Verlorene Wochen auf Schalke: Über Ausreden bis hin zum mutigen Auftritt der Youngster

David Wagner herzt Liga-Debütant Can Bozdogan
David Wagner herzt Liga-Debütant Can Bozdogan / Lars Baron/Getty Images
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Am Sonntagabend trat die Elf von Schalke im Spiel gegen Leverkusen gänzlich anders auf, als sie es über die vorigen Wochen Rückrunde tat. Dazu standen viele junge Spieler auf dem Feld - also etwas, das Trainer David Wagner sinngemäß immer wieder als unmöglich beschrieb. Muss man sich beim S04 über verlorene Wochen ärgern?

Wie viel Ärger und Unmut wohl hätte vermieden werden können...

Am frühen Sonntagabend lief Schalke 04 mit vielen sehr jungen Spielern auf. Sie standen aber nicht nur in der Startelf oder generell auf dem Platz - sie attackierten mutig, liefen bissig an, unterstützten sich gegenseitig lauthals. Auch wenn es kein spielerischer Leckerbissen war, den Schalke im eigenen Ballbesitz zeigen konnte, so war es doch ein gänzlich anderer Auftritt, als das, was die Anhänger des emotionalen Klubs Woche für Woche mitmachen mussten.

Schlechte Auftritte reihten sich aneinander: Wagner ohne Mut, dafür mit Abladen der Schuld

Wir erinnern uns (nur kurz, versprochen): Zwar nicht erst seit dem Re-Start der Liga, sondern über die Rückrunde, aber speziell seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs, zeigte Königsblau auf dem grünen Rasen nichts, was in irgendeiner Weise ein Lob verdient hätte. Die Auftritte waren allesamt träge, schläfrig, mutlos und absolut uninspiriert. Ob es gegen den Revier-Rivalen Borussia Dortmund ging, oder gegen so gut wie jede Mannschaft aus dem Tabellenkeller. Ein defensiver und schlicht schlechter Auftritt folgte dem nächsten.

Ohne Zugriff gegen Dortmund: Schalke schon beim BVB mit schlechtem Auftritt
Ohne Zugriff gegen Dortmund: Schalke schon beim BVB mit schlechtem Auftritt / Pool/Getty Images

Trainer David Wagner geriet Spiel für Spiel mehr in die Kritik, während seine Aussagen rund um diese katastrophalen Leistungen diese angespannte Stimmung regelmäßig befeuerten. "Wir sind derzeit zu nichts anderem in der Lage", erklärte der Coach nach der ernüchternden Partie gegen Fortuna Düsseldorf, nachdem er seine Mannschaft erneut tief in die eigene Hälfte stellte und Schalke phasenweise nicht einmal 20 Prozent Ballbesitz vorzuweisen hatte - abgesehen von insgesamt drei Schüssen auf das Tor der Mannschaft, die seit einer gefühlten Ewigkeit auf dem Relegationsplatz festhängt.

Immer wieder standen die verletzten Spieler bei Wagner im Vordergrund. Auch ein Grund dafür, dass er zuletzt (sinngemäß) verlauten ließ, er habe "seit Anfang, Mitte Februar" keinen konkurrenzfähigen Kader zur Verfügung. Lässt man den Aspekt beiseite, wie sich die einsatzbereiten Spieler bei solchen Worten ihres Trainers fühlen, der ihnen Selbstbewusstsein und Mut mit auf dem Weg geben sollte, so ist diese Aussage schlichtweg falsch. Schon in Spielen, bei denen so gut wie keiner ausfiel, zeigten sich ganz schlechte Leistungen. Viele Youngsters warteten vergeblich auf ihre Chancen.

Schalke-Youngsters sorgen für frischen Wind: S04-Zukunft liegt in der Jugend

Zurück in die Gegenwart. Das Spiel gegen Bayer Leverkusen war geprägt von mutigen und gierigen Schalkern, die allermeisten Spieler versuchten, sich in jeden Ball hineinzuwerfen und zu verhindern, dass sich das eigene Team durch geschickte Querpässe der Werkself auseinanderziehen lässt. Das hat gut funktioniert, Schalke stand sehr eng und dicht, was es der Mannschaft von Peter Bosz sehr schwer machte, sich vor das Tor des S04 zu kombinieren. Sehr beeindruckende 719 Pässe spielte Leverkusen zwar (ganze 86 Prozent fanden ihr Ziel), doch am Ende verpufften diese Kombinationen häufig.

