Wagner erklärt Schalkes fehlende Spielidee - eine Einordnung der genannten Gründe

S04-Coach David Wagner erklärt seine Gründe für den ausbleibenden Spielstil
S04-Coach David Wagner erklärt seine Gründe für den ausbleibenden Spielstil / Pool/Getty Images
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Die 1:4-Niederlage gegen den VfL Wolfsburg hat auf Schalke neue Fragen aufgeworfen und erneut für schlechte Stimmung gesorgt. David Wagner erklärte nach dem Spiel, warum es seiner Ansicht nach an Automatismen und klaren Spielabläufen seiner Mannschaft mangelt.
Ein einordnender Blick auf die vom S04-Coach genannten Aspekte.

Am Samstagnachmittag wusste der VfL Wolfsburg das umzusetzen, an was es Schalke 04 seit Wochen und Monaten mangelt: Klare Spielzüge, ein intensives Offensivspiel, Kombinationen bis an oder gar in den gegnerischen Strafraum hinein.

Nach dem Spiel wollte kicker-Reporter Toni Lieto von David Wagner wissen, wieso das Schalker Spiel so sehr nach Zufall und so wenig nach einer spielerischen Idee aussehe.

Wir werfen einen Blick auf die jeweiligen von Wagner genannten Aspekte und gegebenen Antworten.


"Falsche Fragestellung"? Wagner weiter mit Fokus auf verletzte Spieler

Die erste Reaktionen Wagners hat zwar zunächst mit der spielerischen Linie nichts zu tun, doch sollte sie trotzdem erwähnt werden. Es wird gefragt, wieso es - ungeachtet der Verletzten-Misere - keine spielerische Linie gibt. Für den Trainer eine "falsche Fragestellung", wie er erklärt. Schließlich, so stellt Wagner erneut klar, müsse man immer bedenken, wie viele Spieler derzeit und über einen gewissen Zeitraum verletzt ausfallen.

David Wagner bemüht sich um eine Begründung zur schlechten Lage
David Wagner bemüht sich um eine Begründung zur schlechten Lage / INA FASSBENDER/Getty Images

An dieser Stelle gilt es nochmal festzuhalten: Ja, Schalke muss sehr viele verletzte Spieler ersetzen. Darunter die wichtige Mittelfeld-Achse um Omar Mascarell, Suat Serdar und Amine Harit. Mit Salif Sané, Benjamin Stambouli und Jean-Clair Todibo fehlen auch in der Innenverteidigung wichtige Namen. Das ist richtig, das möchte niemand abstreiten - und dennoch ist es für die weitere Beobachtung der Auftritte der gesamten Rückrunde wichtig, dass man auch über diese Verletzten hinausblicken kann.


Fehlende Automatismen und Strukturen: Schalker Training nur für die Startelf?

Automatismen und somit eine Spielidee ergeben sich aus Training, vor allem aus konstantem Training, erklärt Wagner sinngemäß weiter. Zudem fügt er noch hinzu, dass es dafür auch eine Voraussetzung ist, dass Spieler auf ihren Positionen trainieren wie spielen können - auch Spieler aus U19 und U23 kämen hinzu, die immer mal wieder beim Training bei wären, dann mal wieder nicht. Die Konstanz darin sei in dieser Periode seit Monaten nicht gegeben, erklärt der Coach.

David Wagner beim Training: Großteil der Mannschaft ist seit Saisonstart dabei
David Wagner beim Training: Großteil der Mannschaft ist seit Saisonstart dabei / TF-Images/Getty Images

Da Wagner selbst betont, die Verletzten können nicht ausgenommen werden, und er ebenfalls stets betont, diese Misere bestünde "seit Monaten", oder wie er es zuletzt formulierte "seit Anfang, Mitte Februar": Seit dieser Zeit sind manche Spieler ganz ausgefallen, andere für kürzere Phasen.

Was aber über allem steht: Bis auf ganz wenige Ausnahmen trainieren alle Spieler, die zurzeit spielen, seit Wagners Amtsantritt mit.

Die wenigen Ausnahmen sind die beiden U19-Spieler Malick Thiaw und Can Bozdogan. Timo Becker aus der U23 stand bereits seit dem elften Spieltag immer im Kader, trainierte somit seit November mit, fällt aus dieser Begründung also raus. Dazu kommen also noch die beiden im Winter ausgeliehenen Michael Gregoritsch und Jean-Clair Todibo - die beiden sind seit Januar im Training.

Seit Kurzem bei den Profis: Can Bozdogan hinterlässt einen guten Eindruck
Seit Kurzem bei den Profis: Can Bozdogan hinterlässt einen guten Eindruck / Lars Baron/Getty Images

Um es klar zu formulieren: Für diese wenigen Ausnahmen gibt es etwa fünf Monate Training, für alle anderen Spieler (kurze Verletzungsphasen inbegriffen) ist es eigentlich die ganze Saison. Automatismen und Abläufe werden nicht nur für die berühmtem Spieler eins bis elf und die dazugehörigen drei Einwechslungen trainiert, sondern mit der ganzen Mannschaft. Somit muss auch die Mannschaft, die seit der Rückrunde beisammen und durch Verletzungen verkleinert ist, in der Lage sein, die "spielerische Linie" umsetzen zu können.

