Werder Bremen beweist Mentalität und gewinnt im Stile des Ketchup-Flaschen-Prinzips
Von Marc Knieper

Nach dem hervorragenden 5:1-Auswärtserfolg des SV Werder Bremen im Kellerduell gegen den SC Paderborn hätte es sie gegeben: die pathetischen, hoffnungsvollen "Der SVW ist wieder da"-Rufe im grün-weißen Auswärtsblock. Auf den starken Support ihrer Fans müssen die Spieler - der aktuellen Situation geschuldet - jedoch verzichten. Dennoch beweisen die Bremer Mentalität und Siegeswillen. Zwei nötige Attribute, die den Abstiegskampf befeuern und Optimismus verstreuen.
Noch kein einziges Mal gewannen die Bremer in dieser Saison mit einem Zwei-Tore-Abstand. Gegen Paderborn wurde dieser Negativtrend kurzerhand eliminiert. Die Elf von Cheftrainer Florian Kohfeldt gewann mit 5:1 gegen das ideenlose und ungefährliche Schlusslicht aus Paderborn. Besonders Niclas Füllkrug konnte sich über ein gelungenes Comeback freuen. Der Mittelstürmer feierte nach 273 Verletzungstagen sein Comeback und traf prompt zum 5:1-Endstand.
Die Bremer gewannen tatsächlich mit 5:1 und besiegten ihren Tabellen-Nachbarn somit im Stile des vom Eintracht-Profi Ilsanker ins Leben gerufene Ketchup-Flaschen-Prinzip: Lange kommt gar nichts und dann alles auf einmal. Das Bremer Torschützenfest in der 90min-Analyse:
Werder im Aufwärtstrend
- 5 Ligatore erzielte der SVW zuletzt im April 2017
- Umgedrehter Spieß: die Bremer treffen per Kopf und nach Standard
- M. Eggesteins erstes Tor seit Januar 2019
- Füllkrugs drittes Ligator im fünften Spiel
- 5 Tore erzielten die Hanseaten in den vorherigen 10 Ligaspielen zusammen
Die Köpfe der Spieler scheinen endlich frei. Bis auf einige Anfangsminuten der zweiten Halbzeit hatten die Norddeutschen das Zepter der Partie voll und ganz in der Hand. Mentalität und Siegeswille wirkten sich positiv auf das Spielerische aus. Eine Ausnahme gab es jedoch: Der zuletzt schwächelnde Milot Rashica verschießt beim Stand von 0:0 in der 19. Minute den immens wichtigen Elfmeter, der sowohl das gesamte Team als auch ihn auf die Erfolgsspur leiten sollte.
Der nur wenige Spielzüge spätere Mega-Kopfball von Leistungsträger Davy Klaassen verhinderte allerdings Schlimmeres und bescherte den Bremern den Führungsjubel. Der Holländer war der Mann des Spiels, schoss zwei Tore und leitete eins ein. Klaassen verhinderte den Fall ins Depri-Loch.
Nach verschossenem Elfmeter: Rashicas Torflaute hält an
Rashica aber steckt noch immer mitten in genau diesem Loch. Der verwandelte Elfmeter hätte sein persönlicher Wendepunkt werden können. Stattdessen steckt der Kosovare weiterhin in einer Formkrise. Bis zu seiner Auswechslung in der 59. Minute gelang dem Flügelflitzer - bis auf eine starke Freistoßflanke vor dem 3:0 - herzlich wenig.
Trainer Kohfeldt machte seinem Schützling nach der Partie allerdings keine Vorwürfe. Torhüter Zingerle parierte stark, der Elfmeter war nicht zu lasch geschossen. Rashica machte vieles richtig, das Quäntchen Glück fehlte ihm aber auch in dieser Situation. Es ist besonders auffällig, dass der Bremer Top-Torjäger (sieben Treffer) zuletzt häufiger seine Dribblings abbricht, lieber noch einmal hinten rumspielt und auch den Torabschluss nur noch selten sucht.
