen ist, müssen sich die Bayern hier unbedingt steigern, will man vor allem in der Champions-League-K.o.-Phase weit kommen. DAZN-Experte Michael Ballack regte an, die Eckbälle nicht nur im Raum zu verteidigen, sondern einlaufende Spieler mehr zu blocken oder gar in Manndeckung zu nehmen.
Raum- oder Mannverteidigung ist und bleibt eine Gretchenfrage für alle Fußballtrainer bei Standards. Unter Kompany dürfte es recht sicher bei einer kombinierten Variante bleiben, die künftig vielleicht etwas mehr Fokus auf die Mannverteidigung legen sollte.
3. Problemzone Außenverteidiger
Neben den Standards gab es gegen Arsenal eine weitere Bayern-Schwachstelle: die Außenverteidiger. Sowohl Josip Stanisic auf der rechten als auch Konrad Laimer auf der linken Seite hatten defensiv große Probleme.
Laimer sah früh Gelb und verlor insgesamt 58 Prozent seiner Bodenzweikämpfe. Vor dem 2:1 für Arsenal durch Noni Madueke schaffte er es nicht mehr, vor den Gunners-Joker zu kommen.
Stanisic' Werte lesen sich auf den ersten Blick dagegen stark: 86 Prozent seiner sieben Bodenzweikämpfe entschied der Kroate für sich, dazu drei von vier Kopfballduellen.
In vielen Momenten wirkten beide Bayern-Außenverteidiger aber wenig stabil und teils unglücklich. Bei Stanisic ging auch mit dem Ball wenig zusammen. In der ersten Halbzeit hatte er eine gute Gelegenheit, verpasste aber bei einer Drei-gegen-Zwei-Situation in Arsenals Strafraum das Abspiel.
Kompany sollte sich zudem fragen, ob es die richtige Entscheidung war, Laimer auf die linke Seite zu stellen. Der Österreicher ist auf der rechten Seite deutlich wertvoller. Vor allem auch im meist sehr starken Zusammenspiel mit Michael Olise. Der Franzose litt auch darunter, dass er von Stanisic kaum Unterstützung bekam.
Gut aus Bayern-Sicht: Mit Alphonso Davies bekommt man für Teil zwei der Saison einen ganz wichtigen Spieler zurück. Die Dynamik des Kanadiers dürfte vor allem in Duellen wie gegen Arsenal Gold wert sein.
4. Neuer Upa, alter Upa
Eingeleitet wurde die erneute Arsenal-Führung durch einen Fehlpass von Dayot Upamecano. Der in dieser Saison so starke Franzose machte am Mittwochabend einige Fehler im Spiel mit dem Ball. In Hälfte eins kassierte er so eine Gelbe Karte, weil er sich die Kugel zu weit vorlegte und Timber in der Folge abräumte.
In Hälfte zwei hatte er zunächst Glück, nach einem "Stempel-Foul" an Madueke nicht vom Platz zu fliegen. Acht Minuten später leistete sich Upamecano einen haarsträubenden Fehlpass, den Riccardo Calafiori zur besagten Flanke auf Madueke und dem 2:1 für Arsenal nutzte.
Upamecanos Pass ins Mittelfeldzentrum, der von Rice abgefangen wurde, war umso bitterer, weil die Hausherren genau auf diese Momente lauerten, um ins Pressing und Kontersituationen zu kommen. Der Bayern-Verteidiger muss unbedingt lernen, das Spiel in solchen Momenten besser zu lesen.
Denn so kann man sagen, dass Upamecano wieder in alte Muster gefallen ist. Seine Wankelmütigkeit ist den FCB-Fans aus den vergangenen Saisons schließlich noch in schmerzhafter Erinnerung.
5. Neuer patzt - aber nicht entscheidend
Insgesamt bleibt nach der Pleite festzuhalten, dass die Bayern-Defensive nicht so stabil war wie zuletzt gewohnt. Sofascore stellte sogar heraus, dass die sieben zugelassenen Großchancen für Arsenal ein unfassbar ungewöhnlicher Negativ-Wert für die Münchner waren. Seit 424 (!) Pflichtspielen in allen Wettbewerben hatte der FCB nicht mehr so viele Großchancen zugelassen - also erstmals seit Start der Saison 17/18!
In der zweiten Hälfte parierte Manuel Neuer einige davon stark. Im Fokus standen nach dem Spiel aber die beiden Fehler des Bayern-Kapitäns. Beim 1:0 kam er zu spät, beim 3:1 ging er großes Risiko und wurde von Gabriel Martinelli düpiert.
"Der Gegenspieler bringt mich natürlich aus der Balance, das ist klar. Dann habe ich auch eine andere Position, als ich die gerne gehabt hätte und komme dann vorne nicht mehr so hin", so Neuer zum 0:1. Er sei aber kein Torwart "der sich hinschmeißt auf den Boden. Vielleicht hätte das geholfen in dieser Situation. [...] Aber da gab es keine Kritik von meiner Seite aus."
Das 1:3 in der 77. Minute besiegelte dann die FCB-Pleite endgültig. Neuer stürmte nach einem Steilpass auf Martinelli weit aus dem Tor, kam aber zu spät. Der Brasilianer legte den Ball etwas glücklich vorbei und schob ins leere Gehäuse ein.
