Schwanger und Karriere - noch immer unvereinbar?

Amanda Ilestedt verkündete vor wenigen Tagen ihre Schwangerschaft. Immer mehr Fußballerinnen bekommen während ihrer aktiven Karriere ein Kind, doch immer noch müssen Spielerinnen für ihre Rechte als Mütter im Profisport kämpfen.

US-Star Alex Morgan mit ihrer Tochter.
US-Star Alex Morgan mit ihrer Tochter. / Joe Puetz/GettyImages
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Freudige Nachrichten aus Nord-London

Unter der Woche wurde bekannt, dass Amanda Ilestedt ihr erstes Kind erwartet. Bei einer Team-Besprechung verkündete Trainer Jonas Eidevall der Mannschaft aus London die schöne Nachricht. Die Mitspielerinnen freuten sich sichtlich für ihre Innenverteidigerin und gratulierten ihr herzlich. Illestedt war gerührt von der Anteilnahme ihres Teams. Nach Bekanntgabe reagierten auch die Fans mit viel Zuspruch. Viele hatten sich gefragt, was mit der schwedischen Nationalspielerin sei, da sie dem Team seit mehreren Wochen nicht mehr zur Verfügung stand. Nun steht fest, dass dies auch in den nächsten Monaten so bleiben wird - aus einem besonderen Grund.

Ungewissheit bei Schwangerschaft

Für die schwedische Nationalspielerin beginnt nun eine neuer, aufregender Lebensabschnitt. Eine Schwangerschaft ist üblicherweise ein freudiger Anlass. Bei Frauen im Profifußball ist sie aber auch mit vielen Fragen und einer großen Ungewissheit verbunden: Werde ich die richtige oder werde ich überhaupt Hilfe erhalten? Wie wird sich die Schwangerschaft auf meine Karriere auswirken? Wie wird mein Verein reagieren?

Der FC Arsenal hat seiner Spielerin größtmögliche Unterstützung zugesichert und dies auch öffentlich über die sozialen Medien verbreitet. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das System Profifußball schwangere Frauen oftmals alleine lässt. Viele Clubs begleiten ihre Spielerinnen weder richtig noch unterstützen sie sie optimal, die Vereine scheinen oft komplett unvorbereitet auf diese Situation.

Isländische Nationalspielerin teilt ihre Geschichte

Vor einem Jahr sprach die isländische Nationalspielerin Sara Björk Gunnarsdóttir über ihre negativen Erfahrungen. Sie schrieb bei X (damals Twitter): "Diese Geschichte ist größer als ich." Die Nationalspielerin war 2020 vom VFL Wolfsburg zu Olympique Lyon gewechselt. Nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft hatte ihr neuer französischer Verein ihren Lohn teilweise einfach einbehalten.

Nach einem langen Rechtsstreit entschied der Weltfußballverband, dass Lyon das Geld nachzahlen muss. Sportlich bezahlte Gunnarsdóttir dennoch: Ihr Vertrag wurde nicht verlängert. Sie wechselte schließlich zu Juventus Turin. Diese Geschichte ist ein Beispiel, was schwangeren Fußballerinnen passieren kann: Sie werden von ihren Vereinen im Stich gelassen. Und um ihre Rechte müssen sie kämpfen.

Sara Bjork Gunnarsdottir
Sara Björk Gunnarsdóttir bei der EM in England / BSR Agency/GettyImages

Bessere Rechtslage seit 2021

Dass sich der Schutz werdender Mütter verbessern muss, hat die FIFA immerhin erkannt. Anfang 2021 traten neue Verordnungen in Kraft. Jede professionelle Spielerin hat Anspruch auf mindestens 14 Wochen Mutterschaftsurlaub unter Erhalt von mindestens zwei Dritteln ihres vertraglich festgelegten Gehalts. Zudem sind Spielerinnen vor Vertragskündigungen aufgrund einer Schwangerschaft geschützt.

Eine Nichteinhaltung dieser Regeln wird von der FIFA verfolgt und bestraft. Auch der Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV Ulf Baranowsky hat sich für größere Sicherheiten der Mütter im Fußball ausgesprochen. Er wies besonders auf den finanziellen Aspekt hin. Dass Mütter ihre Fußballkarrieren trotz eines geregelten Mutterschutzes selten auf hohem Niveau fortsetzten, liege an der relativ geringen Ertragssituation der Profifußballerinnen, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Bessere Gehälter seien nötig.

