Zittern bis zum Schluss? Diese Faktoren umkurven Werders Abstiegskampf

Wütend, enttäuscht, überrascht: Die Werder-Gesichter nach dem Hoffenheim-Spiel
Wütend, enttäuscht, überrascht: Die Werder-Gesichter nach dem Hoffenheim-Spiel / Alex Grimm/Getty Images
facebooktwitterreddit

Bei Werder Bremen gerät man in Sorge, wieder einmal bis zum bitteren Saisonende um den Klassenerhalt kämpfen zu müssen. Die Verantwortlichen sind sich dessen bewusst und geben in den kommenden Wochen alles, um ein solches Szenario zu verhindern. 90min listet die Hauptfaktoren, die zu einem frühen Klassenerhalt beitragen würden.

Die überraschende Arbeitsverweigerung der Grün-Weißen am Sonntagabend in Sinsheim bringt das Bremer Abstiegsgespenst zurück ins Spiel. Tatsächlich war das 0:4 gegen Hoffenheim gespenstisch schlecht. Alle vorherigen Arbeitsschritte - vor allem in der Defensive - wurden kurzerhand über Bord geworfen. Fatale Fehler, ein miserables Raumverhalten und "billige" Gegentore prägten nach Abpfiff den selbstkritischen Gemütszustand aller Bremer Akteure.

"Ich bin überrascht, enttäuscht und ein Stück weit sauer", resümierte Frank Baumann die höchste Saisonniederlage in einer Medienrunde am Montag. Jeder Einzelne, aber auch das Team als Kollektiv habe eine Leistung geboten, "die nicht ausreicht, um in der Bundesliga Punkte zu holen". Das müsse sich bereits am Freitag gegen Eintracht Frankfurt, der formstärksten Mannschaft der Liga, ändern. Mit der nötigen Prise "Aggressivität, Gier und dem Dagegen-Stemmen" könne man für eine Überraschung sorgen, meint Werders Sportdirektor.

Baumann kann Zitterpartie bis zum letzten Spieltag "nicht ausschließen"

Für Werder ist klar, dass sich die von Sky-Moderator Ulrich Potofski bereits am Wochenende angeführte Fußballfloskel "Lieber einmal 0:4 verlieren als viermal 0:1" nun bewahrheiten muss. Andernfalls rücken die Hanseaten noch einmal ganz tief in den Abstiegskampf. Davon möchte man in Bremen übrigens nicht sprechen. Stattdessen kämpfe man "um den Klassenerhalt", so Baumann, der ein erneutes Bangen bis zum letzten Spieltag aber "nicht ausschließen" kann.

Panikmache sei zwar fehl am Platz, man sollte jedoch "sehr wachsam" sein, warnt Cheftrainer Florian Kohfeldt: "Unser Ziel war es, stabil in der Liga zu bleiben. Es sind weiter fünf Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz."


Die aktuelle Bundesliga-Tabelle:

11. Hoffenheim: 26 (Punkte)
12. Werder Bremen: 23
13. Augsburg: 23
14. FC Köln: 21
15. Hertha: 18
16. Bielefeld: 18
17. Mainz: 17
18. Schalke: 9

Stand: 23.02.2021; Werder und Bielefeld mit einem Spiel weniger


Die kommenden Wochen sind dabei wieder einmal richtungsweisend und haben es wahrlich in sich. Nach dem Heimspiel gegen Frankfurt reisen die Bremer am kommenden Dienstag für das Pokal-Viertelfinale nach Regensburg. Im Spiel am Sonntag in Köln sowie im Nachholspiel gegen Bielefeld am darauffolgenden Mittwoch (10.03.) geht es dann gegen unmittelbare Konkurrenten.

Folgende Faktoren müssen in den kommenden Spielen wieder einwandfrei funktionieren, damit Werder nicht noch einmal um den Abstieg kämpfen muss:

1. Das Comeback von Rashica

Milot Rashica (24) hinkt deutlich hinter den Erwartungen
Milot Rashica (24) hinkt deutlich hinter den Erwartungen / Stuart Franklin/Getty Images

Zwölf Spiele, zwei Vorlagen: so lautet die magere Ausbeute von Milot Rashica in der laufenden Spielzeit. Hätte man das einem Werder-Fan Ende 2019 erzählt, so hätte dieser nur laut gelacht. Damals war Rashica satte 35 Millionen (!) Euro wert und zog wahrlich die Blicke der gesamten Bundesliga auf sich. Vergleiche mit Dortmunds Jadon Sancho waren keine Seltenheit.

Doch seitdem geht es gehörig bergab. Gut anderthalb Jahre später ist Rashica nur noch zwölf Millionen Euro wert. Die Grün-Weißen hatten es verpasst, den Shootingstar im Sommer immerhin für knapp 20 Millionen Euro zu verkaufen.

