Baustelle Rechtsverteidigung: Welche Optionen hat Christian Wück?

Die DFB-Frauen gehen ohne eine gelernte Rechtsverteidigerin in das Spiel gegen Frankreich. Kreativität ist gefragt - wie reagiert Bundestrainer Christian Wück?
Sophia Kleinherne: Ein erster EM-Einsatz, und gleich von Anfang an?
Sophia Kleinherne: Ein erster EM-Einsatz, und gleich von Anfang an? / Maja Hitij/GettyImages
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Sandy Baltimore ist schon für gelernte Rechtsverteidigerinnen nicht leicht zu stoppen. Die 25-Jährige vom FC Chelsea ist mit ihrem niedrigen Körperschwerpunkt eine gute Dribblerin mit viel Zug zum Tor. Deutschland könnte mit ihr seine liebe Mühe haben, denn für das Viertelfinale gegen Frankreich (Samstag, 19. Juli, 21 Uhr) steht Christian Wück keine richtige Rechtsverteidigerin zur Verfügung.

Giulia Gwinn verletzte sich im ersten Gruppenspiel und fällt für die restliche EM aus. Ihre Stellvertreterin, Carlotta Wamser, kassierte im letzten Gruppenspiel gegen Schweden eine Rote Karte und fehlt so im Viertelfinale gesperrt.

So ist Kreativität gefragt. Kurz nach Abpfiff gegen Schweden sagte Wück, er habe sich "noch keine Gedanken" darüber gemacht, wie Wamser ersetzt werden könnte. In den sechs Tagen bis zum Viertelfinale hat das Trainerteam nun genug Bedenkzeit, um eine Lösung zu finden. Das sind mögliche Optionen für die Rechtsverteidigung.

Option 1: Sophia Kleinherne

Die naheliegendste Lösung, aber ist sie auch die wahrscheinlichste? Sophia Kleinherne ist eigentlich Innenverteidigerin, hat aber auch schon auf außen gespielt - Christian Wück wechselte sie im letzten Spiel vor der EM 2025, gegen Österreich, sogar als Rechtsverteidigerin ein. Allerdings war dies eine der wenigen Szenen, in denen der Bundestrainer Kleinherne seine Beachtung schenkte: Bei allen drei Gruppenspielen blieb Kleinherne ohne Einsatz, ihre Nominierung war trotz einer starken Saison bei Eintracht Frankfurt lange ungewiss. Es ist wohl keine allzu steile These, dass nach Wücks Auffassung die 25-Jährige nicht so recht in sein System passt.

Kleinherne ist eine solide Verteidigerin, aber von ihr sind keine auffälligen Flanken und Diagonalbälle zu erwarten. Ob sie spielt oder nicht, kommt wohl auf den Matchplan an. Wenn die DFB-Frauen sich primär aufs Verteidigen verlegen wollen, hinten sicher stehen und dann Konter setzen wollen, dann wäre Kleinherne eine passable Option. Wenn die Devise für die Außenverteidigerinnen wieder heißen soll, dass sie dem Offensivspiel Schwung verleihen sollen - dann eher nicht.

Option 2: Dreierkette mit Hendrich, Minge und Linder

Die Dreierkette wurde schon in der zweiten Hälfte gegen Schweden ausprobiert. Kathrin Hendrich, Janina Minge und Sarai Linder bildeten das Zentrum, Bühl und Brand ackerten als Schienenspielerinnen enorm viel. Und tatsächlich stand Deutschland in den zweiten 45 Minuten etwas stabiler.

Das Problem: Die Umstellung tätigte Wück beim Stand von 1:3 und zu zehnt, als die Niederlage schon längst feststand und es nur noch um Schadensbegrenzung ging. In ein Viertelfinale zu elft geht man - hoffentlich - mit einer ganz anderen Einstellung. Deutschland zeigte sich zwar defensiv verbessert, aber dafür war der Sturm dann nach der Umstellung auf die Dreierkette arg limitiert. Schließlich wurden Bühl und Brand, die zuvor schärfsten Waffen im Offensivspiel der DFB-Frauen, als Schienenspielerinnen eher zu stumpfen Messern.

Die zwei mussten zahlreiche Meter auf den Außenlinien abspulen, gegen Frankreich würde dieses Pensum wohl nicht weniger, und so fehlt vorne die Energie. Ohne die Flügelzange braucht es schon viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie Deutschland ein Tor schießt: Mittelstürmerin Lea Schüller war bisher nicht gut ins Spiel eingebunden, und auf der Zehn überzeugte weder Linda Dallmann noch Laura Freigang wirklich.

Eine mögliche Lösung des Dilemmas könnte so aussehen: Brand würde rechts als Schienenspielerin agieren - diese Rolle kennt die Wolfsburgerin bereits gut -, Franziska Kett auf links als ihr Pendant, und Klara Bühl als Teil einer Doppelspitze mit Lea Schüller. Riskant wäre das freilich immer noch, denn Deutschland hat sich nie mit diesem System einspielen können.

Option 3: Sarai Linder

Sarai Linder gibt bei dieser Europameisterschaft bisher eher eine unglückliche Figur ab. In der Gruppenphase war die Linksverteidigerin bemüht, sich nach vorne einzuschalten - aber oft kamen ihre Verlagerungen nicht an, und dazu entstanden allzu große Lücken auf ihrer Seite. Ob das Problem gelöst wird, indem Linder einfach nach rechts geschoben wird? Das lässt sich vermutlich bezweifeln - aber Linder kann eigentlich auf beiden Seiten spielen.

Links würde dann Franziska Kett auflaufen, die 20-Jährige ist erst seit Kurzem im Kreise der DFB-Frauen dabei und ist eigentlich eine Flügelspielerin und keine Verteidigerin. Der Effekt könnte also sein, dass es auf beiden Seiten brennt - aber das ist auch so schwer zu vermeiden. Allerdings würde Wück seine Optionen von der Bank mit dieser Alternative stark einschränken. Ein Backup für Kett, die vielleicht nicht 90 Minuten auf höchstem Niveau spielen kann, wäre nicht in Sicht. Auch bei dieser Variante dürfte das Trainerteam also mit gewissen Bauchschmerzen ins Spiel gehen.

Option 4: Kathrin Hendrich

Beim 1:4 gegen Schweden gab es zahlreiche Verliererinnen, aber eine durfte sich doch ein wenig als Gewinnerin fühlen. Kathrin Hendrich wurde zur zweiten Halbzeit eingewechselt und stabilisierte das deutsche Spiel merklich. Eine bärenstarke Zweikampfquote von 89%, kombiniert mit Hendrichs Schnelligkeit, scheinen nur so zu schreien: Im nächsten Spiel gehört sie in die Startelf! Hendrich kann sowohl in der Innenverteidigung als in der Rechtsverteidigung spielen.

Aber es gibt gute Gründe dafür, dass Christian Wück die Routinierin eher im Abwehrzentrum aufstellen wird. Gegenüber der deutlich langsameren Rebecca Knaak war sie ein deutliches Upgrade, und Frankreich kommt besonders über seine Schnelligkeit. Auch auf rechts wäre Hendrich eine probate Alternative, aber dann wäre wiederum die Innenverteidigung geschwächt.

Fazit

Wie man es auch dreht und wendet: Die perfekte Lösung für das Abwehrdilemma gibt es wohl nicht. Aber vielleicht überrascht Christian Wück ja und zieht sie doch aus dem Hut.


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