Karriere oder Kind? Beides ist möglich

Fußballerinnen standen lange vor der Entscheidung "Karriere oder Kind". Dass Frauen nach einer Geburt nicht mehr fit werden, weniger leistungsfähig sind oder über weniger Konzentration auf den Sport verfügen, ist unbewiesen. Immer mehr Spielerinnen entscheiden sich dafür, beides gleichermaßen zu versuchen. Bei der Europameisterschaft in England vor knapp zwei Jahren gab es allein im isländischen Team fünf Spielerinnen, die auch Mütter waren. Gunnarsdóttir erzählte in der ARD-Sportschau: "Mutter und Profifußballerin zu sein, ist - ehrlich gesagt - der beste Job überhaupt." Sie wies darauf hin, dass es möglich sei, beides gut zu verbinden. Ohne die Unterstützung von Verein und Nationalteam gehe es für die Spielerinnen aber nicht.

Melanie Leupolz ist ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, Familie und Karriere im Sport zu vereinbaren. Die 29-Jährige war Teil der deutschen Nationalmannschaft bei der WM im vergangenen Jahr. Neun Monate zuvor hatte sie einen Sohn zur Welt gebracht, der in Australien samt Babysitter dabei war. Der DFB akzeptierte und förderte diese besondere Situation.

Die Spielerin des FC Chelsea sagte damals in einem Interview: "Es ist wunderschön, dass wir es zusammen erleben können, auch wenn er sich später nicht mehr daran erinnern wird." Viele Spielerinnen, sagte Melanie Leupolz, hätten sich bislang "eigentlich immer auf Kinderkriegen oder Fußball" festlegen müssen. Viele wählten deshalb den Weg, vorzeitig ihre Karriere zu beenden "und zwar nicht aus sportlichen Beweggründen, sondern weil das Drumherum nicht gepasst hat", sagte sie der "Sports Illustrated". Leupolz äußerte sehr deutlich, "dass es viele Vereine ziemlich persönlich nehmen, wenn eine Spielerin sich für ein Kind entscheidet und mit dem Fußball pausiert".

Das scheint eines der größten Probleme im Profifrauenfußball zu sein, wie der Fall von Gunnarsdóttir und ihrem ehemaligen Verein Lyon zeigt. Vereine sehen ihre Spielerinnen nicht als Menschen, sondern ihren Wert nur in ihrer Funktion und Leistung. Wie in anderen Unternehmen auch müssten im Fußball, darauf weist Melanie Leupolz hin, verlässliche Strukturen geschaffen werden, die es Frauen ermöglichen, Karriere und Familie zu vereinbaren.

Melanie Leupolz
Melanie Leupolz / Matt McNulty/GettyImages

Leupolz machte gute Erfahrungen beim FC Chelsea

Leupolz hat gute Erfahrungen bei ihrem Club gemacht. In einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte sie: "Ich habe das Glück, dass hier gute Menschen an den wichtigen Positionen sitzen." Besonders die Trainerin der "Blues" aus London, Emma Hayes, die selbst Mutter ist, wird von Leupolz gelobt. Hayes habe immer an sie geglaubt und ihr Rückhalt versichert.

Hayes selbst äußerte sich sehr klar: "Wenn sich eine Spielerin das Kreuzband reißt, tut man alles, um sie in neun bis zwölf Monaten wieder auf den Platz zu bringen. Wir sollten mit einer Frau, die ein Baby bekommt, genau dasselbe tun, aber das tun wir nicht. Ich denke, wir müssen uns ernsthaft fragen, warum das so ist." Leupolz ist ihrem Verein sehr dankbar. "Chelsea hat viel mehr getan, als sie tun mussten", so die ehemalige Nationalspielerin. Außerdem hofft sie, dass sie eine Vorreiterrolle einnehmen kann: "Wenn ich positive Erfahrungen mache und sie mit anderen teile, hilft das den Vereinen zu sehen, was möglich ist.“

Emma Hayes, Melanie Leupolz
Melanie Leupolz und Emma Hayes / Catherine Ivill/GettyImages

Verantwortung bei den Verbänden, den Vereinen und der FIFA

Allein dass es ein großes Thema ist, wenn Spielerinnen versuchen, Kind und Sportkarriere miteinander zu verbinden, und intensiv diskutiert wird, dass eine Schwangerschaft nicht zwangsläufig das Ende der Karriere bedeutet, zeigt: von Normalität ist das noch weit entfernt. Es braucht mehr Vereine, die die richtigen Bedingungen für ihre Spielerinnen schaffen, die sie während und nach einer Schwangerschaft schützen, unterstützen und ihnen eine Rückkehr - auf "altem" Niveau - ermöglichen.

Dass immer mehr Spielerinnen für ihre Rechte kämpfen, ist bemerkenswert und wichtig. Nur nötig sollte dieser Kampf nicht mehr sein. Ob kinderlos oder Mutter: Jede Spielerin verdient es, unter den bestmöglichen Bedingungen trainieren und spielen zu können.


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