Dabei im blau-weißen Vordergrund: Junge Nachwuchsspieler wie Can Bozdogan, Nassim Boujellab, Ahmed Kutucu, die endlich in der Startelf standen und passende Rollen übernehmen durften. Auch Timo Becker, Levent Mercan und Jonas Hofmann wurden noch eingewechselt - somit waren sechs von am Sonntag 15 eingesetzten Spielern ein direktes Produkt aus der eigenen Knappenschmiede.

Der 19-jährige Can Bozdogan hinterließ einen starken ersten Eindruck
Der 19-jährige Can Bozdogan hinterließ einen starken ersten Eindruck / Lars Baron/Getty Images

Zusätzlich standen mit Juan Miranda, Ozan Kabak, Jonjoe Kenny, und Weston McKennie weitere sehr junge Spieler auf dem Platz. Das durchschnittliche Alter von 23,7 Jahren (via SofaScore) wurde von erfahrenen Akteuren wie Bastian Oczipka, Daniel Caligiuri und auch Alessandro Schöpf sogar noch stark nach oben gezogen.

Eine junge Elf, die Willen zeigt, zumindest kämpft und alles dafür tut, eine Kehrtwende in den gezeigten Auftritten zu bewirken. Das ist etwas, was viele S04-Fans über die letzten Wochen sehen wollten. Natürlich ist es auch nicht das Gelbe vom Ei, da am Ende spielerisch doch wenig ging - aber das ist bei einer solchen Truppe, zum großen Teil nicht eingespielt und durch die letzten Wochen verunsichert und nervös, wenig verwunderlich. Die Anhänger zollten der Mannschaft Respekt, gaben sich mit einem erkämpften Punkt gegen bemühte Leverkusener zufrieden.

Wagner weiter in der Kritik: Verlorene Wochen durch falsche Ausreden statt Mut

Deshalb muss sich Wagner folgende Frage gefallen lassen: Warum nicht eher so? Mit jungen Spielern, die ihren Teil zu einer positiven Zukunft von Königsblau beitragen können, hätte so gut wie jeder Verständnis dafür gehabt, wenn eher maue Auftritte gezeigt und weniger Punkte geholt worden wären. Aber stur zu bleiben, auf einen gänzlich anderen Weg zu vertrauen, diesen Weg Woche für Woche scheitern zu sehen, während erklärt wird, es sei schlicht nichts anderes möglich - das hat Kraft, Vertrauen und viel Mut gekostet.

Steht weiter in der Kritik: Der an der Seitenlinie oftmals auffällig ruhige David Wagner
Steht weiter in der Kritik: Der an der Seitenlinie oftmals auffällig ruhige David Wagner / Lars Baron/Getty Images

Schlussendlich muss auch festgehalten werden, dass die Aussagen Wagners über die letzten Wochen auch einfach falsch sind. Natürlich ging es anders, endlich am Sonntagabend bewiesen. Natürlich ist der Kader stark dezimiert, aber weiterhin konkurrenzfähig. Die Ausreden bei der eigenen Mannschaft abzuladen, das gehört sich nicht. Zynisch könnte man fragen: Hat Wagner vorher nur Blödsinn erzählt oder hat das Team gegen die Werkself gegen ihn und seine Anweisungen gespielt? Schließlich war der durchaus mutige Auftritt das, was Wagner stets als nicht möglich beschrieb.

Er selbst hätte sich viel Ärger ersparen können, doch seine Sturheit und das Festhalten an Spielern, die nicht vollends mitgezogen und für Fehler gesorgt haben (nein, nicht die Youngsters ohne Spielpraxis), haben das Gegenteil bewirkt. Trotz des Lobes für die vergangenen 90 Minuten bleibt der Eindruck großer Teile der Schalke-Fans, dass Wagner über den Sommer hinaus nicht mehr haltbar ist. Es sind womöglich nicht nur verlorene Wochen, sondern eher Monate.


Autor Yannik Möller ist auch bei Twitter zu erreichen