Spanien: Warum das Frauen-Nationalteam gegen seinen Willen spielen muss

Die neue Trainerin Montse Tomé beschloss, die Spielerinnen gegen ihren Willen zu nominieren
Die neue Trainerin Montse Tomé beschloss, die Spielerinnen gegen ihren Willen zu nominieren / Anadolu Agency/GettyImages
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Die Turbulenzen im spanischen Frauenfußball erreichen einen neuen Höhepunkt. Vor dem Nations-League-Start stehen Spielerinnen und Verband weiter im Konflikt. So stellt sich die aktuelle Situation dar.

Der Grund für den Streik

Im Protest gegen den Verband waren die spanischen Nationalspielerinnen in den Streik getreten: Sie fordern nach dem Übergriff von Ex-Präsident Luis Rubiales bei der WM-Siegerehrung grundsätzliche und strukturelle Veränderungen. Der Verband beschloss nun, sie trotzdem einzuladen - wegen eines spanischen Gesetzes müssen die Spielerinnen nun gegen ihren Willen zum Nationalteam fahren.

Die Spielerinnen hatten angekündigt, sich auch nach dem Rücktritt von Rubiales und der Entlassung von Trainer Jorge Vilda weiter aus dem Nationalteam zurückzuziehen. Ihnen gingen die personellen Veränderungen nicht weit genug, denn die strukturellen Probleme seien nicht gelöst worden.

Spielerinnen trotz Streikes in das Nationalteam berufen

Der spanische Verband RFEF beschloss nun, nicht auf ihre Forderungen einzugehen. Stattdessen nominierte Montse Tomé, die frühere Assistentin von Jorge Vilda und seine interimsmäßige Nachfolgerin, die Spielerinnen trotz des angekündigten Streikes.

Die Spielerinnen waren davon selbst überrascht: Sie erfuhren laut dem spanischen Medium Relevo von ihrer Nominierung für den Kader erst über das Fernsehen, sie wurden vorher nicht angerufen. In einem Statement teilten sie ihre Verblüffung über den Schritt des Verbandes mit: "Wir bedauern dass uns der Verband erneut in eine Situation bringt, die wir nie gewollt hätten", schrieben sie.

Nicht nominiert wurde Jenni Hermoso. Montse Tomé erklärte, dass sie damit die Spielerin schützen wolle, die zuvor Opfer des Übergriffes von Luis Rubiales geworden war. Hermoso antwortete mit einem scharfen Statement: "Wovor beschützen? Wir haben seit Wochen, sogar Monaten, den Schutz der RFEF gesucht, der nie kam", schrieb sie. Hermoso nannte die Nominierung ihrer Kolleginnen eine weitere Strategie der Manipulation, mit der der Verband einen Keil zwischen die Spielerinnen treiben wolle.

Spielerinnen wegen eines Gesetzes gezwungen zu spielen

Die Spielerinnen kündigten zunächst an, zu prüfen, ob sie wirklich der Nominierung nachkommen müssen. Jetzt sind sie zu dem Schluss gekommen, dass es unmöglich ist, nicht zum Nationalteam zu reisen. Das liegt an einem spanischen Gesetz, nach dem die Athleten und Athletinnen sich nicht weigern dürfen zum Nationalteam zu fahren. Falls sie es doch tun, kann der jeweilige Verband ihnen die Lizenz entziehen - sie könnten also nicht mehr für Barcelona, Real Madrid und Co. spielen.

So sind die Spielerinnen jetzt in der absurden Situation, dass sie trotz des Streikes spielen müssen. Der Verband bemühte sich, das Medieninteresse an der Situation klein zu halten. Spontan wurde ein Teil des Lagers daher von Madrid nach Valencia verlegt, damit möglichst wenige Journalisten das Camp begleiten können.

Von Valencia aus muss ein Teil der Spielerinnen laut Relevo dann nochmal Bus fahren, um auf einem Platz ohne Flutlicht zu trainieren - Abgelegenheit scheint dem Verband wichtiger als gute Trainingsbedingungen. Torhüterin Misa Rodriguez, die mit dem anderen Teil der Spielerinnen in Madrid untergebracht ist, antwortete auf die Frage, ob sie glücklich sei, im Kader zu stehen, mit einem klaren "Nein!"

Misa Rodriguez
Torhüterin Misa Rodriguez / Catherine Ivill/GettyImages

Das Verhalten des Verbandes sorgte für viel Empörung. Die Schweizer Nationalspielerin Ana-Maria Crnogorcevic bekundete ihre Solidarität mit den Spanierinnen:

"Das ist verrückt... wie kann man seine eigenen Spieler so bedrohen... 😳 Sie berufen sie zur Nationalmannschaft, obwohl sie sagten, sie wollen klare Veränderungen, bevor sie zurückkommen! Das ist soooo respektlos... Offensichtlich ist es ihnen egal ... und sie erlauben ihnen nicht, ihre eigene Entscheidung zu treffen 😔", schrieb sie auf X (vormals Twitter).

Nations League gegen Schweden steht an - Boykott möglich

Am Freitag steht nun ein Spiel an: Spanien spielt in der Nations League gegen Schweden. Für La Roja ist es ein sportlich extrem bedeutendes Spiel, das vermutlich maßgeblich über den Gruppensieg und damit auch über die Olympia-Qualifikation entscheidet. Das Re-Match des WM-Halbfinales wird aber in jedem Fall von dem Konflikt mit dem Verband überschattet.

Die Frage ist nun, wie Spaniens Spielerinnen reagieren: Werden sie die Begegnung boykottieren oder normal spielen? Es ist damit zu rechnen, dass sie sich mit Schweden austauschen. Die schwedische Mittelfeldspielerin Filippa Angeldal sagte: "Wir möchten, dass sie wissen, dass sie unsere volle Unterstützung haben und dass andere Nationen hinter ihnen stehen, wenn sie eine Entscheidung treffen. Wenn sie glauben, dass ein Boykott des Spiels notwendig ist, um einen Wandel herbeizuführen, stehen wir an ihrer Seite."


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