Stell dir vor, du machst vier Tore - und es reicht trotzdem nicht

Ein Viererpack ist etwas ganz besonderes! Dumm nur, wenn die eigene Gala nicht zum Erfolg langt
Ein Viererpack ist etwas ganz besonderes! Dumm nur, wenn die eigene Gala nicht zum Erfolg langt /
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Für einen jeden Fußballer ist es eines der größten Gefühle, die man während eines Spiels haben kann: ein Tor zu erzielen. Wenn dann die eigene Mannschaft auch noch gewinnt, um so besser. Doch bisweilen konnten Spieler sogar mehr als ein Tor erzielen, und gingen dennoch gefühlt als Verlierer vom Platz. Ja, selbst vier eigene Tore reichen bisweilen nicht, um beim Schlusspfiff jubeln zu können. Wir haben vier dieser ganz besonderen Fälle in der Fußball-Historie aufgearbeitet.

25. Mai 2003: Auer wird zur tragischen Figur im Aufstiegsdrama

Seine vier Tore reichten am Ende nicht für den Aufstieg: Benjamin Auer (hier im Duell mit Werders Stalteri)
Seine vier Tore reichten am Ende nicht für den Aufstieg: Benjamin Auer (hier im Duell mit Werders Stalteri) / TORSTEN SILZ/Getty Images

Um kurz vor fünf Uhr nachmittags steht Benjamin Auer an diesem Mai-Sonntag auf dem Rasen des Stadions an der Hamburger Straße zu Braunschweig. Er steht mitten in einem von seinen Mitspielern gebildeten Kreis. Der FSV Mainz 05 hat gerade die Eintracht mit 4:1 geschlagen, und Benjamin Auer hat alle vier Tore der Rheinhessen erzielt. Seinen Teil für den erhofften Aufstieg hat er also getan. Und mit ihm die ganze Mannschaft. Jetzt heißt es: warten auf das Ergebnis aus Frankfurt, wo das Spiel der anderen Eintracht noch läuft. Der Mainzer Trainer, Jürgen Klopp, geht durch die Reihen und versucht seine Spieler zu beruhigen. Was sie haben tun können, haben sie getan.

Nur ein Törchen trennten vor diesem letzten Spieltag die Mainzer (auf Platz vier) von der Frankfurter Eintracht auf dem dritten und zum Aufstieg berechtigenden Rang. Elf Minuten vor Schluss dieses aberwitzigen Showdowns steht es beim Spiel Frankfurt gegen Reutlingen 3:3, während die Mainzer bereits mit 4:0 führen. Für die SGE bedeutet das: es müssen irgendwie vier Tore her.

In diesem Moment erzielt Abdoul Thiam sein erstes Tor in der zweiten Liga. Dass es gleichzeitig sein letztes sein würde, ahnt er in diesem Moment nicht. Er erzielt es, ohne sich groß darüber zu freuen, denn es bedeutet lediglich Ergebniskosmetik für sein Team. Statt 0:4 verliert die Braunschweiger Eintracht am Ende "nur" 1:4. Doch ein paar hundert Kilometer weiter südwestlich wird dieses Tor wie ein Fanal aufgenommen. Der Treffer von Thiam macht schnell die Runde im ausverkauften Waldstadion. Jeder, der es mit der Eintracht hält, weiß natürlich ganz genau: jetzt fehlen wieder nur drei eigene Tore. Allerdings sind auch nur noch knappe zehn Minuten zu spielen.

Dementsprechend starten die Hessen einen letzten verzweifelten Sturmlauf auf das Reutlinger Tor. Und kommen schnell zum ersten der nötigen drei Treffer: Diakaté trifft in der 83. Minute zum 4:3. Vier Minuten später fliegt auch noch Reutlingens Rüdiger Rehm (der heutige Wiesbadener Coach) vom Platz. In Überzahl belagert die SGE nun das Reutlinger Tor noch intensiver. In der 90. Minute gelingt Erwin Skela das 5:3. Nur noch ein Tor fehlt den Hessen zum Aufstieg.