Die Corona-Pause, die übrigens alle Vereine getroffen hat, fiel dabei in die Zeit, als sich Thiaw und Bozdogan (zu der Zeit noch in der Reha) dem Profi-Kader annäherten. Das restliche Team hatte ebenso Zeit, sich mit dem Trainer auf die übrigen Spiele vorzubereiten, wie alle anderen Klubs auch - das darf also nicht als Ausrede herhalten.


Spieler auf falschen Positionen - Wagner lebt es doch vor?

Dass einige Spieler auf anderen Positionen auflaufen und somit andere Rollen und Aufgaben übernehmen müssen, als sie es vielleicht gewohnt sind, ist zwar richtig. Doch auch hier empfiehlt sich ein genauerer Blick. Bastian Oczipka rückte zuletzt wieder in die Innenverteidigung, erledigte diese Aufgabe aber durchaus solide.

Gleichzeitig lief Harit in einigen Spielen der Saison auf dem Flügel auf, wobei seine Stärken klar als Spielmacher in der Zentrale liegen. Diese Aufstellung erfolgte immer ohne Not. Auch Bozdogan musste zuletzt auf den Flügel rücken, obwohl er wie Harit zentral seine Stärken umso besser ausspielen könnte. Währenddessen übernahm Schöpf diese Position, obwohl es mit Levent Mercan einen weiteren Spieler gegeben hätte, der ihn ebenso hätte ersetzen können - zudem ist der 19-Jährige seit der Saisonvorbereitung im Sommer im Mannschaftstraining.

Alessandro Schöpf spielte oftmals auf für ihn neuen Positionen
Alessandro Schöpf spielte oftmals auf für ihn neuen Positionen / Pool/Getty Images

Matondo übernahm Aufgaben im (Zweier-)Sturm, weil der Flitzer mit langen Bällen geschickt werden sollte, während sich Schalke tief in die eigene Hälfte fallen ließ. Stattdessen hätte er auch - wie gewohnt - in einer anderen Spielform auf dem Flügel aufspielen können. Für den Sturm gab es Woche für Woche mit Ahmed Kutucu auch Startelf-Alternativen, Benito Raman stand ebenso bereit.

Die Aussage, Automatismen können nur über Konstanz (und diese nur über regelmäßiges Training mit Spielern auf ihren gewohnten Positionen) entwickelt werden, wird durch Wagner selbst zu großen Teilen konterkariert. Schließlich stellt er persönlich Spieler im Spiel oftmals ohne Not auf Positionen auf, auf denen sie normalerweise nicht beheimatet sind - einfach nur mit dem Ziel, um eine deutlich defensivere wie mutlosere Herangehensweise umsetzen zu können, weil die Spielform der Hinrunde angeblich nicht möglich ist. Das hat er selbst regelmäßig und sehr deutlich betont.


Keine Konstanz, also keine spielerische Linie - Wagner stellt sich vor junge Mannschaft

Am Ende, unter Berücksichtigung seiner genannten Aspekte, gibt Wagner zu, sei es nicht wirklich überraschend, dass derzeit keine spielerische Linie vorhanden beziehungsweise zu erkennen sei. Für ihn ist und bleibt die Verletzten-Misere das ausschlaggebende Argument, das sich seiner Ansicht nach über verschiedene Bereiche (Automatismen, Training, Positionen/Rollen) durchzieht.

Der "große individuelle Fehler" Juan Mirandas vor dem Gegentor gegen Union Berlin
Der "große individuelle Fehler" Juan Mirandas vor dem Gegentor gegen Union Berlin / Pool/Getty Images

Nichtsdestotrotz, so Wagner weiter, stelle er sich vor diese junge Mannschaft. Das ist zwar doppelt richtig, aber auch nicht wirklich wahr: Die Truppe ist derzeit sehr jung, was gut ist, aber auch Fehler provozieren mag. Dass er sich vor sie stellt, wäre richtig und glaubhaft, wenn er nicht immer wieder auf den "großen individuellen Fehlern" herumreiten würde, mit denen er beispielsweise Todibo und Juan Miranda meinte, wegen denen S04 in zwei Partien in Rückstand geraten war.

Die gesamte, aktuell noch übrige Mannschaft als "seit Anfang, Mitte Februar nicht konkurrenzfähig" zu bezeichnen, würden die meisten Spieler wohl auch nicht als Schutzmaßnahme verstehen.


Fazit: Verletzte Spieler werfen Schalke zurück - grundsätzliche Ausrede aber sehr falsch

Ein Fazit lässt sich ziehen. Die verletzten Spieler schwächen Schalke definitiv, nicht nur in der Anzahl, sondern auch durch die jeweiligen Personen und ihren Einfluss aufs Spiel von Königsblau. Das ist richtig, das darf nicht vergessen werden.

Dennoch werfen so einige Aussagen von David Wagner Zweifel auf. Auch die aktuelle Truppe muss normalerweise in der Lage sein, den seit Sommer anvisierten Spielstil mit klarer Linie und Automatismen umzusetzen, selbst wenn vielleicht die Konsequenz an der einen oder anderen Stelle fehlen würde. Die große Mehrheit der Spieler trainiert schließlich seit der Vorbereitung unter ihm, nur wenige Spieler sind zusätzlich hinzugekommen - und auch bei ihnen gab es mehrere Monate bis zum Re-Start der Liga.