Allerhöchste Eisenbahn für Rashica, wieder ordentlich auf die Tube zu drücken - und dabei vor allem an Werder, aber auch an sich selbst zu denken. Die Entwicklung des Flügelflitzers ist - auch aufgrund von Verletzungsproblemen - wahrlich erschreckend. Überspitzt gesagt kann man mit Blick auf die Entwicklung seines Marktwertes bei zunehmender Leistungsabnahme schon bald damit rechnen, dass er für die damals investierten sieben Millionen Euro im Sommer wieder in die niederländische Eredivisie zurückkehrt.

So manch ein Fan fragt sich jedenfalls nicht umsonst: Wer will den Jungen im Sommer überhaupt noch haben? Zuletzt setzte Rashica immerhin einige Offensivakzente, nachdem man im Sommer nach den gescheiterten Transfers schon die Sorge hatte, dass er sich bei Werder überhaupt nicht mehr reinhängen wird. Dennoch muss da noch mehr kommen - für den Verein und den Spieler selbst!

2. Die Bremer Torlaune

Niclas Füllkrug ist mit vier Toren (gemeinsam mit Bittencourt) weiterhin Werders Top-Torschütze der laufenden Spielzeit
Niclas Füllkrug ist mit vier Toren (gemeinsam mit Bittencourt) weiterhin Werders Top-Torschütze der laufenden Spielzeit / Adam Pretty/Getty Images

Neben dem Comeback des einstigen Leistungsträgers Rashica, wäre in Bremen sicherlich auch ein weiterer Lauf von Angreifer Niclas Füllkrug erwünscht. Bereits in der vergangenen Seuchensaison belebte sein Comeback nach Verletzung die Offensive und generelle Spielfreude im Klub.

Dennoch kann Füllkrug die Hanseaten natürlich keinesfalls alleine aus der Bredouille schießen. Lücke, wie er am Osterdeich liebevoll genannt wird, war erneut lange verletzt. Es mag zwar durchaus sein, dass das Goalgetter-Blut durch seine Adern fließt - doch kann er es erneut abrufen?

Einzig und allein auf Füllkrug dürfen die Bremer Hoffnungen in den kommenden Wochen somit nicht beruhen. Als Kollektiv müssen bessere Lösungen im Offensivspiel her, denn nur mit Toren kannst du dich schlussendlich auch befreien. Wie das klappen soll, ist angesichts der erschreckenden Torausbeute von Josh Sargent, Davie Selke und Co. fraglich.

Werders Offensive tut keiner Fliege was! Dabei bringen Kreativ-Spieler wie Leo Bittencourt oder aber Romano Schmid häufig frischen Wind in das Spiel.

3. Das Vertrauen in sich selbst

Werder möchte mit den "jungen Wilden" die Klasse halten
Werder möchte mit den "jungen Wilden" die Klasse halten / Stuart Franklin/Getty Images

Der wohl wichtigste Punkt für eine jede Mannschaft, die sich mit Abstiegssorgen herumtreibt, ist das nötige (Selbst-)Vertrauen. Das hat Werder im Spiel gegen Hoffenheim einfach gefehlt. Dabei sind Fehler in der Defensive - früher oder später - zwangsläufig und unvermeidbar.

Ein Ömer Toprak oder aber Theodor Gebre Selassie erwischt trotz aller Routine und Coolness eben auch einmal einen schlechten Tag. Wichtig ist dann, dass die "jungen Wilden" sich nicht verstecken und Verantwortung übernehmen. Felix Agu hat das auf der linken Seite gegen Hoffenheim bewiesen und als einziger Werderaner überhaupt einmal "gefährliche" Akzente nach vorne gesetzt.

Mit dieser Mischung aus jungen und alten Spielern hat Werder theoretisch das Potenzial, die Liga zu halten. Wenn man weiter an sich glaubt und auch (einstige) Leistungsträger wie Rashica und Füllkrug sich adäquat adaptieren, kann dies auch durchaus schon vor dem letzten Spieltag geschehen.

Wichtig ist, dass Kohfeldt seine Mannschaft weiterhin erreicht und passend aufstellt - gegebenenfalls auch etwas mutiger. Ausschließlich zu mauern bringt nichts. Früher oder später flutscht ohnehin ein Ball durch. Vorne müssen Tore her!

Der unheimliche Support der Bremer-Fans stärkt den Spielern hierbei noch zusätzlich den Rücken - und das trotz Corona und leerem Stadion. Davy Klaassen sagte erst kürzlich in einem kicker-Interview, dass man während der Relegationsspiele im vergangenen Jahr gespürt habe, wie wichtig der Klassenerhalt den Fans und der gesamten Stadt war. "Man hat einfach gemerkt, dass man für ganz Bremen gespielt hat", betonte der einstige Mittelfeld-Motor der Grün-Weißen.