"Wenn du zurückliegst, ist es einfach so, dass du etwas mehr Risiko gehen musst. [...] Ich habe versucht, es vorher zu beseitigen und er nimmt ihn gut mit zur Seite. Der Touch war einfach entscheidend und dann komme ich nicht mehr hin", erklärte Neuer. Er sei sich dem "großen Risiko" bewusst gewesen, sah aber auch, dass Joshua Kimmich im Laufduell wenig Chancen gehabt hätte.
Für Ballack war das Risiko in diesem Moment "nicht notwendig. Manuel trifft da eine falsche Entscheidung."
Was am Ende bleibt, war ein unglücklicher Neuer-Auftritt. Beim ersten Tor wäre es aber für jeden Keeper verdammt schwer gewesen, rechtzeitig an die scharfe Flanke am ersten Pfosten zu kommen - zumal es zuvor einen leichten Schubser gab (den man tatsächlich nicht unbedingt abpfeifen muss). Auf der Linie hätte Neuer aber ebenso große Probleme gehabt, den Kopfball zu parieren. Die weiteren Arsenal-Standars haben in der Folge gezeigt, dass ein gewisses Risiko des Bayern-Keepers nötig war.
Beim 1:3 gibt es dagegen wenig zu diskutieren: Wenn Neuer so weit aus seinem Tor kommt, muss er den Ball abfangen. So wie in Hälfte eins gegen Saka, als Neuer aber schon ein wenig Glück hatte, dass sein Kopfball von Sakas Kopf direkt bei Stanisic landete. Entscheidend dürfte Neuers Patzer beim 1:3 aber nicht gewesen sein. Denn man muss klar festhalten: Arsenal hätte die Partie mit oder ohne dieses Tor gewonnen.
6. No Harry, no Party
Das lag auch daran, dass die Münchner offensiv zu harmlos waren. Einzig beim Treffer zum 1:1-Ausgleich blitzte die Genialität auf - es war Arsenals erster Gegentreffer der laufenden Champions-League-Saison.
Dafür brauchte es schon eine Weltklasse-Kombination: Überragender Diagonalball von Kimmich auf den in die Tiefe startenden Gnabry, perfekte Ablage in die Mitte und ein eiskalter Abschluss des heranstürmenden Karl.
Ansonsten hatten die Bayern in Hälfe eins zwar viel Ballbesitz, konnten sich aber weder gegen einen tiefen Arsenal-Block noch gegen das höhere Pressing der Gunners Chancen herausspielen. Bezeichnend: Harry Kane blieb erstmals in einem Duell mit Arsenal über 90 Minuten ohne Torschuss.
Die Hausherren hatten sich perfekt auf die Bayern eingestellt und kreierten immer wieder perfekte Momente, um Bälle abzufangen und blitzartig zu kontern (siehe 2:1).
7. Karl der Große
Wer sind die beiden jüngsten Bayern-Torschützen der Königsklassen-Geschichte?
Lennart Karl gegen Brügge. Und Lennart Karl gegen Arsenal. In seinen beiden CL-Starts traf der 17-Jährige auch. Die Leistung des Juwels ist wohl die positivste Erkenntnis nach dem Spiel.
Nicht (nur) weil Karl Bayerns beste Kombination des Abends stark vollendete. Sondern vor allem, weil deutlich wurde, dass Karl auf dem höchsten aller Niveaus überhaupt keine Probleme hat.
Im Gegenteil: Der Youngster war immer bemüht, lauffreudig und wollte ständig den Ball haben. Auch in Durcksituationen. Sein Passspiel war sauber, seine technische Extraklasse war immer wieder zu sehen. Allein bei einem langen Ball in der ersten Hälfte, den er perfekt hinter dem Standbein herunternahm.
An diesem Karl werden die Bayern (und das DFB-Team) noch jede Menge Freude haben!
"Das ist ein extrem wichtiges Spiel für uns. Also ich bin davon überzeugt, dass wir extrem viel mitnehmen werden, dass wir viel daraus lernen werden."
- Joshua Kimmich
8. Kein Grund zu großer Sorge
Die Bayern sollten sich nach der Niederlage keine großen Sorgen machen. Schließlich brauchte es ein überragendes Arsenal, um den deutschen Rekordmeister erstmals 25/26 zu knacken. In der Champions League liegt man weiter klar auf Kurs Top acht - mit zwei Siegen aus den letzten drei Spielen dürfte man das Achtelfinal-Ticket bombensicher haben. Es warten noch Heimspiele gegen Sporting und Union SG sowie ein Auswärtsspiel in Eindhoven. Mehr als machbar!
Entschieden wird über Wohl und Wehe dieser Spielzeit ohnehin erst im Frühjahr 2026. Für die Partien in dieser Phase dürfte die Pleite einen wichtigen Lerneffekt haben.
Mit ein, zwei kleineren Anpassungen sind die Bayern jederzeit in der Lage, Teams der Güteklasse Arsenals zu schlagen. Wichtig ist aber, dass man aus den eigenen Fehlern lernt.
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