Schalke nur durch Glück Herbstmeister? Statistiken zeichnen ein anderes Bild
Von Yannik Möller

Spätestens nach dem 1:0-Sieg über den 1. FC Nürnberg vom vergangenen Sonntag muss sich der FC Schalke im Netz vermehrt den Vorwurf gefallen lassen, die Mannschaft würde unschönen Fußball spielen und viele ihrer Punkte über den Glücksfaktor holen. Der bereits vor dem letzten Hinrunden-Spieltag gekürte Herbstmeister sei ein schlicht unwürdiger Tabellenführer, heißt es zuweilen sogar.
Um diese These zu stützen, werden vorrangig zwei Statistiken hervorgehoben. Dabei geht es zum einen um die Siege, die der S04 bislang eingefahren hat: Von den bereits zwölf Dreiern in der 2. Bundesliga wurden ganze neun mit lediglich einem Tor an Vorsprung geholt. Zum anderen wird die Ballbesitz-Quote aufgeführt, bei der die Knappen im Ligavergleich mit 40,7 Prozent den letzten Platz belegen (via fotmob). Der Tenor: Schalke macht wenig und hat bei den bisherigen Erfolgserlebnissen eben viel Glück.
Ist das aber wirklich so? Wer sich nicht bloß mit diesen kaum aussagekräftigen Statistiken auseinandersetzt, sondern die Spiele selbst sieht und auch noch tiefergehende Statistiken anschaut, der stellt schnell fest: Nein, die Vorwürfe sind so nicht richtig.
S04 kombiniert starke Defensive mit bisher durchschnittlicher Offensive
Da ist zum einen die stabile Defensive. Mit einer Quote von gerade einmal 0,5 Gegentoren pro Spiel verfügt Schalke sogar im internationalen Vergleich über eine Top-Defensive. Schon neun Mal konnte Loris Karius gänzlich ohne Gegentor in den Feierabend gehen. Ein Wert, den in der 2. Liga lediglich Hertha BSC teilt. Es ist also ganz einfach: Wer nur sehr wenige Gegentore kassiert, der braucht auch nicht ganz so viele Tore, um Spiele für sich zu entscheiden. Sogar der Tabellenletzte Dynamo Dresden hat mehr Tore erzielt - und ist deshalb aber nicht automatisch erfolgreicher.
Doch auch der an dieser Stelle womöglich aufkommende Verdacht, Schalke würde dauerhaft nur den Bus parken und sich auf sehr wenige Torchancen verlassen, kann direkt entkräftet werden. Miron Muslic lässt seine Mannschaft mit einer der ligaweit höchsten Abwehrreihen verteidigen. Eine Beobachtung, die zumeist nur bei Mannschaften gemacht wird, die selbst auf viel Ballbesitz setzen. Zugleich steht der S04 in der Statistik der erwartbaren Tore (xG-Wert über alle Spieltage kumuliert) im Mittelfeld der Liga (22,9 erwartbare Tore - es wurden sogar nur 21 erzielt!) und gehört nicht etwa zu den dahingehend schwächsten Teams. Das gilt beispielsweise auch für die reine Anzahl an Torschüssen pro Spiel und die herausgespielten Großchancen.
Schalke hat mit Abstand die meiste Spielkontrolle
Was sich bereits kombinieren lässt, stellt zurzeit auch das Datenportal Opta übersichtlich zusammen. Für die 2. Liga hat Opta eine Tabelle anhand des Faktors der Spielkontrolle erstellt. Diese Kennzahl fasst unter anderem Aspekte wie Druckphasen, die eigene sowie gegnerische Ballkontrolle im Sinne von Feldpositionen oder die Orte der gespielten Pässe zusammen.
Und hier ergibt sich ein tatsächlich sehr deutliches Bild: Mit aufgerundet 179 Punkten steht Königsblau auf Rang eins. Der erste Verfolger ist der 1. FC Kaiserslautern, der aber lediglich 125 Punkte attestiert bekommt. Erst ab Rang zwölf fällt der Wert unter die dreistellige Marke, was noch einmal deutlicher macht, wie viel Spielkontrolle der Muslic-Mannschaft wirklich zugeschrieben wird. An dieser Stelle wird einmal mehr klar: Spielkontrolle misst sich längst nicht nur am Ballbesitz.
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— Alex_GE (@Alx_ge) December 17, 2025
Für den Spielstil, den Schalke verfolgt, ist es sogar hilfreich, den Ball selbst weniger zu haben. Der Fokus liegt auf dem Pressing, auf möglichst hohe Ballgewinne und eine zugleich stabile Defensive. Insofern ist es den Knappen regelrecht egal, ob sich die gegnerische Mannschaft bei 80 Prozent an Ballbesitz das Spielgerät in Zonen hin- und herschiebt, in denen sie nicht gefährlich werden können.
Der Zweitliga-Herbstmeister braucht also nicht unbedingt den Ball, um das Spiel zu kontrollieren. Im Gegenteil. Insofern ist es einfach nicht korrekt, Schalke zu attestieren, insbesondere wegen der zumeist knappen Siege seien die vielen Punkte bislang durch Glück eingefahren worden.
Viel mehr ist es eine ganz bewusste Prioritätensetzung, die Muslic verfolgt und frühzeitig interpretiert hat. Diesen Spielstil kann man gut und gerne wegen einer vermeintlichen Unattraktivität kritisieren, ihn im Hinblick auf Spielphasen, in denen aus eigenem Ballbesitz heraus auch Großchancen herausgespielt werden müssen, auch für (zurzeit noch) unzureichend halten. Der Kritikpunkt, der S04 wäre bloß durch viel Glück und schwarze Magie zum Herbstmeister geworden, ist jedoch objektiv nicht korrekt.
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