Vogt mit dem Versuch eines Weckrufs - Atmosphäre bei Werder Bremen ist zu lieb
Von Guido Müller

Sieben Heimspiele in Folge verloren, nach 25 Spielen nur 18 von 75 möglichen Punkten geholt. Eigentlich sollte bei Werder Bremen nach der Corona-Pause alles besser werden. Doch der gestrige Heimauftritt gegen Bayer Leverkusen (1:4) hat nochmals schonungslos die Diskrepanz zwischen Ankündigungen und Taten bei den Norddeutschen aufgedeckt. Für Kevin Vogt Grund genug, mal etwas lauter auf den Tisch zu hauen.
Geht Werder Bremen zu blauäugig mit der Krise um?
Ein Vorwurf begleitet die Bremer Verantwortlichen in Bezug auf ihren Umgang mit der Krise schon seit längerem: Nämlich die Situation offenbar nicht vollumfänglich erfasst zu haben. Seit Wochen (wenn nicht Monaten!) beschränken sich Frank Baumann, Florian Kohfeldt und Co. darauf, ihre Mannschaft mit Samthandschuhen anzufassen. Fast nach jedem (verlorenen) Spiel wird auf bestimmte Umstände verwiesen, wird von "kleinen Abstimmungsproblemen" berichtet, die man "definitiv abstellen" müsse.
In so gut wie keiner Woche waren die Macher an der Weser um eine Ausrede angesichts der dargebotenen Leistungen verlegen. Doch der große Schlag auf den Tisch, der dann womöglich wie ein ultimativer Weckruf auf den in selbstgefälliger Lethargie erstarrten Kader wirken könnte, bleibt regelmäßig aus.
""Es muss in den Zweikämpfen auch mal richtig rauchen." "
- Kevin Vogt findet sein Team zu nett
Und so kann es nicht verwundern, dass sich nun mit Kevin Vogt ausgerechnet ein Spieler mit einer klaren Ansage zu Wort meldet, der erst seit dem letzten Winter Teil der grün-weißen Werder-Familie ist. Und voraussichtlich im Sommer auch schon wieder zurück in den Kraichgau kehren wird. Im Werder-Strom-Talk (via kicker) nahm der Verteidiger jedenfalls kein Blatt vor den Mund: "Wir müssen noch ein Stück weit ekliger werden und uns mehr aufbäumen. Wir haben gestern nicht eklig genug gespielt. Da muss der Schalter schnell umgelegt werden, so viele Spiele gibt es nicht mehr. Ich wünsche mir von den Jungs, dass sie da genauso denken. Es muss in den Zweikämpfen auch mal richtig rauchen."
Eine Kritik, die sich hart am rein fußballerischen Element orientiert. Wobei sich auch Vogt selbst in diese Kritik einbeziehen muss. Beim letztlich vorentscheidenden Treffer von Mitchell Weiser zum 1:3 sah nämlich auch die Hoffenheimer Leihgabe nicht wirklich gut aus.
"Man muss den Finger auch mal in die Wunde legen!"
Doch Vogt geht es nicht nur um die Mannschaft an sich, sondern auch um die Einflüsse, die die leitenden Angestellten des Klubs (Trainer und Sportchef) auf die Mannschaft ausüben könnten. Da gibt es, Vogts Wortwahl nach zu urteilen, ebenfalls Handlungsbedarf: "Man muss auch mal kritisch sein dürfen, ohne dass es jemand falsch versteht. Man muss den Finger auch mal in die Wunde legen, einzelne Personen auch mal ansprechen. Da sind wir in der Verantwortung und auch das Trainerteam."
Klarer kann man eine Kritik in der Öffentlichkeit kaum platzieren. Vogts Befürchtung ist naheliegend. Wenn zu viel Wohlfühlatmosphäre geschaffen wird, verlieren die Spieler leicht die Bedrohung des Abstiegs aus den Augen. Zudem ist die allwöchentliche Selbstbestätigung, alles ja irgendwie doch recht gut gemacht zu haben, absolut kontraproduktiv für eine Mannschaft, die den Schalter schnellstens, lieber gestern als heute, umlegen muss. Denn wo keine selbstkritische Einsicht in die gemachten Fehler herrscht, kann auch keine Besserung entstehen.
Ob der Ton in Bremen nach dieser mahnenden Schelte eines der erfahreneren Spielern im Kader wirklich rauer wird in den kommenden Wochen, wird sich zeigen. Für das Unternehmen Klassenerhalt ist aber genau dies wohl unabdingbar.