Wer neben Favre noch zur BVB-Talfahrt beigetragen hat
Von Jan Kupitz

Am Ende ging alles ganz schnell: Keine 24 Stunden nach dem Schlusspfiff der Stuttgart-Partie wurde Lucien Favre von Borussia Dortmund vor die Tür gesetzt. Die Stimmung im BVB-Lager war zuletzt spürbar gereizt - die Bosse sahen keinen anderen Ausweg, als eine Trendwende durch den Trainerwechsel einzuleiten.
Auch wenn Favre sicherlich nicht fehlerlos war und ihm oftmals die fehlende Emotionalität vorgeworfen wurde, so wäre es viel zu einfach, ihm allein die Schuld an der jüngsten Talfahrt zu geben. Wer sich ebenfalls einen Vorwurf gefallen lassen muss:
1. Hans-Joachim Watzke
Seitdem Jürgen Klopp den BVB im Jahr 2015 verlassen hat, hatten die Schwarz-Gelben einige fähige Trainer auf der Bank setzen: Thomas Tuchel, Peter Bosz und Lucien Favre - sie sind fachlich über alle Zweifel erhaben und hatten auf nahezu jeder ihrer Stationen (teilweise beträchtlichen) Erfolg. Doch in Dortmund wurden alle drei nicht glücklich.
Das rückt unweigerlich auch BVB-Boss Watzke in den Vordergrund, der einst übrigens der ausgesprochene Befürworter von Favre war. Seitdem Klopp weg ist, wird jeder Coach mit dem allmächtigen 'Pöhler' verglichen - nicht zuletzt auch, weil Watzke seinen ehemaligen Weggefährten immer wieder ins Gedächtnis ruft und dafür sorgt, dass es seine Nachfolger durch die ständigen Vergleiche schwerer haben als ohnehin schon.
Irgendwann sollte man in Dortmund kapieren, dass Klopp weg ist und man ihn (sehr wahrscheinlich) auch nicht zurückbekommen wird. Stattdessen wären Rückendeckung und Verständnis für den jeweiligen BVB-Coach angebracht - auch bzw. vor allem von Watzke! Dass Favre kein Emotionsmonster ist, wusste man ja nicht erst seit seinem Amtsantritt in Dortmund.
Watzke mag darauf verweisen, dass man über die letzten zehn, fünfzehn Jahren gesehen nicht so viele Trainerwechsel hatte - stimmt! Weil Klopp so lange da war. Doch schaut man sich nur die letzten fünf Jahre an, so ist Edin Terzic eben schon der fünfte Trainer (neben den drei genannten gab es auch noch Peter Stöger). Kontinuität sieht anders aus.
2. Michael Zorc
So grandiose Arbeit Michael Zorc seit Jahren auch leistet: Zuletzt verpasste es der Kaderplaner, einen zweiten Stürmer für den BVB zu verpflichten. Erst war Paco Alcacer ohne Backup, nun ist es Erling Haaland. Und kaum fällt der Norweger aus, bringt Schwarz-Gelb offensiv nichts zustande und gerät in eine Krise.
Da mag man in Dortmund noch so oft auf Youssoufa Moukoko verweisen: Der Junge ist im letzten Monat 16 (!) geworden - es kann doch niemand ernsthaft verlangen, dass der Youngster jetzt die Kohlen aus dem Feuer holt. Erst recht nicht bei einem vermeintlichen Titelanwärter wie Borussia Dortmund.
Diesen Fehler, der auch zu Favres Scheitern beigetragen hat, muss sich Zorc auf die eigene Fahne schreiben.
3. Marco Reus
Favre und Reus kannten sich schon aus gemeinsamen Zeiten bei Borussia Mönchengladbach - der BVB-Kapitän soll daher einer der größten Befürworter gewesen sein, als der Schweizer in Dortmund anheuerte. Und lange Zeit lieferte Reus für seinen Förderer auch richtig, richtig gut ab. Außer in den letzten Monaten.
Seit Reus von seiner schweren Verletzung zurück ist, wurde er von Favre regelmäßig aufgeboten, um zurück zu seiner Form zu finden. Doch der 31-Jährige fand sie nicht - und ist auch einige Monate später noch immer auf der Suche. Das Vertrauen, das sein Trainer immer wieder in ihn setzte, konnte der Spielmacher nicht ansatzweise zurückzahlen. Und das, obwohl es einen Anführer in der Offensive soooo dringend gebraucht hätte!
4. Fans
Ja, auch die sogenannten "Fans" haben ihren Teil dazu beigetragen, dass es beim BVB zuletzt bergab ging. Sobald es auch nur das kleinste Anzeichen eines Ausrutschers gab, häuften sich in den sozialen Medien die Forderungen nach einem Favre-Rauswurf. Oftmals sehr geschmacklos mit Favres Gesicht in einem Fadenkreuz. Pfui!
Kritik schön und gut, aber der Shitstorm, der sich seit geraumer Zeit im Netz gegen den BVB-Trainer breit gemacht hat, war nicht nur zu viel des Guten, sondern dürfte zur gereizten Stimmung im schwarz-gelben Lager auch seinen Anteil beigetragen haben. Und das beim Trainer, der den besten Punkteschnitt der Historie aufweist.