Gespanntes Warten in Braunschweig - Ekstase in Frankfurt

In Braunschweig ist die Partie mittlerweile beendet. Gebannt starren einige Mainzer Spieler auf ein Transistor-Radio, als wollten sie den mit erregter Stimme aus Frankfurt berichtenden Stadionreporter beschwören, kein weiteres Eintracht-Tor mehr zu verkünden. Auer denkt an sein Spiel und seine vier Tore. Sollten sie womöglich doch nicht zum erträumten ersten Bundesligaaufstieg der 05er reichen? Die Anspannung ist nervenzerfetzend. Klopp, innerlich selbst aufgewühlt wie wohl noch nie, versucht weiterhin, Ruhe zu vermitteln.

Im Waldstadion ist die dritte Minute der Nachspielzeit angebrochen, als ein weiterer Eckball in den Strafraum der Reutlinger segelt. Publikumsliebling Alexander Schur steigt am höchsten und köpft ins Netz. Das Stadion explodiert vor Freude. Wildfremde Menschen liegen sich in den Armen, können dieses unglaubliche Saison-Finale nicht wirklich fassen. Ungläubigkeit, Kopfschütteln und endlose Freude überall.

Im selben Moment fallen die Mainzer Spieler wie gefällte Baumstämme zu Boden. Manche weinen, können diese bittere Niederlage (trotz des eigenen Sieges) nicht verstehen, hadern mit ihrem Schicksal. Auch Benjamin Auer muss von seinem Coach getröstet werden. Trotz vier Tore hat es am Ende für ihn und seine Mainzer nicht gereicht. Ein Jahr später indes verteilt der Fußball-Gott die Karten neu. Und diesmal steigen die Mainzer endlich in die Bundesliga auf - und die ein Jahr zuvor noch so freudetrunkenen Frankfurter müssen gleichzeitig ihren Gang in Liga 2 antreten.


12. März 1997: Pantic allein reicht Atlético nicht zum Weiterkommen

Vier Tore im Nou Camp - und trotzdem als Verlierer vom Platz gegangen: Milinko Pantic
Vier Tore im Nou Camp - und trotzdem als Verlierer vom Platz gegangen: Milinko Pantic / Stu Forster/Getty Images

Im Viertelfinale des spanischen Pokals stehen sich im März 1997 Atlético Madrid und der FC Barcelona gegenüber. Zu dieser Zeit wird der Wettbewerb in Hin- und Rückspielmodus ausgetragen, und das erste Duell, am Manzanares, endet 2:2. Keine wirklich gute Ausgangsposition für die Colchoneros am 12. März 1997, als sie zum Rückspiel im Nou Camp reisen.

Doch sie erwischen einen Traumstart: Milinko Pantic, der kleine Serbe, der im Vorjahr wesentlichen Anteil am Double-Gewinn Atléticos hatte, bringt die Rot-Weißen schon nach neun Minuten in Front. Vitor Baia im Tor der Katalanen sieht dabei ganz schlecht aus. Auch beim zweiten Tor der Madrilenen scheint er nicht machtlos. Nach knapp einer halben Stunde führt Atlético 2:0. Und legt noch vor der Pause einen drauf: abermals Pantic (per Foulelfmeter) zimmert den Ball ins Netz.

Ronaldo (3 Tore) kontert Pantic (4 Tore)

In der zweiten Halbzeit sorgen wütende Barça-Angriff schnell für zwei Tore der Hausherren. Ronaldo verkürzt schnell auf 2:3. Doch Pantic kriegen die Blaugrana an diesem Abend irgendwie nicht in den Griff. Nur zwei Minuten nach Ronaldos Anschlusstor erhöht der Serbe erneut. 2:4. War's das?

Nein, sagt Ronaldo. Nach Figos Tor zum 3:4, erzielt der Brasilianer seinen dritten Treffer in diesem Match und gleicht aus. Doch aufgrund der Auswärtstorregelung ist Atlético immer noch im Halbfinale des Pokals. Doch Juan Antonio Pizzi, mittlerweile eingebürgerter Spanier argentinischer Herkunft, macht seinem Ruf als Goalgetter in der 83. Minute alle Ehre. Sein 5:4 rettet die Katalanen doch noch in die Vorschlussrunde, während enttäuschte Hauptstädter mit hängenden Köpfen in die Kabinen stapfen. Pantic verweilt noch Minuten nach dem Schlusspfiff auf dem Rasen des Nou Camp. Vier Tore hat er in diesem fantastischen Stadion geschossen - doch zum Weiterkommen hat es am Ende nicht gereicht.