Kohfeldt kündigte nach der Partie an, in den kommenden Tagen noch einmal ein intensives Einzelgespräch mit Rashica zu suchen. Von einem motivierten und vor allem endlich wieder selbstbewussten Milot Rashica könnte die gesamte Mannschaft profitieren.
Wer schießt nun die wichtigen Elfmeter?
Die Elfmeterquote der Bremer passt übrigens zum Verlauf ihrer Saison. Lediglich drei von sechs Elfer versenkten die Grün-Weißen im gegnerischen Tor (Klaassen: 1 von 3, Rashica: 2 von 3). Falls es noch einmal dazu kommt, steht nun also einmal mehr die Frage im Raum, wer den so wichtigen Strafstoß im Saisonfinale treten soll.
Kohfeldt hatte sich vor der Saison auf keinen bestimmten Spieler festgelegt, sondern lediglich eine Auswahl an Spielern benannt. Hierzu zählen:
- Milot Rashica
- Davy Klaassen
- Ludwig Augustinsson
- Leonardo Bittencourt
Angesichts des aktuellen, persönlichen Aufschwungs bieten sich hier vor allem Klaassen und Bittencourt an. Denn auch Letzterer weiß seit dem Restart zu überzeugen, traf gegen Freiburg und Schalke jeweils zum 1:0-Endstand.
Niclas Füllkrug: Launisch, bissig, kaltschnäuzig
Das Füllkrug-Comeback versprüht eine Menge Hoffnung im Abstiegskampf. Der 27-Jährige war schon häufig verletzt, kam immer wieder zurück und bewies, dass er es wirklich möchte. 'Lücke' ist ein wahrer Kämpfer, der die zuletzt immer vermisste Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor an den Tag legt. In den kommenden drei Endspielen könnte er zu einem ganz wichtigen Faktor werden.
Du kommst rein, hast direkt einen Ballgewinn, wirst gelbwürdig gefoult, regst dich drüber auf. Forderst vehement den Ball, bekommst ihn einen Moment später und versenkst ihn.
— Timo Flathmann (@TimoFlathmann) June 13, 2020
Ich hätte nicht gedacht, dass #Füllkrug DIESES Element direkt wieder einbringen kann.#Werder #SCPSVW
Direkt nach seinem Tor ging es dann schnurstracks zum Coach. Florian Kohfeldt wird von den Spielern übrigens sehr geschätzt. Und spätestens das folgende Bild dürfte alle Kritiker, die behaupten, dass der Trainer die Mannschaft nicht mehr erreicht, zumindest ins Grübeln bringen.
Den Paderborn-Effekt wahren
Am kommenden Dienstag erwarten die Werderaner dann den FC Bayern im heimischen Weserstadion. Hier gilt es, sich nicht völlig abservieren zu lassen, sondern den Paderborn-Effekt noch über die Partie hinaus mit in die abschließenden Spiele gegen Mainz und Köln zu nehmen. Sofern die Düsseldorfer gegen Leipzig mehr Tore kassieren als Werder gegen den designierten Meister, könnten die Grün-Weißen trotz Niederlage sogar auf den Relegationsplatz klettern.
Neulich am Tabellenende... @OlisCartoons #SVW #F95 #Bundesliga pic.twitter.com/LEBiKK2tRh
— RevierSport (@RevierSport) June 13, 2020
Das Problem ist und bleibt aber die Heimschwäche der Kohfeldt-Elf. Am Osterdeich gewannen die Bremer nur eine einzige Partie in dieser Spielzeit. Schaut man auf die Auswärtstabelle (Platz 8), so würde man gar nicht vermuten, dass die Jungs tief im Abstiegskampf stecken.
Aber auch, wenn Werder es am Ende nicht gelingt, die Klasse zu halten, kommt es auch darauf an, wie man sich verabschiedet. Und gegen den SCP bewies der Klub durchaus seine Bundesliga-Tauglichkeit.