Wie Oliver Glasner mit Crystal Palace ein modernes Fußballmärchen schrieb

Das Jahr nähert sich dem Ende. Auch 2025 wurde wieder viel Fußball gespielt – eine Geschichte hat es mir dabei besonders angetan. Und zwar die meines Lieblingsklubs aus der Premier League.
Crystal Palace schrieb mit dem FA Cup-Gewinn in diesem Jahr Geschichte
Crystal Palace schrieb mit dem FA Cup-Gewinn in diesem Jahr Geschichte / Catherine Ivill - AMA/GettyImages
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Die Premier League ist die beste Liga der Welt. Klar, das ist auch durch die absurden Summen bedingt, die die Mannschaften regelmäßig in ihre Kader pumpen und die komplett realitätsfern sind. Und dennoch ist man bei den Titelentscheidungen meistens bei den selben zwei bis drei Teams: Liverpool, Manchester City und Arsenal.

Und doch ist genau in diesem Jahr etwas passiert, was es lange nicht gab. Keiner dieser drei, und auch kein anderes Mitglied der Big Six, gewann in der letzten Saison den FA Cup. Dieser Titel ging an ein Team, das zuvor noch nie einen Pokal gewonnen hatte: Crystal Palace.

Eine willkommene Abwechslung

Dort ist der ehemalige Bundesliga-Trainer Oliver Glasner am Werk. Und wie schon in Frankfurt hat er es auch bei Crystal Palace geschafft, aus einem vorherigen Mittelfeldteam eine Mannschaft mit europäischen Ambitionen zu formen. Und wie schon in Frankfurt hat er sich unsterblich gemacht.

Was habe ich im Finale gegen Manchester City mitgefiebert. Mit Eberechi Eze, einem meiner Lieblingsspieler und Star des Teams. Mit Ismaila Sarr, der einst als Erbe von Michael Olise geholt wurde und endlich endgültig angekommen zu sein scheint. Mit Keeper Dean Henderson, der im Finale zum Elfmeterkiller wurde. Und mit all den anderen, die Fußballgeschichte geschrieben haben.

Eberechi Eze
Eberechi Eze verabschiedete sich mit dem FA Cup-Sieg von Crystal Palace – für 70 Millionen Euro wechselte er zu, FC Arsenal / Sebastian Frej/GettyImages

Im Fußball hat man solche Underdog-Stories immer seltener, für gewöhnlich machen eine Handvoll Klubs die Titel jährlich unter sich aus. Das hat mit der immer größer werdenden Schere zwischen arm und reich zu tun, die von der UEFA durch die Champions League-Reform noch befeuert wurde.

Wachstum schlägt Transferirrsinn

Teams wie Liverpool und City können so mit Geld nur so um sich werfen, Konsequenzen müssen sie nicht fürchten. Das Financial Fairplay bleibt mehr ein schlechter Witz als ein wirkliches Mittel, um die Ausgaben der Teams wirklich zu regulieren. Ja, auch die Eagles haben teilweise viel Geld in die Hand genommen – aber sie haben nicht mit horrenden Summen um sich geworfen.

Gerade einmal 55 Millionen Euro nahmen die Eagles beispielsweise in diesem Sommer in die Hand. Liverpool gab allein für Alexander Isak fast dreimal so viel aus. Und im Gegensatz zu vielen anderen Teams verbuchte Palace sogar ein Transferplus. Und auch vor der historischen Saison 2024/25 nahm man mit 91,90 Millionen Euro für englische Verhältnisse wenig Geld in die Hand.

Marc Guehi, Ismaila Sarr
Jubelschrei: Marc Guehi lieferte im Finale gegen City eine starke Leistung ab / Shaun Botterill/GettyImages

Das macht deutlich, dass ihr FA Cup-Triumph vor allem eins war: Die Krönung eines organischen Wachstums. Die Säulen um Eze, dem Ex-Mainzer Jean-Philippe Mateta, Rechtsverteidiger Daniel Munoz oder Innenverteidiger Marc Guehi waren alle schon lange da – Glasner war gewissermaßen das letzte Puzzleteil, das Palace fehlte, um richtig durchzustarten. "Die Spieler sind großartig, aber Glasner machte aus ihnen mehr als die Summe ihrer Teile", sagte beispielsweise der offizielle amerikanische Fanklub Eagles New York – und er hat Recht.

Unter Trainer-Routinier Roy Hodgson war Palace vor allem für Rumpel-Fußball und viel Kampf bekannt – typisch englisch eben. Glasner brachte einen frischen Stil nach London und setzte so das Potenzial der Spieler erst komplett frei. Das beste Beispiel dafür ist Adam Wharton. Der 21-Jährige zieht im Mittelfeld der Eagles die Fäden und entwickelte sich unter Glasner zu einem der begehrtesten Spieler des Kontinents.

Diese Liste ließe sich beliebig fortführen, nahezu alle Spieler erlebten unter Glasner den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere. Eberechi Eze spielte den besten Fußball seiner Karriere und Ismaila Sarr entwickelte unter dem Österreicher endlich die Torgefahr, die ihm zuvor noch abging.

Weiter nach oben?

All das gehört dazu, wenn man über den Erfolg von Crystal Palace spricht. Es ist vielleicht nicht so ein Märchen wie die Meisterschaft von Leicester City 2016, aber dennoch eine der schönsten Geschichten, die der Fußball in den letzten Jahren geschrieben hat.

Der Triumph der Eagles war gewissermaßen der Gegenentwurf zu Teams wie Manchester United oder Tottenham Hotspur, wo es gefühlt in jedem Sommer einen größeren Umbruch kommt. Die Eagles sind hier eine erfrischende Ausnahme, die gezeigt haben, dass es nicht immer die großen Summen braucht, um Titel zu gewinnen. Manchmal reicht schon etwas sehr viel Einfacheres, was im heutigen Fußball aber kaum noch vorhanden ist: Geduld und Vertrauen.

Und anders als die Meisterschaft der Foxes vor neun Jahren gibt es bei Crystal Palace die reelle Chance, dass dieser Triumph nur der Auftakt zu einer erfolgreichen Epoche war. Schließlich holten sie sich nach dem FA Cup-Sieg direkt auch den Community Shield gegen Liverpool. Und in der Liga liegt das Team nur drei Punkte hinter einem Champions League-Platz.

Crystal Palace nimmt also bisher ungeahnte Höhen ins Visier. So beweisen sie weiterhin, dass man im modernen Fußball auch ohne Milliarden etwas Großes schaffen kann. Und vielleicht ist das die ermutigendste Nachricht im modernen Fußball seit vielen Jahren. Ich freue mich jedenfalls auf alles, was noch kommt.


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