21. März 1998 - Trotz Viererpack von Vieri erleidet Atlético die Schmach von Salamanca

Seine vier Tore in Salamanca reichten Atlético nicht mal zu einem Punkt: Christian Vieri
Seine vier Tore in Salamanca reichten Atlético nicht mal zu einem Punkt: Christian Vieri / Alessandro Sabattini/Getty Images

Die Unión Deportiva (Sportgemeinschaft) Salamanca ist neu in der Liga in dieser Saison 1997/98. Doch sie hält sich gut in dieser Spielzeit, wird sich am Ende auch mit 45 Punkten und einem achtbaren 15. Platz in der höchsten Spielklasse halten können. Das Spiel gegen die von Radomir Antic, dem Double-Sieger von 1996, trainierten Mannen von Atlético hat dazu sein Scherflein beigetragen.

Dabei scheint die Geschichte des Spiels schon erzählt, als Atléticos italienischer Mittelstürmer Christian Vieri bereits in der 11. Minute zum 1:0 für die Gäste einnetzt. Gegen die defensiv auch damals schon äußerst stabilen Madrilenen bedeutet ein solch früher Rückstand meist das Todesurteil. Doch davon will die Unión Deportiva an diesem Abend nichts wissen. Schon vier Minuten nach Vieris erstem Tor gleicht Popescu für die Hausherren aus. Die sogar in der 30. Minute in Führung gehen, ehe Vieri den 2:2-Halbzeitstand herstellt.

Trotz Vieris Viererpack unterliegt Atlético beim Aufsteiger

In der zweiten Halbzeit überrascht der Aufsteiger den Meister von 1996 mit mutigem Offensivfußball. Bis zur 76. schießen die Salmantiner einen 4:2-Vorsprung heraus. Aber Atlético hat ja einen Vieri. Und der kontert diese Führung tatsächlich mit zwei weiteren Toren. Innerhalb von zwei Minuten (zwischen der 81. und 83. Spielminute) sorgt der Italiener für das 4:4. Mit dem sich am Ende auch beide Teams zufrieden zu geben scheinen. Doch dann hat Salamancas Edu noch das letzte Wort - und besorgt den vielumjubelten Siegtreffer. Und ein ungläubiger Vieri stiert nach Spielende in den schwarzen Nachthimmel und fragt sich, wie oft er wohl schon vier Tore erzielt hat - um am Ende als Verlierer vom Platz zu gehen.


29. April 1978: Heynckes' vier Tore reichen Borussia nicht zum Titel

12:0 gewonnen, vier Tore geschossen, aber am Ende doch irgendwie "verloren": Jupp Heynckes
12:0 gewonnen, vier Tore geschossen, aber am Ende doch irgendwie "verloren": Jupp Heynckes / Alex Livesey/Getty Images

Am letzten Spieltag der Saison 1977/78 stehen sich im Fernduell um die Meisterschaft der 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach gegenüber. Die Kölner weisen das um zehn Tore bessere Torverhältnis auf und müssen am 34. Spieltag zum bereits abgestiegenen FC St. Pauli reisen, während die Borussia aus Gladbach ihren Namensvetter aus Dortmund zu Gast hat. Es entwickelt sich ein Scheibenschießen der besonderen Art. Am Ende schlagen die Fohlen die Dortmunder mit sage und schreibe 12:0 vom Bökelberg. Vier Tore steuert allein Jupp Heynckes bei. Doch wirkliche Spannung soll eigentlich nie aufkommen, denn auch der 1. FC Köln lässt bei seinem Auftritt in Hamburg nichts mehr anbrennen. Mit 5:0 gewinnen sie im Volkspark gegen die Braunen und gehen mit drei Toren Vorsprung schließlich über die Ziellinie.